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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A erkennt, dass C eine Pistole auf ihn richten will und erschießt C rechtzeitig.

Einordnung des Falls

Unmittelbar bevorstehender Angriff

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat den Tatbestand des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) erfüllt.

Genau, so ist das!

Der Tatbestand des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass der Täter durch seine Handlung einen anderen Menschen kausal und zurechenbar tötet. Dabei muss er Vorsatz (§ 16 Abs. 1 StGB) bezüglich aller objektiven Merkmale gehabt haben.Der Schuss ist nicht hinwegzudenken, ohne das der Tod des C entfiele (Kausalität). Dabei stellt das Schießen auf einen Menschen eine rechtlich missbilligte Gefahr dar, die sich auch im Tod des C realisiert hat (Objektive Zurechenbarkeit). Indem A den C wissentlich und willentlich erschossen hat, hat er seinen Tod mindestens billigend in Kauf genommen (Vorsatz)

2. A sah sich eines Angriffs (§ 32 Abs. 2 StGB) auf sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit ausgesetzt.

Ja, in der Tat!

Die Notwehrlage wird durch einen (1) gegenwärtigen, (2) rechtswidrigen (3) Angriff begründet. Ein Angriff ist jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen.Indem C seine Pistole auf A richtete, bedrohte er A’s Leben und körperliche Unversehrtheit.

3. Der Angriff des C war gegenwärtig (§ 32 Abs. 2 StGB).

Ja!

Die Notwehrlage wird durch einen (1) gegenwärtigen, (2) rechtswidrigen (3) Angriff begründet. Gegenwärtig ist ein Angriff, wenn er unmittelbar bevorsteht, begonnen hat oder noch andauert. Unmittelbar bevor steht der Angriff, wenn es ohne wesentliche Zwischenschritte zu einer Verletzung kommen kann.C war kurz davor auf A zu schießen und ihn zu verletzen oder zu töten. Der Angriff stand hier somit ohne wesentliche Zwischenschritte unmittelbar bevor.Merkhilfe: Der Angriff ist stets von Beginn des Versuchs bis zur Beendigung gegenwärtig.

4. Der Angriff war rechtswidrig (§ 32 Abs. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Rechtswidrig ist der Angriff, wenn er objektiv im Widerspruch zur Rechtsordnung steht. Einen Straftatbestand muss das Angriffsverhalten nicht erfüllen. An der Rechtswidrigkeit fehlt es, wenn der Angriff seinerseits durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist.Der Angriff des C auf das Leben und die körperliche Unversehrtheit des A steht objektiv im Widerspruch zur Rechtsordnung. Er war seinerseits nicht durch einen Rechtefertigungsgrund gedeckt und mithin rechtswidrig.

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Juraluchs

Juraluchs

31.3.2023, 17:20:08

Hey, ich meine, Versuchsbeginn und Angriffsbeginn fallen zwar oft zusammen, sind aber nicht identisch. LG

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.4.2023, 14:57:51

Hallo Juraluchs, wir haben das noch einmal präzisiert. In der Tat ist die "Gegenwärtigkeit" eines Angriffs nicht nur dann zu bejahen, wenn er begonnen wird (also zum Versuch angesetzt wird), sondern bereits, wenn er unmittelbar bevorsteht. Insoweit kann das Merkmal bereits erfüllt sein, wenn der Täter gerade noch nicht alle wesentlichen Zwischenschritte erfüllt hat (zB die Waffe noch nicht gezogen hat). Dadurch soll ermöglicht werden, dass dem Opfer eine effektive Verteidigungsmöglichkeit verbleibt. Denn in vielen Fällen liegen Versuchsbeginn und Vollendung so nahe beieinander, dass eine Verteidigung hier zu spät käme (MüKoStGB/Erb, 4. Aufl. 2020, StGB § 32 Rn. 107). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

17.5.2023, 15:54:01

Was ist der Unterschied bei der Definition von gegenwärtig zwischen "begonnen hat" oder "noch andauert"? Eigentlich ist doch ausschließlich der letzte Punkt erforderlich. Wenn der Angriff nicht mehr andauert, liegt keine Notwehrlage mehr vor. Der bloße Beginn reicht dagegen nicht aus. Der Angriff könnte ja schon vorbei sein.

Carl Wagner

Carl Wagner

19.5.2023, 20:18:01

Vielen Daqnk für deine Frage Dogu! Ich verstehe noch nicht ganz, was du damit meinst, dass der "bloße Beginn" nicht ausreicht, weil der Angriff "ja schon vorbei sein" könnte. Wenn der Angriff vorbei ist, ist keine Gegenwärtigkeit mehr gegeben. Der Beginn und sogar nur das unmittelbare Bevorstehen des Angriffs reichen dagegen aus. (Schönke/Schröder/Perron/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 32 Rn. 13). Die Phrase "noch andauert" bekommt im Kontext von Vermögensdelikten Bedeutung. Beispiel: Ein Taschendieb stiehlt eine Brieftasche. Er wird erwischt. Er rennt durch die Straßen mit der Brieftasche davon. Die Tathandlung ("Wegnahme") ist abgeschlossen. Trotzdem: Der Angriff dauert noch an, da der Diebstahl zwar vollendet ist, aber erst "beendet" sein wird, wenn das Diebesgut gesichert wurde (Schönke/Schröder/Perron/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 32 Rn. 15). Beim Merkmal "noch andauert" geht es also um Fälle, in denen bereits Vollendung des Straftatbestands (zB Diebstahl durch Wegnahme) eingetreten ist, aber noch keine Beendigung. Wichtig: Das gilt nur, wenn man den Dieb auf frischer Tat erwischt und verfolgt. Verliert man ihn längere Zeit aus den Augen oder sieht man das Diebesgut in der Wohnung des Diebes zufällig (zB Bekannter) dann besteht keine Gegenwärtigkeit! (Schönke/Schröder/Perron/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 32 Rn. 15). Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

23.5.2023, 18:27:45

Danke für die ausführliche Antwort. Ich formuliere meine Frage anders (wahrscheinlich stehe ich einfach auf dem Schlauch, sorry): Welcher Fall wäre denn nicht abgedeckt, wenn ich bei der Gegenwärtigkeit nur prüfe, ob der Angriff unmittelbar bevorsteht oder noch andauert? Jeder Angriff, der noch andauert, hat ja auf jeden Fall bereits begonnen. Und wenn er nicht mehr andauert, habe ich auch keine Notwehrlage mehr, auch wenn er irgendwann (bspw. vor drei Monaten) mal begonnen hat. Ich verstehe also nicht, welchen eigenständigen Anwendungsbereich der bloße Beginn im Gegensatz zum "noch andauern" haben kann. Ist "noch andauert" nicht in dem Fall die Obermenge zu allen möglichen Fällen des "Beginns"?

GEI

Geithombre

29.11.2023, 11:13:39

"unmittelbar bevorstehen" und "noch fortdauern" stellen die Grenzen der Gegenwärtigkeit dar. Der Begriff "gegenwärtig" dürfte ja nach Sprachgefühl am ehesten dem "gerade stattfindet" entsprechen, so dass die Definition eher versucht, auch die Randunschärfe zu beseitigen. Aber in einer vollständigen Definition muss auch das Stattfinden enthalten sein, da ansonsten ggf. bei einem einaktigen Geschehen eine Lücke entstünde. Bsp.: A will B einen Faustschlag verpassen. A holt aus (drohende KV steht unmittelbar bevor), A schwingt die Faust in Richtung Bs Gesicht und trifft (Rechtsgutsverletzung findet statt), von weiteren Schlägen sieht er erkennbar ab (gerade kein Fortdauern). Sollte B jetzt nur dann ein Notwehrrecht zustehen, wenn er entweder in der Ausholphase des A selbst zuschlägt oder aber der Aggressor mehrfach zuschlägt? Denklogisch muss es für ein Fortdauern einen Beginn geben, den wir aber nicht bei der Bestimmung der Gegenwärtigkeit außen vor lassen könne, da in unserem Fall B ansonsten kein Notwehrrecht für eine zeitgleiche Abwehrhandlung zustünde.

Dogu

Dogu

29.11.2023, 16:55:02

Dein genannter Fall wäre aber von der o.g. kürzeren alternativen Definition abgedeckt: Solange der einmalige Schlag stattfindet, findet der Angriff noch statt. Unmittelbar danach habe ich auch keine Notwehrlage mehr. Das "begonnen hat" legt ja eher sogar das Gegenteil, nämlich einen längeren Angriff nahe. Naja ich muss es wohl einfach auswendig lernen.

GEI

Geithombre

29.11.2023, 17:23:10

Das Auswendiglernen bleibt uns allen nicht erspart, da hast du wohl Recht😉 Es wird zwar arg semantisch, aber damit etwas fortdauern kann, muss es vorher begonnen haben, ansonsten entsteht eine Lücke. Gerade darauf bezog sich ja mein konstruierter Fall, bei dem es gar nicht erst zu einem "Fortdauern" kommt und so eine unvollständige Definition dazu führen würde, dass dem Opfer kein Notwehrrecht aus § 32 StGB zustünde, da es eben am TBM der "gegenwärtig" fehlen würde. Wenn jetzt in der Weihnachtszeit jemand fragt, ob du noch ein Plätzchen möchtest, dann muss es bereits mindestens ein Plätzchen vorher gegeben haben, da ansonsten das "noch ein" keinen Sinn ergeben würde (ein "Weitergucken" einer Serie setzt voraus, dass ein Teil bereits geschaut wurde; einen Satz zuende schreiben setzt den Beginn voraus; die Schlussrate beim Ratenkauf setzt zumindest eine andere Rate voraus usw.). Ich weiß nicht, ob diese zugegeben weit vom Sachverhalt entfernten Vergleiche es verdeutlichen, dass die sprachliche Genauigkeit für eine korrekte Bewertung des Sachverhaltes unumgänglich ist?

Dogu

Dogu

29.11.2023, 18:19:26

Eigentlich gibt es auch bei einem Schlag ein Fortdauern für die kurze Dauer des Angriffs. Ich darf den Begriff "Gegenwärtigkeit" ja auch nicht als reinen Zeitpunkt betrachten, da die Notwehrlage denklogisch ein Zeitraum sein muss. Ansonsten würde es keinen extensiven notwehrexzess geben. Aber danke für deine Mühe! Ich gebe mich der herrschenden Meinung geschlagen. Vielleicht sieht man sich bei einem der anderen 999 Problem im Strafrecht nochmal. ;D

YAN

Yannek

8.5.2024, 20:29:05

Bei dem Pistolen Fall ist beim Vorsatz der falsche Paragraf (16 anstatt 15)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.5.2024, 14:30:25

Hallo Yannek, danke für deine Anmerkung! Tatsächlich ergibt sich die Definition von Vorsatz aus § 16 StGB. Aus der Norm lässt sich ableiten, dass Vorsatz vorliegt wenn der Täter alle Umstände kannte, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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