Unmittelbar bevorstehender Angriff
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A erkennt, dass C eine Pistole auf ihn richten will und erschießt C rechtzeitig.
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Einordnung des Falls
Unmittelbar bevorstehender Angriff
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat den Tatbestand des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) erfüllt.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. A sah sich eines Angriffs (§ 32 Abs. 2 StGB) auf sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit ausgesetzt.
Ja, in der Tat!
3. Der Angriff des C war gegenwärtig (§ 32 Abs. 2 StGB).
Ja!
4. Der Angriff war rechtswidrig (§ 32 Abs. 2 StGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Juraluchs
31.3.2023, 17:20:08
Hey, ich meine, Versuchsbeginn und Angriffsbeginn fallen zwar oft zusammen, sind aber nicht identisch. LG
Lukas_Mengestu
4.4.2023, 14:57:51
Hallo Juraluchs, wir haben das noch einmal präzisiert. In der Tat ist die "Gegenwärtigkeit" eines Angriffs nicht nur dann zu bejahen, wenn er begonnen wird (also zum Versuch angesetzt wird), sondern bereits, wenn er unmittelbar bevorsteht. Insoweit kann das Merkmal bereits erfüllt sein, wenn der Täter gerade noch nicht alle wesentlichen Zwischenschritte erfüllt hat (zB die Waffe noch nicht gezogen hat). Dadurch soll ermöglicht werden, dass dem Opfer eine effektive Verteidigungsmöglichkeit verbleibt. Denn in vielen Fällen liegen Versuchsbeginn und Vollendung so nahe beieinander, dass eine Verteidigung hier zu spät käme (MüKoStGB/Erb, 4. Aufl. 2020, StGB § 32 Rn. 107). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Dogu
17.5.2023, 15:54:01
Was ist der Unterschied bei der Definition von gegenwärtig zwischen "begonnen hat" oder "noch andauert"? Eigentlich ist doch ausschließlich der letzte Punkt erforderlich. Wenn der Angriff nicht mehr andauert, liegt keine Notwehrlage mehr vor. Der bloße Beginn reicht dagegen nicht aus. Der Angriff könnte ja schon vorbei sein.
Carl Wagner
19.5.2023, 20:18:01
Vielen Daqnk für deine Frage Dogu! Ich verstehe noch nicht ganz, was du damit meinst, dass der "bloße Beginn" nicht ausreicht, weil der Angriff "ja schon vorbei sein" könnte. Wenn der Angriff vorbei ist, ist keine Gegenwärtigkeit mehr gegeben. Der Beginn und sogar nur das unmittelbare Bevorstehen des Angriffs reichen dagegen aus. (Schönke/Schröder/Perron/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 32 Rn. 13). Die Phrase "noch andauert" bekommt im Kontext von Vermögensdelikten Bedeutung. Beispiel: Ein Taschendieb stiehlt eine Brieftasche. Er wird erwischt. Er rennt durch die Straßen mit der Brieftasche davon. Die
Tathandlung("Wegnahme") ist abgeschlossen. Trotzdem: Der Angriff dauert noch an, da der Diebstahl zwar vollendet ist, aber erst "beendet" sein wird, wenn das Diebesgut gesichert wurde (Schönke/Schröder/Perron/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 32 Rn. 15). Beim Merkmal "noch andauert" geht es also um Fälle, in denen bereits Vollendung des Straftatbestands (zB Diebstahl durch Wegnahme) eingetreten ist, aber noch keine Beendigung. Wichtig: Das gilt nur, wenn man den Dieb auf frischer Tat erwischt und verfolgt. Verliert man ihn längere Zeit aus den Augen oder sieht man das Diebesgut in der Wohnung des Diebes zufällig (zB Bekannter) dann besteht keine Gegenwärtigkeit! (Schönke/Schröder/Perron/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 32 Rn. 15). Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team
Dogu
23.5.2023, 18:27:45
Danke für die ausführliche Antwort. Ich formuliere meine Frage anders (wahrscheinlich stehe ich einfach auf dem Schlauch, sorry): Welcher Fall wäre denn nicht abgedeckt, wenn ich bei der Gegenwärtigkeit nur prüfe, ob der Angriff unmittelbar bevorsteht oder noch andauert? Jeder Angriff, der noch andauert, hat ja auf jeden Fall bereits begonnen. Und wenn er nicht mehr andauert, habe ich auch keine Notwehrlage mehr, auch wenn er irgendwann (bspw. vor drei Monaten) mal begonnen hat. Ich verstehe also nicht, welchen eigenständigen Anwendungsbereich der bloße Beginn im Gegensatz zum "noch andauern" haben kann. Ist "noch andauert" nicht in dem Fall die Obermenge zu allen möglichen Fällen des "Beginns"?
Geithombre
29.11.2023, 11:13:39
"unmittelbar bevorstehen" und "noch fortdauern" stellen die Grenzen der Gegenwärtigkeit dar. Der Begriff "gegenwärtig" dürfte ja nach Sprachgefühl am ehesten dem "gerade stattfindet" entsprechen, so dass die Definition eher versucht, auch die Randunschärfe zu beseitigen. Aber in einer vollständigen Definition muss auch das Stattfinden enthalten sein, da ansonsten ggf. bei einem einaktigen Geschehen eine Lücke entstünde. Bsp.: A will B einen Faustschlag verpassen. A holt aus (drohende KV steht unmittelbar bevor), A schwingt die Faust in Richtung Bs Gesicht und trifft (Rechtsgutsverletzung findet statt), von weiteren Schlägen sieht er erkennbar ab (gerade kein Fortdauern). Sollte B jetzt nur dann ein Notwehrrecht zustehen, wenn er entweder in der Ausholphase des A selbst zuschlägt oder aber der Aggressor mehrfach zuschlägt? Denklogisch muss es für ein Fortdauern einen Beginn geben, den wir aber nicht bei der Bestimmung der Gegenwärtigkeit außen vor lassen könne, da in unserem Fall B ansonsten kein Notwehrrecht für eine zeitgleiche Abwehrhandlung zustünde.
Dogu
29.11.2023, 16:55:02
Dein genannter Fall wäre aber von der o.g. kürzeren alternativen Definition abgedeckt: Solange der einmalige Schlag stattfindet, findet der Angriff noch statt. Unmittelbar danach habe ich auch keine Notwehrlage mehr. Das "begonnen hat" legt ja eher sogar das Gegenteil, nämlich einen längeren Angriff nahe. Naja ich muss es wohl einfach auswendig lernen.
Geithombre
29.11.2023, 17:23:10
Das Auswendiglernen bleibt uns allen nicht erspart, da hast du wohl Recht😉 Es wird zwar arg semantisch, aber damit etwas fortdauern kann, muss es vorher begonnen haben, ansonsten entsteht eine Lücke. Gerade darauf bezog sich ja mein konstruierter Fall, bei dem es gar nicht erst zu einem "Fortdauern" kommt und so eine unvollständige Definition dazu führen würde, dass dem Opfer kein Notwehrrecht aus
§ 32 StGBzustünde, da es eben am TBM der "gegenwärtig" fehlen würde. Wenn jetzt in der Weihnachtszeit jemand fragt, ob du noch ein Plätzchen möchtest, dann muss es bereits mindestens ein Plätzchen vorher gegeben haben, da ansonsten das "noch ein" keinen Sinn ergeben würde (ein "Weitergucken" einer Serie setzt voraus, dass ein Teil bereits geschaut wurde; einen Satz zuende schreiben setzt den Beginn voraus; die Schlussrate beim Ratenkauf setzt zumindest eine andere Rate voraus usw.). Ich weiß nicht, ob diese zugegeben weit vom Sachverhalt entfernten Vergleiche es verdeutlichen, dass die sprachliche Genauigkeit für eine korrekte Bewertung des Sachverhaltes unumgänglich ist?
Dogu
29.11.2023, 18:19:26
Eigentlich gibt es auch bei einem Schlag ein Fortdauern für die kurze Dauer des Angriffs. Ich darf den Begriff "Gegenwärtigkeit" ja auch nicht als reinen Zeitpunkt betrachten, da die Notwehrlage denklogisch ein Zeitraum sein muss. Ansonsten würde es keinen extensiven notw
ehrexzess geben. Aber danke für deine Mühe! Ich gebe mich der herrschenden Meinung geschlagen. Vielleicht sieht man sich bei einem der anderen 999 Problem im Strafrecht nochmal. ;D
Yannek
8.5.2024, 20:29:05
Nora Mommsen
11.5.2024, 14:30:25