Verbrauchervertrag Rechtswahl

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die deutsche D will von der belgischen Buchhändlerin B in deren Saarbrücker Buchhandlung ein Buch kaufen. D und B möchten vereinbaren, dass niederländisches Recht anzuwenden ist.
(Nach niederländischem Recht wäre die Rechtswahl formell und materiell wirksam. Es ist davon auszugehen, dass das niederländische Recht Verbraucher im selben Maße schützt, wie das deutsche.)

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Einordnung des Falls

Verbrauchervertrag Rechtswahl

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist auf den Vertrag zwischen D und B die Rom I-VO anwendbar.

Ja!

Die Rom I-VO ist sachlich auf vertragliche Schuldverhältnisse mit internationalem Bezug nach dem 17.12.2009 im Bereich des Zivil- und Handelsrechts anwendbar. Räumlich ist sie in allen Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks anwendbar. Es handelt sich bei dem Kaufvertrag zwischen B und D um einen Kaufvertrag mit internationalem Bezug, der – mangels entgegenstehender Angaben – nach dem 17.12.2009 geschlossen wurde. Die Rom I-VO ist somit anwendbar.
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2. Das Zustandekommen und die materielle Wirksamkeit der Rechtswahl sind nach dem Gesetz des Gerichts zu bestimmen (lex fori), wo der Streit anhängig gemacht wird (Art. 3 Abs. 5 i.V.m. Art. 10 Rom I-VO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Fragen des Zustandekommens einer Rechtswahl und die materielle Wirksamkeit sind nach dem gewählten Recht (lex causae) zu beurteilen (sog. Vorwirkung der Rechtswahl). Dies ist zwar zirkulär, ist aber aufgrund der ausdrücklichen Regelung in Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO hinzunehmen. Ist die Rechtswahl nach dem gewählten Recht unwirksam, bleibt es dabei. Man geht also nicht etwa über zu dem nach der objektiven Anknüpfung einschlägigem Recht. Die Wirksamkeit der Rechtswahl zwischen D und B bestimmt sich grundsätzlich nach niederländischem Recht, wonach die Rechtswahlvereinbarung auch wirksam ist.

3. Liegt ein Verbrauchervertrag vor (Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO)?

Ja, in der Tat!

Nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO ist ein Verbrauchervertrag ein Vertrag , den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt („Unternehmer). B ist als Betreiberin der Buchhandlung Unternehmerin i.S.d. Vorschrift, D ist Verbraucherin. Es liegt ein Verbrauchervertrag vor. Auch ist Art. 6 Abs. 1 lit. a) Rom I-VO erfüllt. Es wäre falsch hier für die Definition des Verbrauchervertrags auf § 310 Abs. 3 BGB zurückzugreifen, auch wenn das Ergebnis identisch ist. Der Begriff ist vielmehr verordnungsautonom auszulegen.

4. Eine Rechtswahl ist bei Verbraucherverträgen immer möglich (Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO).

Nein!

Sind die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO erfüllt, ist eine Rechtswahlvereinbarung nur möglich, wenn das gewählte Recht dem Verbraucher genauso viel Schutz bietet, wie das Recht, das ohne Rechtswahl nach Abs. 1 anzuwenden wäre. Eine Rechtswahl bei Verbraucherverträgen ist also nur möglich, wenn der Verbraucher hierdurch nicht schlechter gestellt wird („Günstigkeitsvergleich“). Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO sind erfüllt. Nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO wäre ohne Rechtswahl deutsches Recht anzuwenden. Niederländisches Recht bietet laut dem Sachverhalt allerdings denselben Schutz. Eine Rechtswahl des niederländischen Rechts ist somit möglich.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JURA

Jurapro

24.4.2024, 12:30:31

In der vorherigen Aufgabe stand glaube ich, man könne bei unwirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung auf die objektive Anknüpfung zurückgreifen, in dieser Aufgabe steht nun, dass dies nicht möglich sei... Könnt ihr aufklären?

Paulah

Paulah

16.5.2024, 21:16:28

Die Wirksamkeit der Rechtswahl ist nach Art. 10 Rom I-VO nach dem hypothetischen Vertragsstatut nach Art. 3 Rom I-VO zu ermitteln. D und B haben nach Art. 3 I 1 Rom I-VO niederländisches Recht gewählt. Nach dem Bearbeitervermerk ist diese Wahl wirksam. Art. 10 I Rom I-VO sagt aber auch, dass für die materielle Wirksamkeit des Vertrags auch das hypothetische Vertragsstatut [nach Art. 3 - 8 der VO] zu ermitteln ist. Nach Ar.t 4 I lit. A Rom I-VO unterliegen Kaufverträge über bewegliche Sachen dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der gewöhnliche Aufenthalt des B ist Saarbrücken. Wegen der Rechtswahl und Art. 10 I Rom I-VO verbleibt es aber bei der Wahl des niederländischen Rechts - das ist wohl mit dem "zirkulär" im Erklärungstext gemeint.

Johannes Nebe

Johannes Nebe

25.8.2024, 11:44:55

"Will ... ein Buch kaufen" klang für mich nach der Vorbereitung eines Kaufvertrages, also nach

culpa in contrahendo

, also Rom-II-VO. Ich verstehe, dass bei dem Fall die Rechtswahl im Vordergrund steht. Wie wäre es mit "kauft ein Buch" und "dabei vereinbaren D und B ..."?

NANA

Nanahou

11.9.2024, 06:20:33

Selbst wenn die Buchhändlerin Belgierin ist, betreibt sie doch einen Laden in Deutschland als Kauffrau. Reicht das für einen internationalen Bezug schon aus? Wenn die Dame jetzt erst 1 Monat in Deutschland wäre und deswegen belgisches Recht trotz Buchladen Anwendung finden würde, wäre das für Käufer doch extrem intransparent.

TI

Timurso

11.9.2024, 06:50:14

Die Nationalität der Verkäuferin dürfte dafür nicht ausreichen, da hast du Recht. Allerdings wird der internationale Bezug hier wohl dadurch hergestellt, dass im Vertrag die Anwendbarkeit einer (aus Sicht des Orts des Vertragsschlusses) ausländischen Rechtsordnung vereinbart wird.


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