+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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B ist Beamter der Bundesbank und mit der Aussonderung und Vernichtung von Banknoten befasst, die nicht mehr umlauffähig sind. Im Rahmen dieser Tätigkeit entwendet er zu Verbrennung bestimmte Banknoten im Wert von €2 Mio.

Einordnung des Falls

Ungeschriebene Regelbeispiele

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Annahme eines besonders schweren Fall des Diebstahls (§ 243 StGB) scheidet aus, wenn keines der aufgeführten Regelbeispiele einschlägig ist.

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Nein, das trifft nicht zu!

Ein besonders schwerer Fall des Diebstahls nach § 243 StGB kann auch angenommen werden, wenn keines der ausdrücklich normierten Regelbeispiele des Abs. 1 erfüllt ist. Denn § 243 Abs. 1 S. 2 StGB stellt keinen abschließenden Katalog dar ("in der Regel ").

2. Hier könnte ein ungeschriebener besonders schweren Fall angenommen werden.

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Ja!

Für die Annahme eines ungeschriebenen besonders schweren Falles kommt es darauf an, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist. BGH: B hat Banknoten im Wert von €2 Mio. entwendet und damit einen besonders hohen Schaden verursacht. Ferner waren ihm diese Banknoten auch nur in seiner Eigenschaft als Amtsträger zugänglich (RdNr. 13 ff.). Nach einer Mindermeinung sind indes wegen der Indizwirkung der Regelbeispiele nur solche Umstände berücksichtigungsfähig, die gerade den in Abs. 1 niedergelegten Wertungen entsprechen.

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w.laura.l

w.laura.l

31.5.2023, 20:02:17

Kann jemand erklären, weshalb § 243 I 2 Nr. 3 (gewerbsmäßig) nicht vorliegt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.6.2023, 12:29:52

Hallo w.laura.l, gewerbsmäßiges Steheln liegt vor, wenn der Täter plante, sich aus der wiederholten Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und nicht unerheblicher Dauer zu verschaffen; je nach Delikt können die Voraussetzungen aber im Detail verschieden sein. Liegt eine solche Vorstellung vor, so erfüllt im Prinzip bereits die erste Tat das Regelbeispiel, wobei die Indizwirkung in der Regel erst bei wiederholter Tat angenommen wird (MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl. 2021, StGB § 243 Rn. 40). Dem Urteil des BGH als Revisionsinstanz lässt sich leider nicht entnehmen, wieso das Ausgangsgericht die gewerbsmäßige Begehung abgelehnt hat. Hierzu bedürfte es im Sachverhalt noch näherer Anhaltspunkte. Anzudenken wäre es aber durchaus. Der wesentliche Kern der Entscheidung war aber noch einmal die Feststellung, dass der Katalog der Regelbeispiele nicht abschließend zu verstehen ist. Sofern man also einen ähnlich gravierenden Fall hat, kann dieser auch als ungeschriebener Fall zu einer Strafverschärfung führen. Da die Strafzumessung im ersten Examen lediglich eine untergeordnete Rolle spielt, wird man damit in der Klausur allerdings eher selten konfrontiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

GEI

Geithombre

26.1.2024, 23:50:45

Die Gewerbsmäßigkeit ließe sich in der Prüfung sehr gut hören, meine ich. Man sollte aber auch vor Augen haben, dass der BGH als Revisionsgericht der Vorinstanz das Urteil links und rechts um die Ohren gehauen hat, da verwundert es nicht, wenn on top auch die Prüfung der Gewerbsmäßigkeit übersehen wurde. Das Ausgangsgericht wollte wohl um jeden Preis noch eine Bewährungsstrafe konstruieren und den besonders schweren Fall verhindern, da wäre die Einschlägigkeit von § 243 I 2 Nr. 3 StGB nun wirklich störend gewesen...


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