Amtswiderspruch

19. Mai 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E lässt sein Grundstück an K auf. K stellt den Eintragungsantrag, irrtümlich wird jedoch X als neuer Eigentümer eingetragen. Dies bleibt von E und K unbemerkt. Der Grundbuchbeamte B trägt einen Amtswiderspruch ein. Danach lässt X das Grundstück an G auf, der von all dem nichts weiß.

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Einordnung des Falls

Amtswiderspruch

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat Eigentum an dem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB erlangt.

Nein!

Der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang am Grundstück (Auflassung, § 925 BGB), (2) Eintragung ins Grundbuch, (3) Einigsein, § 873 Abs. 2 BGB, (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. E und K haben die Auflassung erklärt (§ 925 BGB). K wurde jedoch nicht in das Grundbuch eingetragen, da fälschlicherweise X als Eigentümer eingetragen wurde.
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2. X hat Eigentum an dem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB erlangt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang am Grundstück (Auflassung, § 925 BGB), (2) Eintragung ins Grundbuch, (3) Einigsein, § 873 Abs. 2 BGB, (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. E und X haben sich bereits nicht über den Eigentumsübergang geeinigt.

3. G hat Eigentum nach §§ 873, 925 BGB erlangt.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang am Grundstück (Auflassung, § 925 BGB), (2) Eintragung ins Grundbuch, (3) Einigsein, § 873 Abs. 2 BGB, (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. X und G haben die Auflassung erklärt (§ 925 BGB). Selbst wenn G in das Grundbuch eingetragen würde, könnte er nicht nach §§ 873, 925 Eigentum erlangen, da X als bloßer Bucheigentümer nicht verfügungsberechtigt ist.

4. Der Grundbuchbeamte B hat einen Widerspruch nach § 899 BGB eingetragen.

Nein!

Die Eintragung eines Widerspruchs nach § 899 BGB setzt voraus: (1) Eintragungsantrag, (2) Unrichtigkeit des Grundbuchs (§ 894 BGB), (3) Bewilligung des von der Eintragung in seinem Recht Betroffenen oder einstweilige Verfügung. Hier fehlt es schon an einem Antrag zur Eintragung eines Widerspruchs.

5. Die Voraussetzungen zur Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO lagen vor.

Genau, so ist das!

Die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO setzt voraus: (1) Handeln des Grundbuchamtes, (2) Verletzung gesetzlicher Vorschriften durch das Grundbuchamt, (3) Grundbuchunrichtigkeit (§ 894 BGB), (4) Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs, (5) Feststehen der Gesetzesverletzung. In der Eintragung des X liegt eine Handlung des Grundbuchamts. Durch diese Eintragung hat das Grundbuchamt gegen § 13 GBO verstoßen (Antragsgrundsatz), da eine Eintragung des X erfolgte, ohne dass ein Eintragungsantrag des X vorlag. Hierdurch ist das Grundbuch unrichtig, was die Gefahr des gutgläubigen Erwerbs nach sich zieht, wenn X das Grundstück als Bucheigentümer veräußert. Die Rechtsverletzung des Grundbuchamts steht auch fest.

6. G hat Eigentum an dem Grundstück nach §§ 873, 925, 892 Abs. 1 BGB erlangt.

Nein, das trifft nicht zu!

Der gutgläubige Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts, (2) Unrichtigkeit des Grundbuchs, (3) Legitimation des Verfügenden durch das Grundbuch, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers, (5) Kein eingetragener Widerspruch im Grundbuch, (6) Eintragung des zu erwerbenden Rechts. Die Voraussetzungen (1) bis (4) liegen vor. Zwar wurde kein Widerspruch nach § 899 BGB eingetragen, jedoch hat der Grundbuchbeamte B einen Amtswiderspruch nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO eingetragen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

17.9.2023, 19:51:58

Aus dem Reich der Ahnungslosen: Es liegt mit dem

Amtswiderspruch

also kein Widerspruch gem. § 899, aber jedenfalls einer im Sinne des

§ 892

, der den gutgläubigen Erwerb sperrt?

AN

anni0910

1.11.2023, 17:35:10

also so wie ich das verstanden habe, umfasst §

892 BGB

beide Arten des Widerspruchs - also der gute Glaube ist generell verwehrt, wenn ein Widerspruch eingetragen ist. Das könnte zum einen ein Widerspruch iSd. §899 BGB sein, unter den dortigen Voraussetzungen. Oder auch zum anderen eben ein Widerspruch von Amts wegen, aber dann ist nicht §899 BGB die richtige Norm, sondern eben

§53 GBO
BL

Blotgrim

13.4.2024, 11:43:36

So sehe ich das auch. Es geht ja letztlich darum, dass etwas ins Grundbuch eingetragen wird, was den öffentlichen Glauben des Grundbuchs stört, was in beiden Fällen der Fall ist.

GELD

Geldhatmanzuhaben

30.7.2024, 09:57:04

Es liegt schon nach dem Wortlaut beides mal ein Widerspruch nach

§ 892 BGB

vor. Auch sind sie jeweils dazu geeignet den

Rechtsschein

des GB zu zerstören. Lediglich die Anspruchsvoraussetzungen sind andere und passen wechselseitig auch nicht aufeinander, weshalb es einer eigenständigen Regelung bedarf. Dies macht auch Sinn:

§ 899 BGB

soll dem materiellen Eigentümer sein Recht erhalten. § 53 l GBO soll die umfassende materielle Gewähr des formellen GB sicher stellen.

0815jurafuchs

0815jurafuchs

11.7.2024, 20:48:15

Woraus ergibt sich bei

53 GBO

die TBV der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs um einen

Amtswiderspruch

eintragen zu können? Ist dies nicht sowieso regelmäßig der Fall wenn eine falsche Person als Eigentümer eingetragen ist?

QUAR

Quarklo

23.8.2024, 03:20:49

Ja das sehe ich genauso. In meinen Augen ist dieses Merkmal überflüssig und wird auch im Gesetz nicht angedeutet

BEN

benjaminmeister

5.3.2025, 21:03:32

Hat hierzu jemand mehr Infos? Ich bin im JF-Fall auch verdutzt auf diese Voraussetzung gestoßen, die sich so aus dem Wortlaut von §

53 GBO

jedenfalls nicht unmittelbar herauslesen lässt.

ELEE

Elee

2.5.2025, 02:07:18

Ich würde mir das wie folgt erklären: Das Grundbuch kann aus vielfachen Gründen unrichtig sein, die Eintragung eines Nichtberechtigten als Grundstückseigentümer ist nur eine davon. Der Widerspruch ist von Amts wegen einzutragen und stellt eine Ausnahme vom Antragsprinzip (§ 13 GBO) dar. Dies ist in Hinblick zur Vorbeugung etwaiger Amtshaftungsansprüchen gerechtfertigt. Die Verwaltungsträgerin des Grundbuchamtes ist aber nur dann potenziellen Amtshaftungsansprüchen ausgesetzt, wenn dem von der Falscheintragung Betroffenen infolgedessen ein Rechtsverlust droht. Würde man diese Eingrenzung nicht ziehen, müsste das Grundbuchamt auch in allen übrigen Fällen von Amts wegen tätig werden, was dessen ohnehin begrenzten (Personal)Kapazitäten nur zusätzlich belasten würde (Gedanke der Verfahrensökonomie).

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

14.5.2025, 13:44:37

Hallo @[0815jurafuchs](237790), @[Quarklo](252534) und @[benjaminmeister](216712), ich stimme @[Elee](134555) grundsätzlich zu, würde die Argumentation aber noch etwas anreichern: Der

Amtswiderspruch

nach §

53 GBO

ist das Äquivalent zur Eintragung eines Widerspruchs nach

§ 899 BGB

. Zweck des Widerspruchs ist es, die Gutglaubenswirkung des Grundbuches zu durchbrechen, was sich aus dem Wortlaut des

§ 892 BGB

ergibt ("es sei denn, dass ein Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen [...] ist."). Insofern muss der Anwendungsbereich von

§ 899 BGB

und §

53 GBO

gleichlaufen und beschränkt sich auf solche

Tatsachen

, bei denen eine

gutgläubiger Erwerb

nach

§ 892 BGB

überhaupt möglich ist. Nicht umfasst sind daher unter anderem Widersprüche, Verfügungsbeschränkungen oder Nacherbenvermerke. Zur weiteren Vertiefung siehe BeckOK GBO/Holzer, 56. Ed. 1.3.2025, GBO § 53 Rn. 25-26. Wenn die falsche Person als Eigentümer eingetragen ist, wird das aber immer der Fall sein, das stimmt. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team


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