+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B ist Bucheigentümer eines Grundstücks. Der wahre Eigentümer E erhebt Klage auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB). E erwirkt durch einstweilige Verfügung die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks im Grundbuch. B lässt das Grundstück an den G auf, der auch eingetragen wird. E setzt sich vor Gericht mit seinem Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung gegen B durch.

Einordnung des Falls

Rechtshängigkeitsvermerk

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Mit Erhebung der Klage auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB) wird der Anspruch des E gegen B auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung rechtshängig.

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Ja, in der Tat!

Rechtshängigkeit tritt mit Erhebung der Klage ein, also mit Einreichung der Klageschrift bei Gericht und ihrer Zustellung an den Beklagten B (§§ 253, 261 ZPO).

2. Die Rechtshängigkeit der Klage bewirkt, dass B das Grundstück nicht mehr veräußern kann.

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Nein!

Die Rechtshängigkeit (§§ 253, 161 ZPO) der Klage, die den Streit über das Eigentum an einem Grundstück zum Gegenstand hat, bewirkt nicht, dass die Veräußerung des Grundstücks oder die Abtretung des Grundstücksrechts ausgeschlossen ist, § 265 ZPO.

3. G hat Eigentum nach §§ 873, 925 BGB erworben.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang am Grundstück (Auflassung, § 925 BGB), (2) Eintragung ins Grundbuch, (3) Einigsein, § 873 Abs. 2 BGB, (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. Die Voraussetzungen (1) bis (3) liegen vor. B war jedoch nicht verfügungsbefugt. Eigentümer war E.

4. Die Voraussetzungen zur Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks lagen vor.

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Ja, in der Tat!

Der Rechtshängigkeitsvermerk hat keine gesetzliche Regelung erfahren, ist jedoch allgemein anerkannt. Nach Ansicht des BGH kann die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks in entsprechender Anwendung von § 899 Abs. 2 BGB nur aufgrund einer Bewilligung des Buchberechtigten oder aufgrund einstweiliger Verfügung erfolgen. E hat hier eine einstweilige Verfügung erwirkt. Die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks verhindert ähnlich dem Widerspruch analog § 892 Abs. 1 S. 2 BGB die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs.

5. G hat gutgläubig Eigentum nach §§ 873, 925, 892 Abs. 1 BGB erworben.

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Nein!

Der gutgläubige Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts, (2) Unrichtigkeit des Grundbuchs, (3) Legitimation des Verfügenden durch das Grundbuch, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers, (5) Kein eingetragener Widerspruch im Grundbuch, (6) Eintragung des zu erwerbenden Rechts. Die Voraussetzungen (1) bis (3) liegen vor. G muss hier in zweifacher Hinsicht gutgläubig sein: Zum einen hinsichtlich der Eigentümerstellung des B, zum anderen darf G die Rechtshängigkeit des Prozesses nicht kennen: Denn das gegen B ergangene Urteil wirkt nach § 325 Abs. 1 ZPO auch gegen G, sofern G diesbezüglich nicht gutgläubig war, § 325 Abs. 2 ZPO. Das Gesetz ermöglicht also einen gutgläubig rechtshängigkeitsfreien Erwerb, sofern der Erwerber nichts von dem Rechtsstreit wusste. Weiß der Erwerber, dass ein Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung rechtshängig ist, so muss er davon ausgehen, dass die Eigentumslage streitig ist. G war gutgläubig hinsichtlich des Eigentums des B. G wusste auch nichts von dem Rechtsstreit zwischen E und B. E hat jedoch die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks erwirkt. Dieser verhindert ähnlich dem Widerspruch analog § 892 Abs. 1 S. 2 BGB einen gutgläubigen Erwerb.

6. E hat gegen G einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung aus § 894 BGB.

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Genau, so ist das!

Der Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung aus § 894 BGB setzt voraus: (1) Unrichtigkeit des Grundbuchs, (2) Anspruchsberechtigung, (3) Buchberechtigter als Verpflichteter, (4) Keine Einwendungen. Das Grundbuch ist unrichtig, wenn eine Divergenz zwischen formeller und materieller Grundbuchlage besteht. Im Grundbuch ist G als Eigentümer eingetragen, während wahrer Eigentümer E ist.

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Vulpes

Vulpes

18.1.2021, 09:52:38

Zerstört auch der Widerspruch eines ebenfalls eigentlich Nichtberechtigten auch die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von einem weiteren Nichtberechtigten? Oder hindert nur der Widerspruch des Eigentümers den guten Glauben? Hat jmd vlt eine Quelle dazu? Ich lieg mir über diese Konstellation mit meiner Lerngruppe in den Haaren und finde keine Anhaltspunkte 😅

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.12.2021, 12:43:31

Hallo Adrian, die Eintragung eines Widerspruches erfolgt in der Regel auf Grund einer einstweiligen Verfügung. Die einstweilige Verfügung (§ 935 ff. ZPO) setzt wiederum zunächst einen Anspruch des Anspruchsstellers voraus - hier also einen Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB. Das heißt, derjenige, der den Widerspruch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, muss streng genommen Berechtigter sein. Allerdings erfolgt im einstweiligen Rechtsschutz keine abschließende Prüfung (inkl. Beweisantritt). Vielmehr muss er seine Berechtigung lediglich glaubhaft machen (vgl. Hertel, in: BeckOGK-BGB,15.4.2021, § 899 RdNr. 26 f.). Gelingt dem Anspruchsteller dies, obwohl er eigentlich Nicht-Berechtigter ist, so besteht nach mE kein Anlass dafür von der Verhinderung des gutgläubigen Erwerbs abzuweichen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Juraluchs

Juraluchs

16.7.2022, 13:48:22

Wenn ich die von euch diskutierte Konstellation richtig erfasst habe, dürfte die subjektive Wirkung des Widerspruchs dem entgegenstehen. Zumindest verstehe ich die Ausführungen in Wellenhofer, § 19 Rn. 29 (vgl. insbesondere das Beispiel) so. Liebe Grüße


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