Zivilrecht
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Entscheidungen von 2023
Gutgläubiger PKW Erwerb nachts um 1 Uhr auf Imbissparkplatz?
Gutgläubiger PKW Erwerb nachts um 1 Uhr auf Imbissparkplatz?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B mietet einen Lamborghini von Eigentümer E. Statt ihn zurückzugeben, inseriert er ihn online für €70.000. Autofan A besichtigt das Auto nachts auf einer Tankstelle. Sie einigen sich über den Eigentumsübergang und A zahlt noch vor Ort.
Kann E von A Herausgabe verlangen?
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Einordnung des Falls
Gutgläubiger PKW Erwerb nachts um 1 Uhr auf Imbissparkplatz?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn E Eigentümer und A Besitzer des Lamborghinis ist, könnte sich ein Herausgabeanspruch des E aus § 985 BGB ergeben.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ursprünglich war E Eigentümer des Wagens. Hat A das Eigentum an dem Auto nach § 929 S. 1 BGB erlangt, sodass E sein Eigentum daran verloren hat?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Das Fehlen der Verfügungsbefugnis des B könnte durch die Regeln über den gutgläubigen Erwerb überwunden werden (§ 932 BGB).
Ja, in der Tat!
4. Der gutgläubige Erwerb scheitert daran, dass E der Wagen abhandengekommen ist (§ 935 BGB).
Nein!
5. Da A nichts von Bs fehlender Verfügungsbefugnis wusste, konnte er gutgläubig erwerben.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Beim Gebrauchtwagenkauf wird grobe Fahrlässigkeit angenommen, wenn sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorlegen lässt.
Ja, in der Tat!
7. Ein gutgläubiger Erwerb scheitert stets auch dann, wenn zwar ein Kfz-Brief vorgelegt wird, dieser aber gefälscht ist.
Nein!
8. Im Gerichtsprozess stellt sich heraus, dass B dem A die Zulassungsbescheinigung Teil II zeigte, in der E als Eigentümer ausgewiesen war, wobei B vorgab, bevollmächtigt zu sein. Hat A den Wagen somit gutgläubig erworben?
Nein, das ist nicht der Fall!
9. A ist auch Besitzer ohne Recht zum Besitz. E kann von A nach § 985 BGB die Herausgabe verlangen.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
paul
7.8.2023, 15:04:41
Ist es ohnehin nicht ummöglich, von einem falsus procurator gutgläubig zu erwerben, weil man dann lediglich guten Glauben hinsichtlich der
Verfügungsbefugnishätte und das nicht der richtige Anknüpfungspunkt ist(das wäre Eigentum)? Und im Originalfall ist es ja so, dass der Vertretene selbst nicht Eigentümer ist, weshalb da der gute Glauben bezüglich des Eigentums des Vertretenen in Frage gekommen ist.
Leo Lee
10.8.2023, 16:44:59
Hallo paul, es ist tatsächlich grds. nicht möglich, gutgläubig von einem falsus Procurator Eigentum zu erwerben. Aber nur dann, wenn derjenige auch als PROCURATOR auftritt (und eben keine Macht hat zu vertreten - falsus). Vorliegend tritt der B nicht als Vertreter von E auf, sondern selbst als Eigentümer, womit es auf seine mgl. Eigenschaft als falsus Procurator nicht ankommt. Beachte noch in diesem Kontext, dass bei §
366 HGBauch der gute Glaube an die Vertretungsmacht von der h.M. geschützt wird. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB, 9. Auflage, Oechsler §
932Rn. 10 ff. empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
Niklas
11.8.2023, 19:21:06
Kleiner Einwurf: in unserem Repetitorium wird eine aA bzgl der analogen Anwendung des §
366 HGBauf die Vertretungsmacht vertreten: Arg: ein Kaufmann, der im fremden Namen auftritt, macht es dem Käufer leicht, bei dem vermeintlichen Vertretenen Erkundigungen einzuholen. Insofern ist der Käufer also weniger schutzwürdig. Wendet man § 366 hier trotzdem analog an, würde das den differenzierten gesetzlichen Gutglaubensschutz zu sehr zugunsten des gutgläubigen Dritten verschieben.
LawGirl
30.8.2023, 00:46:59
Fehlendes
Besitzrechtdes A trotz wirksamen Kaufvertrags mit B? Kann mir das noch mal jemand erklären?
cann1311
30.8.2023, 01:36:58
. A hat zwar gegen B ein Recht zum Besitz, mit E ist er aber nie in Kontakt getreten. Schuldverhältnisse geltern nur inter partes - zwischen den Partein. E ist keine Partei des Vertrags von A und B, folglich kann sich A auch nicht auf den Kaufvertrag mit B berufen wenn E sein eigentum will
LawGirl
30.8.2023, 22:52:13
Danke!! War ein Denkfehler 😅
Dogu
13.11.2023, 21:51:15
Eigentlich fällt das Problem ja eher in den Bereich
Besitzrechtskette. Der Zwischenmann war aber nicht zur Übertragung des Besitzes an den unmittelbaren Besitzes berechtigt. Anders etwa bei der zulässigen Untervermietung.
jc1909
6.2.2024, 16:52:27
Im Sachverhalt steht überhaupt nichts von einem etwaigen Vorzeigen des KFZ-Briefes etc. Daher ist die Aufgabe schlecht zu lösen.
Lorenz
24.4.2024, 11:11:18
genau das habe ich auch gedacht. Natürlich wird der bei einer Miete nie übergeben, aber man hätte es reinschreiben können.
L.Goldstyn
2.8.2024, 19:03:51
Ich finde es nicht schlimm, dass die Information zum KFZ-Brief hier erst in den Fragen (und nicht schon im Sachverhalt) übermittelt wird. Das hilft Jurafuchs bei der Abschichtung der angesprochenen Inhalte und vermeidet wahrscheinlich auch Missverständnisse bei der Beantwortung der ersten Fragen.
Linne_Karlotta_
16.8.2024, 16:47:35
Hallo in die Runde, in der Tat trifft es @[L.Goldstyn](251555) ganz richtig: Gerade, wenn wir Fälle aus der Rechtsprechung für Euch aufarbeiten, möchten wir den Sachverhalt nicht überfrachten, da dies einerseits die Motivation, den Fall zu lösen, verringern kann und andererseits ebenfalls dazu führen kann, dass man die Fragen nicht gut beantworten kann, weil man ständig erneut die Informationen im Sachverhalt suchen muss. Daher schieben wir an den passenden Stellen den für die Beantwortung der Frage relevanten Sachverhalt nach. Ich hoffe, ich konnte Euch damit weiterhelfen. Viele Grüße, Linne - für das Jurafuchs-Team
feli2008
19.9.2024, 15:09:40
Nun, wenn im Sachverhalt nichts dazu steht, geht man normalerweise ja davon aus, dass es kein Problem gibt.. In diesem Fall bin ich davon ausgegangen, dass wenn im SV nichts von der Zulassungsbescheinigung Teil II steht, diese unproblematisch gezeigt wurde.
Linne_Karlotta_
19.9.2024, 16:23:03
Hallo @[feli2008](262785), danke für die Anmerkung. Bitte schaue dazu meine vorherige Anmerkung an. Wir arbeiten hier mit „nachgeschobenem Sachverhalt“. Das heißt: Die relevante Sachverhaltsinformation steht zwar nicht in dem Fall an sich, wird aber an der relevanten Stelle als Aussage gegeben. Hier in Frage 8: „B zeigte A die Zulassungsbescheinigung Teil II, in der E als Eigentümer ausgewiesen war, wobei er vorgab, bevollmächtigt zu sein. Hat A den Wagen somit gutgläubig erworben?“ Der Teil vor der Frage ist eine neue Sachverhaltsinformation, die wir euch an der Stelle, wo sie relevant wird, vorgeben. Es ist eine Aussage, die vorgegeben wird. Die Frage danach bezieht sich auf diese vorgegeben Aussage. Du erfährst also an dieser Stelle, dass B dem A die Zulassungsbescheinigung gezeigt hat. Ich verstehe, dass das etwas davon abweicht, wie Informationen in einer klassischen Falllösung vermittelt werden. Unser Lernkonzept lebt aber vor allem davon, dass ihr nicht erst einen langen Fall lesen müsst, bevor ihr in die Falllösung einsteigen könnt (und dann schon wieder die meisten Dinge vergessen habt bzw. während der Lösung immer wieder nachlesen müsst). Daher arbeiten wir mit dieser Methode des nachgeschobenen Sachverhalts. Ich habe die Aussage an dieser Stelle noch etwas umformuliert, damit deutlicher wird, dass diese zum Sachverhalt gehört. Viele Grüße, Linne - für das Jurafuchs-Team
Johannes Nebe
4.10.2024, 08:30:05
Ja, @[Linne_Karlotta_](243622), das Konzept des nachgeschobenen Sachverhalts hat Charme. In dieser Aufgabe kommt es aber recht verhuscht rüber. "Angenommen, B zeigte A die Zulassungsbescheinigung Teil II, in der E als Eigentümer ausgewiesen war, wobei er vorgab, bevollmächtigt zu sein. Hat A den Wagen somit gutgläubig erworben?" Angenommen? Warum dann kein Konjunktiv (B hätte A gezeigt ..., hätte A den Wagen somit ...). Angenommen für wie lange? Für die aktuelle Frage oder bis zum Ende der Aufgabe? Man hätte die neuen Sachverhaltselemente hier besser beherzt eingeführt, zB "wie sich in den Ermittlungen ergab, zeigte B dem A die Zulassungsbescheinigung ..."
Linne_Karlotta_
7.10.2024, 12:35:49
Hey @[Johannes Nebe](174311), danke für die Kritik – ich verstehe, dass die Formulierung hier besser gefasst sein könnte und habe das jetzt entsprechend angepasst. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
Artimes
10.2.2024, 23:57:16
Lässt sich die Rspr. zum gutgl. Erwerb von Kfz in der Klausur analog auf andere Fahrzeuge übertragen?
Charliefux
6.4.2024, 19:39:19
Hallo @[Artimes](3106)! Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich deine Frage richtig verstanden habe. Du fragst hier nach der analogen Anwendung der Rechtsprechung bezüglich anderen Fahrzeugen? Zunächst einmal bedarf es analoger Anwendung nur bei gesetzlichen Vorschriften, sofern eine nicht gesetzlich geregelte Situation auftaucht, die aber der gesetzlichen Regelung bedarf. Dabei braucht man also (1) eine planwidirge Regelungslücke und (2) eine vergleichbare Interessenlage. Rechtsprechung ist in deinen Gutachten nicht direkt anwendbar, damit korrigierst du zwar ggf. Ergebnisse aus Wertungsgründen oder löst Probleme nach Leitlinien der Rechtsprechung (wobei du im ersten Staatsexamen auch genauso gut der Literatur folgen kannst, wenn dies vertretbar und begründet ist!). Somit bedarf es keinesfalls „analoger Anwendung von Rechtsprechung“. Allerdings kannst du die hier vom BGH entschiedenen Wertungen genauso gut auf LKW oder Motorrad Erwerbe anwenden. Achte dabei aber darauf, dass du in deiner Klausur den Lösungsweg selber strukturiert und Anhand von Argumenten herleitetst, anstatt nur zu schreiben „der BGH löst xy folgendermaßen..“ Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen.
GutgläubigerRitter
1.7.2024, 12:27:10
Hallo, warum ist in den Fragen teilweise von Gutgläubigkeit bzgl. der
Verfügungsbefugnisdie Rede? Müsste es in diesem Falle nicht das Eigentum sein (§ 366 I HGB scheint mir nicht einschlägig) oder habe ich da etwas im Sachverhalt übersehen?
feli2008
19.9.2024, 15:15:28
Wäre es nicht ohnehin schon beim Punkt der Gutgläubigkeit zu thematisieren, dass man gar nicht auf das Bestehen einer Vollmacht vertrauen darf, sondern nur auf eine Eigentümerstellung`?
Leo Lee
21.9.2024, 05:41:25
Hallo Feli2008, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Anmerkung! Du hast völlig Recht: In der Tat kann und sollte man den Anknüpfungspunkt des guten Glaubens bereits beim Punkt Gutgläubigkeit feststellen. Wir haben hier den Fall etwas "flexibler" gestaltet, da wir hier die Entscheidung so übersichtlich wie möglich gestalten wollten und bitten insofern um Verständnis :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Johannes Nebe
4.10.2024, 08:32:49
"Da A nichts von Bs fehlender
Verfügungsbefugniswusste, konnte er gutgläubig erwerben." Ich finde es nicht so klar, dass diese Aussage verneint werden muss. "A konnte gutgläubig erwerben, schon weil er von Bs fehlender
Verfügungsbefugniswusste." Das wäre eindeutig falsch. Aussagen nach dem Schema "Da x, daher y" enthalten drei Elemente: Ist x wahr, ist y wahr, ist die Kausalität y wg x wahr? (1) x ist wahr, das ergibt der Sachverhalt. (2) y ist falsch, und zwar wg der mangelnden Sorgfalt und der zwielichtigen Umstände. Nur weil y falsch ist, wäre es aber nicht sinnvoll, die ganze Aussage zu verneinen, denn wo bliebe sonst die Relevanz des x-Teils? (3) Nach welcher Kausalität ist nun aber gefragt? (a) y ist nur durch x bedingt und nicht durch x2, x3 etc. (wie in meiner Alternativformulierung) -- falsch. (b) y ist durch x bedingt, möglicherweise aber auch durch x2, x3 ... -- richtig. Auch bei y können wir unterscheiden: (c) Nur x bedingt nur y -- falsch. (d) x bedingt nur y -- falsch. Wie man nun die Aussage versteht, ist Geschmackssache. Mich hat vor allem das "konnte" bewogen, die Kausalität (b) zu sehen. A wusste nichts von der fehlenden
Verfügungsbefugnis. Insoweit war ein gutgläubiger Erwerb noch nicht ausgeschlossen (konnte A gutgläubig erwerben).
as.mzkw
11.10.2024, 11:32:29
Beim
Abhandenkommenfehlt der normative Anknüpfungspunkt. Da zwischen E und B ein Mietvertrag besteht, der als
BesitzmittlungsverhältnisiSd § 868 BGB zu qualifizieren ist kommt es beim
Abhandenkommengem. § 935 I 2 BGB hier ohnehin auf B an.
kuhle_acocado
6.11.2024, 14:00:18
Bei der einen Frage wird in der Subsumtion davon gesprochen, dass der Vertragsschluss wohl in einem Imbiss zustande gekommen wäre. Davon ist im Ausgangsfall nichts mehr zu erkennen…