+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Ein EU-Beschluss erlaubt Händlern ausnahmsweise Butter unter Einstandspreis an Bedürftige zu verkaufen. Der Beschluss sieht vor, dass der Käufer dabei seinen Namen nennt. S ist bedürftig. Er meint aber, die Pflicht zur Namensnennung verletzt seine Grundrechte.
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Einordnung des Falls
EuGH Stauder: Der EuGH „entdeckt“ die EU-Grundrechte
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. S kann sich gegen den EU-Beschluss auf EU-Grundrechte berufen.
Genau, so ist das!
Im Urteil Stauder stellt der EuGH 1969 die Existenz von EU-Grundrechten fest. Das ist nicht selbstverständlich. Die damaligen EU-Verträge (EGKS, EAG, EWG) enthalten nämlich keine geschriebenen Grundrechte. Der EuGH greift deshalb zur Technik der richterlichen Rechtsfortbildung. Er nimmt – ohne weitere Begründung – an, dass die EU-Rechtsordnung Grundrechte in der Form allgemeiner ungeschriebener Rechtsgrundsätze enthält (Leitsatz 7).
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2. Die EU-Grundrechte stehen auf einer Stufe mit EU-Verordnungen und EU-Richtlinien und können durch den EU-Gesetzgeber (also EU-Parlament und EU-Rat) aufgehoben werden.
Nein, das trifft nicht zu!
Im Urteil Stauder geht der EuGH, wenn auch nur implizit, davon aus, dass die EU-Grundrechte auf der höchsten Ebene der EU-Rechtsordnung, nämlich im Primärrecht, angesiedelt sind (Leitsatz 7). Sie stehen damit über EU-Richtlinien und EU-Verordnungen und – wie im Fall Stauder – über EU-Beschlüssen. Die EU-Organe sind also an diese Grundrechte gebunden und können sie nicht durch gegenläufige EU-Rechtsakte aufheben. Dies entspricht der Logik von Grundrechten, da ihr Zweck darin besteht, den Einzelnen vor ungerechtfertigten Eingriffen staatlicher – oder wie im Fall der EU – überstaatlichen Einrichtungen zu schützen.
3. Bis heute existieren EU-Grundrechte nur in Form ungeschriebener allgemeiner Rechtsgrundsätze des Unionsrechts.
Nein!
Der EuGH hat – aufbauend auf dem Urteil Stauder – in seiner Rechtsprechung die Gewährleistungen der EU-Grundrechte immer weiter konkretisiert. Dabei orientiert er sich an dem Grundrechtsschutz in den Verfassungen der Mitgliedstaaten und an völkerrechtlichen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte, denen sich die Mitgliedstaaten angeschlossen haben (siehe Urteil Nold, Rs. 4/73). 1993 einigen sich die Mitgliedstaaten darauf eine Regelung zu den Grundrechten in die EU-Verträge aufzunehmen (Art. 6 EUV). 2009 tritt die EU-Grundrechtecharta in Kraft. Diese enthält einen umfassenden verbindlichen Katalog von Grundrechten ähnlich dem deutschen GG. Die Grundrechtecharta ist ein eigenes Vertragswerk neben dem EU-Vertrag und AEUV und Teil des Primärrechts (Art. 6 Abs. 1 EUV).
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