Anwartschaftsberechtigter (P)
10. Juni 2025
25 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

V verkauft an K unter Eigentumsvorbehalt einen Bagger und übergibt ihn sofort. K hat den Kaufpreis noch nicht bezahlt. X fährt den Bagger ohne Kenntnis des K zu ihrer eigenen Baustelle, um ihn dort zu benutzen.
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Einordnung des Falls
Anwartschaftsberechtigter (P)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat gegen X einen Anspruch auf Herausgabe des Baggers, wenn die Voraussetzungen von § 985 BGB vorliegen.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. K ist Eigentümer des Baggers geworden, als V ihm diesen übergeben hat.
Nein, das trifft nicht zu!
3. K ist Inhaber eines Anwartschaftsrechts an dem Bagger.
Ja!
4. Der Inhaber eines Anwartschaftsrecht wird durch §§ 861, 1007 BGB geschützt. Spricht dies gegen eine analoge Anwendung des § 985 BGB, da es damit an einer planwidrigen Regelungslücke fehlen könnte?
Genau, so ist das!
5. K könnte als Anwartschaftsrechtsinhaber einen Herausgabeanspruch analog § 985 BGB gegen X haben. Ist diese Analogie unstrittig?
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Die wohl h.M. billigt dem Inhaber eines Anwartschaftsrecht den Anspruch aus § 985 BGB analog zu. Spricht hierfür die Vergleichbarkeit des Anwartschaftsrecht mit dem Eigentum?
Ja, in der Tat!
7. Nach der wohl h.M. kann K lediglich den Anspruch des Eigentümers V gegenüber X geltend machen.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Saufen_Fetzt
18.10.2022, 07:43:58
Könnt ihr bei solchen Aufgaben bitte immer auch highlighten, welche Ansicht BGH ist?

Lukas_Mengestu
18.10.2022, 11:23:46
Hallo Saufen_Fetzt, vielen Dank für die Anregung. Auch wenn es letztlich nur auf die Kraft der Argumente ankommen sollte, verstehen wir natürlich das Bedürfnis, sich bei der Klausurlösung (und in der Praxis) an der Rechtsprechung des BGH zu orientieren. Zu diesem Streit hat der BGH allerdings bislang noch nicht Stellung beziehen müssen. Die überwiegende Ansicht in der Literatur gewährt dem Anwartschaftsberechtigten aber wohl den
Vindikationsanspruch(vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 985 RdNr. 7; MüKoBGB/Baldus, 8. Aufl. 2020, BGB § 985 RdNr. 7 mwN). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
simon175
12.1.2023, 20:41:39
Wie schlimm wäre es, wenn man bzgl des Eigentumsvorbehalts auf § 449 I verweisen würde?
Saufen_Fetzt
12.1.2023, 20:51:47
Direkt kopfüber Kreuzigung.

Nora Mommsen
13.1.2023, 11:54:41
Hallo simon175, es ist nie falsch zu erwähnen, dass
schuldrechtlich ein Kauf unter Eigentumsvorbehalt erfolgt ist gem. § 449 Abs. 1 BGB, der sich der Gestalt auf die dingliche Seite auswirkt, dass die unbedingte Einigung fehlt. Wichtig ist aber deutlich den Unterschied zwischen
schuldrechtlichem und dinglichen Geschäft herauszuarbeiten. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
isa_hh
22.5.2023, 17:38:08
Würde mir jemand bitte das Pro-Argument nochmal in anderen Worten erklären? Ich verstehe den Zusammenhang mit dem Anwartschaftsberechtigten nicht genau. Danke im Voraus.
ehemalige:r Nutzer:in
31.5.2023, 18:29:16
Ich versuche es mal: Würde man die analoge Anwendung des § 985 zulassen, hätte sowohl der Eigentümer einen
Vindikationsanspruchals auch der Anwartschaftsberechtigte. Der Eigentümer kann gem. § 985 direkt gegen den Besitzer vorgehen, der ohne Recht zum Besitz den Bagger besitzt. Gleichzeitig würde aber auch der Anwartschaftsberechtigte wegen seines
Anwartschaftsrechts gem. § 985 analog vindizieren können. Der Besitzer sähe sich dann zwei
Vindikationsansprüchen gegenüber, kann aber nur einmal herausgeben. Dieses Argument gegen die analoge Anwendung wird von der Gegenseite aber damit relativiert, dass der Eigentümer regelmäßig Herausgabe an den Anwartschaftsberechtigten verlangen wird. Außerdem gegen die analoge Anwendung spricht, dass der Anwartschaftsberechtigte aufgrund seiner Besitzposition bereits ausreichend aus §§ 861, 1007 gegen einen Besitzentzug geschützt ist und es deshalb keiner Anspruchsgrundlage bzgl Herausgabe bedarf.
Vincent
4.12.2024, 15:18:40
Ist der Inhaber des
Anwartschaftsrechts denn darüber ausreichend geschützt? Schließlich spricht 861 lediglich von Fällen der ver
botenen Eigenmacht und 1007 lediglich von der
Bösgläubigkeitdes neuen Besitzers. Wie käme dieses Argument zu einem zufriedenstellenden Ergebnis, wenn beide Kriterien (verb. Eigenmacht +
Bösgläubigkeit) nicht erfüllt wären ?
Lt. Maverick
21.5.2025, 12:29:31
Aus dem Bauch heraus würde ich behaupten, dass § 985 BGB im Regelfall nur dann interessant ist, wenn gerade kein Recht (mehr) zum Besitz besteht. Regelmäßig besteht zwischen dem Anwartschaftsberechtigten und dem Dritten ein Vertragsverhältnis (z.B. Leihe). In diesen Fällen ist der Anwartschaftsberechtigte zumindest
schuldrechtlich geschützt, indem er einen vertraglichen Herausgabeanspruch geltend machen kann. Zumal sich auch der Eigentümer solche Einwendungen gemäß § 986 I S. 1 BGB entgegenhalten lassen müsste. In Fällen der ver
botenen Eigenmacht bieten beide Ansprüche gleichrangigen Schutz. In Fällen mangelnder
Bösgläubigkeitbietet § 1007 I BGB hingegen keinen ausreichenden Schutz. Diese muss bei Besitzerwerb vorliegen. Selbst wenn das gutgläubig erworbene vertragliche
Besitzrechtz.B. durch Zeitablauf endet, liegt bei berechtigtem Besitzerwerb jedenfalls keine
Bösgläubigkeitvor. Eine nachträgliche eintretende
Bösgläubigkeitist unbeachtlich. Damit fehlen die Voraussetzungen nach § 1007 I BGB. Der Eigentümer kann bei abgelaufenen
Besitzrechthingegen nach § 985 BGB vindizieren, unabhängig der Gut- oder
Bösgläubigkeitdes Besitzers. Gleiches gilt in Fällen einer rückwirkenden Beseitigung des dem
Besitzrechts zugrundeliegenden
Schuldverhältnis (z.B. Anfechtung des Mietvertrages). Diese Möglichkeiten hat der Anwartschaftsberechtigte gerade nicht. Ein vergleichbarer Schutz besteht aber eindeutig nicht, was sich allein schon mit den Verjährungsregeln beider Anspruchsarten (§§ 861,
1007 BGBund § 985 BGB) belegen lässt.

Jakob G.
4.6.2025, 22:26:51
Der Anspruch analog § 985 BGB ist vor allem dann interessant, wenn die anwartschaftsberechtigte Person noch keinen Besitz hat, auf den sich die ver
botene Eigenmacht (als Störung per § 862 oder Entziehung per § 861 BGB) beziehen kann. Gleiches bei § 1007 I, II BGB. Mich überzeugt noch nicht, weshalb E gegen B den Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe wegen § 986 I 2 BGB "regelmäßig" als Herausgabe an A geltendmachen wird. § 986 I 2 BGB hat die zusätzliche Voraussetzung, dass A nicht zur Überlassung an B befugt sein darf, die keineswegs immer erfüllt ist. Ferner stellt jedoch das
Anwartschaftsrechtgerade kein RzB dar, dies ist jedenfalls umstritten (BGH NJW 2007, 2183 sieht ldgl. eine dolo agit Einrede aus § 242). Jedenfalls halte ich die Interessenlage von E und A hier auch nicht für vergleichbar; denn A hat sehr wohl die Möglichkeit im Rahmen der Nebenleistungspflichten aus dem Vertrag mit E diesen dazu zu bewegen, dessen Anspruch aus § 985 BGB gegen B geltend zu machen. Diese Möglichkeit hat E in der Zwei-Personen-Konstellation gegenüber B nicht.

G0d0fMischief
6.1.2025, 11:05:38
Wenn ich mich nicht falsch erinnere ist der BGH der Ansicht, dass es sich bei dem
Anwartschaftsrechtum ein beschränkt dingliches Recht handelt und NICHT um ein
wesensgleiches Minuszum Eigentum (so die h.L). Auch wenn der BGH zu diesem Problem noch nicht entschieden hat, würde ich daher annehmen, dass der BGH der Ansicht folgen würde, das Ansprüche des Anwartschaftsberechtigten nach §§ 861,
1007 BGBgeltend zu machen sind. Es sei denn es ist möglich gem. § 985 BGB analog auch
beschränkt dingliche Rechteherauszufordern.
der D
8.2.2025, 08:09:32
Kann der Anwartschaftsberechtigte neben dem 985 auch die 987 ff. geltend machen? Die
Nutzungensollten doch eigentlich dem Anwartschaftsberechtigten zustehen? Zwischen ihm und dem Eigentümer besteht ja keine
Vindikationslageund diese können somit nicht herausverlangt werden. Hinsichtlich des Schadensersatzes nach 987 könnte man einwenden, dass das
Anwartschaftsrechtjedenfalls ein „sonstiges Recht“ i.S.d. 823 ist, sodass dem Anwartschaftsberechtigten auch hierüber im Zweifel ein Schadensersatzanspruch zustehen würde?
okalinkk
5.6.2025, 14:08:50
Kann mir jemand das Argument mit 986 I 2 erklären? Die Subsumtion unter den konkreten Fall fällt mir schwer. Der V ist hier doch zeitgleich Eigentümer?