Anwartschaftsberechtigter (P)

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V verkauft an K unter Eigentumsvorbehalt einen Bagger und übergibt ihn sofort. K hat den Kaufpreis noch nicht bezahlt. X fährt den Bagger ohne Kenntnis des K zu ihrer eigenen Baustelle, um ihn dort zu benutzen.

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Einordnung des Falls

Anwartschaftsberechtigter (P)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat gegen X einen Anspruch auf Herausgabe des Baggers, wenn die Voraussetzungen von § 985 BGB vorliegen.

Genau, so ist das!

Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB setzt voraus: (1) Eigentum des Anspruchstellers, (2) Besitz des Anspruchsgegners, (3) fehlendes Recht zum Besitz des Anspruchsgegners (§ 986 BGB).
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2. K ist Eigentümer des Baggers geworden, als V ihm diesen übergeben hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe, (4) Verfügungsbefugnis. Wird ein Eigentumsvorbehalt vereinbart, steht die Übereignung unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB) Ursprünglich war V Eigentümer des Baggers. Die Übereignung an K steht allerdings unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB). K hat den Kaufpreis noch nicht bezahlt, die Bedingung ist nicht eingetreten. V hat sein Eigentum an dem Bagger noch nicht an K verloren.

3. K ist Inhaber eines Anwartschaftsrechts an dem Bagger.

Ja!

Ein Anwartschaftsrecht entsteht, wenn bei einem mehraktigen Rechtserwerb, so viele Voraussetzungen erfüllt sind, dass dem Erwerber eine gesicherte Rechtsposition zusteht. Bei der Übereignung beweglicher Sachen unter Eigentumsvorbehalt ist dies der Fall, weil alle Voraussetzungen von § 929 S. 1 BGB erfüllt sind und der Erwerber durch Kaufpreiszahlung den Eigentumserwerb herbeiführen kann. V und K haben sich über den Eigentumsübergang an dem Bagger geeinigt und er wurde übergeben. K kann wegen der aufschiebenden Bedingung durch Kaufpreiszahlung den Eigentumserwerb herbeiführen (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB). Er hat ein Anwartschaftsrecht erworben.

4. Der Inhaber eines Anwartschaftsrecht wird durch §§ 861, 1007 BGB geschützt. Spricht dies gegen eine analoge Anwendung des § 985 BGB, da es damit an einer planwidrigen Regelungslücke fehlen könnte?

Genau, so ist das!

Die analoge Anwendung von § 985 BGB auf den Inhaber eines Anwartschaftsrecht ist umstritten. Du solltest den Streitstand jedenfalls grob kennen. In der Klausur kannst Du mit entsprechenden Argumenten beide Ansichten vertreten. Gegen die analoge Anwendung des § 985 BGB wird eingewendet, dass der Anwartschaftsrechtsinhaber durch §§ 861, 1007 BGB ausreichend vor unberechtigtem Besitzentzug geschützt sei und es deshalb schon an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Der Inhaber des Anwartschaftsrecht habe danach keinen eigenen Herausgabeanspruch, sondern könne lediglich gemäß § 185 BGB ermächtigt sein, die Ansprüche des Eigentümers geltend zu machen. Dabei wird teilweise angenommen, dass der Eigentümer dem Inhaber des Anwartschaftsrecht eine generelle, stillschweigende Ermächtigung erteilt hat. Gegen einen eigenen Anspruch des Inhabers eines Anwartschaftsrechts wird auch angeführt, dass der Besitzer sich nicht zwei Vindikationsansprüchen ausgesetzt sehen soll - die des Eigentümer und des Anwartschaftsberechtigten.Dagegen ist einzuwenden, dass der Vindikationsanspruch des Eigentümers sich regelmäßig ohnehin auf Herausgabe an den Anwartschaftsberechtigten richtet (§ 986 Abs. 1 S. 2 BGB).

5. K könnte als Anwartschaftsrechtsinhaber einen Herausgabeanspruch analog § 985 BGB gegen X haben. Ist diese Analogie unstrittig?

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine direkte Anwendung des § 985 BGB auf den Inhaber eines Anwartschaftsrecht scheidet aus, da diese Norm ausdrücklich das Eigentum des Anspruchstellers voraussetzt. Allerdings kommt eine analoge Anwendung des § 985 BGB bei Bestehen eines Anwartschaftsrechts in Betracht. Dies ist jedoch umstritten. Die analoge Anwendung einer Norm setzt voraus: (1) Bestehen einer Regelungslücke (2) Planwidrigkeit der Regelungslücke (3) Vergleichbarkeit der Interessenlage.

6. Die wohl h.M. billigt dem Inhaber eines Anwartschaftsrecht den Anspruch aus § 985 BGB analog zu. Spricht hierfür die Vergleichbarkeit des Anwartschaftsrecht mit dem Eigentum?

Ja, in der Tat!

Das Anwartschaftsrecht wird auch als „wesenslgeiches Minus“ zum Eigentum bezeichnet. Wegen dieser Nähe wendet die wohl h.M. die §§ 985, 987 BGB analog für die Situation an, in der der Inhaber eines Anwartschaftsrechts gegen den Besitzer ohne Besitzgrund vorgeht. Zwar sei der Anwartschaftsberechtigte über §§ 861, 1007 BGB geschützt, diese beziehen sich jedoch nur auf den Besitzschutz. Da das Anwartschaftsrecht dem Eigentum so nahe steht, sollte auch ein entsprechender Schutz bestehen. Somit kann eine palnwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage bejaht werden.

7. Nach der wohl h.M. kann K lediglich den Anspruch des Eigentümers V gegenüber X geltend machen.

Nein!

Ob der Anwartschaftsberechtigte einen eigenen Anspruch aus § 985 BGB analog gegen den Besitzer haben soll, ist umstritten. Die wohl h.M. bejaht dies mit Blick auf die Nähe des Anwartschaftsrechts zum Eigentum. Nach der wohl h.M. kann K einen Anspruch gegen X aus § 985 BGB analog geltend machen. X ist auch Besitzer ohne (ersichtliches) Recht zum Besitz. Der Anspruch besteht damit.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SAUFE

Saufen_Fetzt

18.10.2022, 07:43:58

Könnt ihr bei solchen Aufgaben bitte immer auch highlighten, welche Ansicht BGH ist?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.10.2022, 11:23:46

Hallo Saufen_Fetzt, vielen Dank für die Anregung. Auch wenn es letztlich nur auf die Kraft der Argumente ankommen sollte, verstehen wir natürlich das Bedürfnis, sich bei der Klausurlösung (und in der Praxis) an der Rechtsprechung des BGH zu orientieren. Zu diesem Streit hat der BGH allerdings bislang noch nicht Stellung beziehen müssen. Die überwiegende Ansicht in der Literatur gewährt dem

Anwartschaftsberechtigte

n aber wohl den

Vindikationsanspruch

(vgl. BeckOK BGB/Fritzsche, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 985 RdNr. 7; MüKoBGB/Baldus, 8. Aufl. 2020, BGB § 985 RdNr. 7 mwN). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

simon175

simon175

12.1.2023, 20:41:39

Wie schlimm wäre es, wenn man bzgl des Eigentumsvorbehalts auf § 449 I verweisen würde?

SAUFE

Saufen_Fetzt

12.1.2023, 20:51:47

Direkt kopfüber Kreuzigung.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

13.1.2023, 11:54:41

Hallo simon175, es ist nie falsch zu erwähnen, dass schuldrechtlich ein Kauf unter Eigentumsvorbehalt erfolgt ist gem. § 449 Abs. 1 BGB, der sich der Gestalt auf die dingliche Seite auswirkt, dass die unbedingte Einigung fehlt. Wichtig ist aber deutlich den Unterschied zwischen schuldrechtlichem und dinglichen Geschäft herauszuarbeiten. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

<I

<isa_hh>

22.5.2023, 17:38:08

Würde mir jemand bitte das Pro-Argument nochmal in anderen Worten erklären? Ich verstehe den Zusammenhang mit dem

Anwartschaftsberechtigte

n nicht genau. Danke im Voraus.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

31.5.2023, 18:29:16

Ich versuche es mal: Würde man die analoge Anwendung des § 985 zulassen, hätte sowohl der Eigentümer einen

Vindikationsanspruch

als auch der

Anwartschaftsberechtigte

. Der Eigentümer kann gem. § 985 direkt gegen den Besitzer vorgehen, der ohne Recht zum Besitz den Bagger besitzt. Gleichzeitig würde aber auch der

Anwartschaftsberechtigte

wegen seines

Anwartschaftsrecht

s gem. § 985 analog vindizieren können. Der Besitzer sähe sich dann zwei

Vindikation

sansprüchen gegenüber, kann aber nur einmal herausgeben. Dieses Argument gegen die analoge Anwendung wird von der Gegenseite aber damit relativiert, dass der Eigentümer regelmäßig Herausgabe an den

Anwartschaftsberechtigte

n verlangen wird. Außerdem gegen die analoge Anwendung spricht, dass der

Anwartschaftsberechtigte

aufgrund seiner Besitzposition bereits ausreichend aus §§ 861, 1007 gegen einen Besitzentzug geschützt ist und es deshalb keiner Anspruchsgrundlage bzgl Herausgabe bedarf.

lmb1412

lmb1412

19.11.2024, 18:19:00

hey, mir ist ein kleiner Tippfehler aufgefallen. Es müsste „wesensgleich“ heißen :) „Das

Anwartschaftsrecht

wird auch als „wesenslgeiches Minus“ zum Eigentum bezeichnet.“ Am Ende der Erklärung auch nochmal statt „palnwidrig“ müsste es „planwidirg“ heißen. Schönen Abend euch noch ^^

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

20.11.2024, 06:56:10

Hallo lmb1412, vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Christian Leupold-Wendling, für das Jurafuchs-Team


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