Anwartschaftsberechtigter (P)

26. April 2025

22 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V verkauft an K unter Eigentumsvorbehalt einen Bagger und übergibt ihn sofort. K hat den Kaufpreis noch nicht bezahlt. X fährt den Bagger ohne Kenntnis des K zu ihrer eigenen Baustelle, um ihn dort zu benutzen.

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Einordnung des Falls

Anwartschaftsberechtigter (P)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat gegen X einen Anspruch auf Herausgabe des Baggers, wenn die Voraussetzungen von § 985 BGB vorliegen.

Genau, so ist das!

Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB setzt voraus: (1) Eigentum des Anspruchstellers, (2) Besitz des Anspruchsgegners, (3) fehlendes Recht zum Besitz des Anspruchsgegners (§ 986 BGB).
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2. K ist Eigentümer des Baggers geworden, als V ihm diesen übergeben hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe, (4) Verfügungsbefugnis. Wird ein Eigentumsvorbehalt vereinbart, steht die Übereignung unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB) Ursprünglich war V Eigentümer des Baggers. Die Übereignung an K steht allerdings unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB). K hat den Kaufpreis noch nicht bezahlt, die Bedingung ist nicht eingetreten. V hat sein Eigentum an dem Bagger noch nicht an K verloren.

3. K ist Inhaber eines Anwartschaftsrechts an dem Bagger.

Ja!

Ein Anwartschaftsrecht entsteht, wenn bei einem mehraktigen Rechtserwerb, so viele Voraussetzungen erfüllt sind, dass dem Erwerber eine gesicherte Rechtsposition zusteht. Bei der Übereignung beweglicher Sachen unter Eigentumsvorbehalt ist dies der Fall, weil alle Voraussetzungen von § 929 S. 1 BGB erfüllt sind und der Erwerber durch Kaufpreiszahlung den Eigentumserwerb herbeiführen kann. V und K haben sich über den Eigentumsübergang an dem Bagger geeinigt und er wurde übergeben. K kann wegen der aufschiebenden Bedingung durch Kaufpreiszahlung den Eigentumserwerb herbeiführen (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB). Er hat ein Anwartschaftsrecht erworben.

4. Der Inhaber eines Anwartschaftsrecht wird durch §§ 861, 1007 BGB geschützt. Spricht dies gegen eine analoge Anwendung des § 985 BGB, da es damit an einer planwidrigen Regelungslücke fehlen könnte?

Genau, so ist das!

Die analoge Anwendung von § 985 BGB auf den Inhaber eines Anwartschaftsrecht ist umstritten. Du solltest den Streitstand jedenfalls grob kennen. In der Klausur kannst Du mit entsprechenden Argumenten beide Ansichten vertreten. Gegen die analoge Anwendung des § 985 BGB wird eingewendet, dass der Anwartschaftsrechtsinhaber durch §§ 861, 1007 BGB ausreichend vor unberechtigtem Besitzentzug geschützt sei und es deshalb schon an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Der Inhaber des Anwartschaftsrecht habe danach keinen eigenen Herausgabeanspruch, sondern könne lediglich gemäß § 185 BGB ermächtigt sein, die Ansprüche des Eigentümers geltend zu machen. Dabei wird teilweise angenommen, dass der Eigentümer dem Inhaber des Anwartschaftsrecht eine generelle, stillschweigende Ermächtigung erteilt hat. Gegen einen eigenen Anspruch des Inhabers eines Anwartschaftsrechts wird auch angeführt, dass der Besitzer sich nicht zwei Vindikationsansprüchen ausgesetzt sehen soll - die des Eigentümer und des Anwartschaftsberechtigten.Dagegen ist einzuwenden, dass der Vindikationsanspruch des Eigentümers sich regelmäßig ohnehin auf Herausgabe an den Anwartschaftsberechtigten richtet (§ 986 Abs. 1 S. 2 BGB).

5. K könnte als Anwartschaftsrechtsinhaber einen Herausgabeanspruch analog § 985 BGB gegen X haben. Ist diese Analogie unstrittig?

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine direkte Anwendung des § 985 BGB auf den Inhaber eines Anwartschaftsrecht scheidet aus, da diese Norm ausdrücklich das Eigentum des Anspruchstellers voraussetzt. Allerdings kommt eine analoge Anwendung des § 985 BGB bei Bestehen eines Anwartschaftsrechts in Betracht. Dies ist jedoch umstritten. Die analoge Anwendung einer Norm setzt voraus: (1) Bestehen einer Regelungslücke (2) Planwidrigkeit der Regelungslücke (3) Vergleichbarkeit der Interessenlage.

6. Die wohl h.M. billigt dem Inhaber eines Anwartschaftsrecht den Anspruch aus § 985 BGB analog zu. Spricht hierfür die Vergleichbarkeit des Anwartschaftsrecht mit dem Eigentum?

Ja, in der Tat!

Das Anwartschaftsrecht wird auch als „wesensgleiches Minus“ zum Eigentum bezeichnet. Wegen dieser Nähe wendet die wohl h.M. die §§ 985, 987 BGB analog für die Situation an, in der der Inhaber eines Anwartschaftsrechts gegen den Besitzer ohne Besitzgrund vorgeht. Zwar sei der Anwartschaftsberechtigte über §§ 861, 1007 BGB geschützt, diese beziehen sich jedoch nur auf den Besitzschutz. Da das Anwartschaftsrecht dem Eigentum so nahe steht, sollte auch ein entsprechender Schutz bestehen. Somit kann eine planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage bejaht werden.

7. Nach der wohl h.M. kann K lediglich den Anspruch des Eigentümers V gegenüber X geltend machen.

Nein!

Ob der Anwartschaftsberechtigte einen eigenen Anspruch aus § 985 BGB analog gegen den Besitzer haben soll, ist umstritten. Die wohl h.M. bejaht dies mit Blick auf die Nähe des Anwartschaftsrechts zum Eigentum. Nach der wohl h.M. kann K einen Anspruch gegen X aus § 985 BGB analog geltend machen. X ist auch Besitzer ohne (ersichtliches) Recht zum Besitz. Der Anspruch besteht damit.
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