Intimfotos nach Beendigung der Affäre

23. November 2024

4,7(8.118 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

F hat eine Affäre mit M, einem Fotografen. M macht von F Bilder, auch beim Sex. F ist damit einverstanden. Nachdem die Beziehung beendet ist, verlangt F, dass M alle Bilder löscht. M möchte diese für sich behalten.

Diesen Fall lösen 79,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Intimfotos nach Beendigung der Affäre

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist von § 823 Abs. 1 BGB und analog § 1004 Abs. 1 BGB geschützt.

Ja!

Das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht wird wie das verfassungsrechtliche Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet. Es genießt in verfassungskonformer Anwendung und Auslegung des § 823 Abs. 1 BGB als „sonstiges Recht“ den Schutz der absoluten Rechte. § 1004 Abs. 1 BGB schützt unmittelbar nur das Eigentum. Der Unterlassungsanspruch gilt jedoch analog für Verletzungen anderer absoluter Rechte wie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die durch M angefertigten Bilder betreffen die Intimsphäre der F.

Genau, so ist das!

Das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner personalen und sozialen Identität und Entfaltung. Nach der Sphärentheorie des BVerfG sind für den Schutzbereich drei Sphären zu unterscheiden: (1) Sozialsphäre, (2) Privatsphäre und (3) Intimsphäre. Die Intimsphäre umfasst den Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung, z.B. die innere Gedanken- und Gefühlswelt und deren äußere Erscheinungsformen (z.B. Tagebuch, vertrauliche Briefe, intime Fotos).

3. Wenn M die Bilder für sich behält, beeinträchtigt er das Recht der F auf Schutz ihrer Intimsphäre.

Ja, in der Tat!

Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt dann vor, wenn die Handlung eine der drei Sphären berührt. Zudem bedarf es einer gewissen Erheblichkeit. Die Bilder zeigen F in intimen Situationen, sodass ihre Intimsphäre berührt ist. Die Beeinträchtigung geht auch von M aus, da er die Verfügungsmacht über die Bilder gegen den Willen der F weiterhin ausübt.

4. Auf Ebene der Rechtswidrigkeit ist das Schutzinteresse der F (allg. Persönlichkeitsrecht) gegen die schutzwürdigen Belange des M (Eigentumsrecht, Kunstfreiheit, allgemeine Handlungsfreiheit) abzuwägen nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Nein!

Beim zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist grundsätzlich eine umfassende Güter- und Interessenabwägung zur Feststellung der Rechtswidrigkeit erforderlich. Die Intimsphäre genießt jedoch absoluten Schutz. BGH: Der Schutzbereich des Kernbereichs privater Lebensführung ist einer Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugänglich (RdNr. 34).

5. F ist es verwehrt, sich gegenüber M auf den Schutz ihres Persönlichkeitsrechts zu berufen, denn sie hat den Kernbereich privater Lebensgestaltung für ihn selbst geöffnet.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das ist der Knackpunkt der Entscheidung. BGH: Zwar habe F dem B Einblick in ihre Intimsphäre gewährt und ihm die Aufnahmen gestattet. Diese Einwilligung sei jedoch auf die Dauer ihrer Beziehung begrenzt gewesen. Maßstab für Umfang und Wirksamkeit einer Einwilligung könnten die für die Einwilligung nach § 22 KUG entwickelten Grundsätze sein. Danach könne die Einwilligung im privaten Bereich konkludent und formlos beschränkt oder unbeschränkt erteilt werden. Hier seien die Bilder im privaten Bereich und nur im Rahmen der Liebesbeziehung ohne vertragliche Vereinbarungen und unentgeltlich entstanden (RdNr. 36ff.).
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ALE

Alex1892

17.3.2023, 19:56:49

Mich verwundert es, dass hier die Intimsphäre betroffen ist. Hatte mal im Kopf alles was einen Außenbezug ( hier der Umstand dass M die Fotos mach) hat kann nicht Intimsphäre sein. Zur Intimsphäre gehöre danach nur so etwas wie Tagebücher oder Selbstgespräche. War glaub ich zu einer Entscheidung bezüglich vaterschaftstests oder so.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

20.3.2023, 17:23:13

Hallo Alex1892, Privatsphäre ist grob gesagt das, was man mit Familie und Freunden teilt. Wenn dich also jemand bei einem privaten Ausflug an den Strand fotografiert, betrifft dies deine Privatsphäre. Intimsphäre betrifft den Bereich innerster Lebensgestaltung - darunter ganz richtig von dir aufgeführt die Gefühlswelt, die sich in Tagebüchern oder Selbstgesprächen nach außen zeigt. Umfasst ist aber auch das Sexualleben als intimste Lebensführung, somit auch Fotos davon. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

ALE

Alex1892

21.3.2023, 13:20:14

Vielen Dank für die Antwort 😁!

Amelie

Amelie

21.7.2023, 21:09:42

Ich hätte eine Frage zur Einwilligung. Hier steht sie sei

konkludent

im Vorhinein beschränkt worden (auf die Dauer der Beziehung). Ist es hier auch möglich von einem Widerruf der Einwilligung zu sprechen (also die Einwilligung nicht an der Beziehung fest zu machen sondern an ihren Willen)?

AS

as.mzkw

28.9.2024, 14:43:19

Das würde mich auch interessieren! So hätte ich es zumindest intuitiv in einer Klausur gelöst, wenn ich das Problem nicht gekannt hätte.

Nils

Nils

2.10.2024, 02:53:10

Ich denke ja. Wenn das schon

konkludent

geht, muss es erst recht auch ausdrücklich möglich sein. BGH in dem Urteil: „Die Einwilligung der Klägerin in die Anfertigung der betreffenden Aufnahmen schließe jedoch einen Widerruf des Einverständnisses für die Zukunft nicht aus.“


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen