Vorrang der Individualabrede vor AGB
20. Mai 2025
13 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
H liefert Brauerei B aufgrund einer ausgehandelten Liefervereinbarung 20 KG Hopfen, der "garantiert einen Säuregehalt von 13% aufweist". Bs Kunden beschweren sich über versäuertes Bier. B muss es zurücknehmen, da der Hopfen einen Säuregehalt von 15% aufwies. B verlangt von H Schadensersatz wegen der Garantie. H verweist auf ihre AGB, die die Haftung für Schäden aus mangelhafter Lieferung ausschließen.
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Einordnung des Falls
Vorrang der Individualabrede vor AGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei der vereinbarten Garantievereinbarung handelt es sich um AGB.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die individualvertragliche Garantievereinbarung und der AGB-rechtliche Haftungsausschluss für Schäden aus mangelhafter Lieferung widersprechen sich.
Ja!
3. Die individuelle Vertragsabrede der Garantievereinbarung hat Vorrang vor den AGB des H.
Genau, so ist das!
4. B kann von H Schadensersatz nach §§ 434, 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB verlangen.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Larzed
14.10.2022, 10:57:40
Ist die Garantie in dem Fall nicht als eigenständiger Garantievertrag zu werten? Ich hätte den SchEA nicht aus dem Mängelgewährleistungsrecht, sondern aus der Garantie hergeleitet.🤔
Dogu
26.11.2023, 14:54:11
Das würde ich eher bejahen, wenn der Hersteller mit einem ihm unbekannten Endkunden einen Garantievertrag schließt. Zwischen zwei Vertragspartnern vereinbarte Garantien sind regelmäßig
Beschaffenheitsvereinbarungen.

Iguanaiuris
20.4.2025, 09:56:35

JuraToMoon
10.5.2025, 22:34:06
Hallo, m.E. ist hier sowohl eine
Beschaffenheitsvereinbarungnach § 434 II 1 Nr. 1 BGB als auch eine Garantie im Sinne von § 443 I BGB vertretbar. Der Unterschied ist der, dass der Verkäufer bei einer
Garantie verschuldensunabhängigfür eine Eigenschaft der Kaufsache einstehen möchte. Bei einer
Beschaffenheitsvereinbarunghingegen ver
schuldensabhängig. Was gewollt war, ist durch Auslegung zu ermitteln,
§§ 133, 157 BGB. Da im Falle einer
Beschaffenheitsvereinbarungdas Ver
schulden jedenfalls nach §
280 I 2 BGBvermutet wird und sich aus dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Vermutung widerlegt werden kann, führen beide Auslegungsalternativen zum gleichen Ergebnis. Müsste ich mich entscheiden, dann würde ich sagen, dass die Vertragsparteien juristische Laien sind, sodass nicht aus der Bezeichnung „Garantie“ automatisch eine Garantievereinbarung folgt. Daneben würde ich nach dem Gedanken des
§ 377 HGBdavon ausgehen, dass der Brauer den Hopfen prüfen muss und somit im Zweifel weniger schutzwürdig ist als bei einem Vertrag zwischen Nichtkaufleuten. Die besseren Gründe sprechen damit dafür, das Interesse der Vertragsparteien zugunsten des Herstellers zu verstehen, so dass eine
Beschaffenheitsvereinbarungund keine Garantie gewollt war. (a.A. Vertretbar v.a. vor dem Hintergrund, dass Kaufleute regelmäßig Geschäftserfahrung mit sich bringen) Die Aussage in der Lösung, dass ein Ver
schulden nicht notwendig ist und dennoch der Anspruch auf §§ 280 I, 437 Nr. 3, 434 II 1 Nr. 1 BGB gestützt wird, halte ich in diesem Zusammenhang für anpassungsbedürftig.
nmew
6.2.2025, 18:42:29
Vorliegend ist doch die Leistung selbst mangelhaft, das Leistungsinteresse ist gestört. Wäre hier nicht SE statt d Leistung gem 281 I zu fordern?

paulmachtexamen
25.3.2025, 20:29:03
In denke auch das hier die richtige Anspruchsgrundlage 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 ist.

paulmachtexamen
25.3.2025, 20:33:39
Grund: Der
Schadenwürde ja entfallen, wenn H
rechtzeitigneue mangelfreie Biere geliefert hätte. Dass der
Schadenbereits eingetreten ist, ändert daran in meinen Augen ja erstmal nichts.
nmew
27.3.2025, 10:31:02
Vielleicht - wie so oft - am Ende beides vertretbar...
Lt. Maverick
18.4.2025, 14:07:51
Hier steht, dass der Gläubiger
Schadensersatz wegen der Garantie verlangt. Hier steht also nicht die Pflichtverletzung wegen des mangelhaften Biers im Vordergrund, sondern die Verletzung der Garantievereinbarung (Bier entspricht nicht der zugesicherten
Beschaffenheit). Die Garantievereinbarung stellt insoweit einen neuen eigenständigen Anspruch dar.