Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

AGB

Vorrang der Individualabrede vor AGB

Vorrang der Individualabrede vor AGB

20. Mai 2025

13 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

H liefert Brauerei B aufgrund einer ausgehandelten Liefervereinbarung 20 KG Hopfen, der "garantiert einen Säuregehalt von 13% aufweist". Bs Kunden beschweren sich über versäuertes Bier. B muss es zurücknehmen, da der Hopfen einen Säuregehalt von 15% aufwies. B verlangt von H Schadensersatz wegen der Garantie. H verweist auf ihre AGB, die die Haftung für Schäden aus mangelhafter Lieferung ausschließen.

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Einordnung des Falls

Vorrang der Individualabrede vor AGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei der vereinbarten Garantievereinbarung handelt es sich um AGB.

Nein, das trifft nicht zu!

AGB sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die von dem Verwender einseitig gestellt werden. Im Gegensatz dazu stellen einzeln ausgehandelte Klauseln eine individualvertragliche Vereinbarung dar. Individualvertragliche Vereinbarungen sind keine AGB (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB). Die Garantievereinbarung wurde zwischen H und B ausgehandelt, sodass eine individualvertragliche Vereinbarung vorliegt.
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2. Die individualvertragliche Garantievereinbarung und der AGB-rechtliche Haftungsausschluss für Schäden aus mangelhafter Lieferung widersprechen sich.

Ja!

Ein Widerspruch zwischen Individualvereinbarung und AGB liegt vor, wenn die AGB von der individuellen Regelung nach ihrem Wortsinn oder nach ihrem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt abweichen und dadurch der materielle Gehalt der Individualvereinbarung eingeschränkt oder ausgehöhlt wird. Die vereinbarte Garantie für einen Säuregehalt von 13% stellt sich rechtlich als Vereinbarung einer Beschaffenheit der Kaufsache (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) dar, für die H auch ohne Verschulden (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB) einstehen muss. Die AGB von H schließen dagegen jegliche Haftung für Schäden mangelhafter Lieferung aus. Sie widersprechen sich daher.

3. Die individuelle Vertragsabrede der Garantievereinbarung hat Vorrang vor den AGB des H.

Genau, so ist das!

Widersprechen sich individuelle Vertragsabrede und AGB, gilt nach § 305b BGB der Vorrang der Individualabrede. Einigt sich der Verwender konkret und individuell mit seinem Vertragspartner auf eine bestimmte Vertragsbedingung, soll er nicht durch die „Hintertür des Kleingedruckten“ diese Abrede aushöhlen können. Da die Garantievereinbarung eine Individualvereinbarung darstellt, genießt diese vor den AGB nach § 305b BGB Vorrang.

4. B kann von H Schadensersatz nach §§ 434, 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB verlangen.

Ja, in der Tat!

Die vereinbarte Garantie für einen Säuregehalt von 13% stellt sich rechtlich als Vereinbarung einer Beschaffenheit der Kaufsache (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) dar, für die H auch ohne Verschulden (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB) einstehen muss. Da die individualvertragliche Vereinbarung den AGB vorgeht (§ 305b BGB) und das Bier des H einen Säuregehalt von 15% aufweist, kann B von H Schadensersatz nach §§ 434, 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB verlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Larzed

Larzed

14.10.2022, 10:57:40

Ist die Garantie in dem Fall nicht als eigenständiger Garantievertrag zu werten? Ich hätte den SchEA nicht aus dem Mängelgewährleistungsrecht, sondern aus der Garantie hergeleitet.🤔

Dogu

Dogu

26.11.2023, 14:54:11

Das würde ich eher bejahen, wenn der Hersteller mit einem ihm unbekannten Endkunden einen Garantievertrag schließt. Zwischen zwei Vertragspartnern vereinbarte Garantien sind regelmäßig

Beschaffenheitsvereinbarung

en.

Iguanaiuris

Iguanaiuris

20.4.2025, 09:56:35

Aber das würde ja bedeuten, dass eine

Beschaffenheitsvereinbarung

= Garantie ist.

JuraToMoon

JuraToMoon

10.5.2025, 22:34:06

Hallo, m.E. ist hier sowohl eine

Beschaffenheitsvereinbarung

nach § 434 II 1 Nr. 1 BGB als auch eine Garantie im Sinne von § 443 I BGB vertretbar. Der Unterschied ist der, dass der Verkäufer bei einer

Garantie verschuldensunabhängig

für eine Eigenschaft der Kaufsache einstehen möchte. Bei einer

Beschaffenheitsvereinbarung

hingegen ver

schuld

ensabhängig. Was gewollt war, ist durch Auslegung zu ermitteln,

§§ 133, 157 BGB

. Da im Falle einer

Beschaffenheitsvereinbarung

das Ver

schuld

en jedenfalls nach §

280 I 2 BGB

vermutet wird und sich aus dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Vermutung widerlegt werden kann, führen beide Auslegungsalternativen zum gleichen Ergebnis. Müsste ich mich entscheiden, dann würde ich sagen, dass die Vertragsparteien juristische Laien sind, sodass nicht aus der Bezeichnung „Garantie“ automatisch eine Garantievereinbarung folgt. Daneben würde ich nach dem Gedanken des

§ 377 HGB

davon ausgehen, dass der Brauer den Hopfen prüfen muss und somit im Zweifel weniger schutzwürdig ist als bei einem Vertrag zwischen Nichtkaufleuten. Die besseren Gründe sprechen damit dafür, das Interesse der Vertragsparteien zugunsten des Herstellers zu verstehen, so dass eine

Beschaffenheitsvereinbarung

und keine Garantie gewollt war. (a.A. Vertretbar v.a. vor dem Hintergrund, dass Kaufleute regelmäßig Geschäftserfahrung mit sich bringen) Die Aussage in der Lösung, dass ein Ver

schuld

en nicht notwendig ist und dennoch der Anspruch auf §§ 280 I, 437 Nr. 3, 434 II 1 Nr. 1 BGB gestützt wird, halte ich in diesem Zusammenhang für anpassungsbedürftig.

NME

nmew

6.2.2025, 18:42:29

Vorliegend ist doch die Leistung selbst mangelhaft, das Leistungsinteresse ist gestört. Wäre hier nicht SE statt d Leistung gem 281 I zu fordern?

paulmachtexamen

paulmachtexamen

25.3.2025, 20:29:03

In denke auch das hier die richtige Anspruchsgrundlage 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 ist.

paulmachtexamen

paulmachtexamen

25.3.2025, 20:33:39

Grund: Der

Schaden

würde ja entfallen, wenn H

rechtzeitig

neue mangelfreie Biere geliefert hätte. Dass der

Schaden

bereits eingetreten ist, ändert daran in meinen Augen ja erstmal nichts.

NME

nmew

27.3.2025, 10:31:02

Vielleicht - wie so oft - am Ende beides vertretbar...

LMA

Lt. Maverick

18.4.2025, 14:07:51

Hier steht, dass der Gläubiger

Schaden

sersatz wegen der Garantie verlangt. Hier steht also nicht die Pflichtverletzung wegen des mangelhaften Biers im Vordergrund, sondern die Verletzung der Garantievereinbarung (Bier entspricht nicht der zugesicherten

Beschaffenheit

). Die Garantievereinbarung stellt insoweit einen neuen eigenständigen Anspruch dar.


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