Rücknahme eines begünstigenden VAs: § 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwVfG: Ausschluss des Vertrauensschutzes (Erschlichene Leistung)


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Jurastudentin Lawra (L) hat ihr Studium beendet. Um ihre Ausbildungsförderung aufrecht zu erhalten, beantragt sie mit einer gefälschten Studienbescheinigung Ausbildungsförderung (BAföG). Die Behörde (B) bewilligt die Zahlungen. Als L's Schwindel auffällt, hebt B die Bewilligung auf.

Einordnung des Falls

Rücknahme eines begünstigenden VAs: § 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwVfG: Ausschluss des Vertrauensschutzes (Erschlichene Leistung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Verwaltungsakt war bereits zum Zeitpunkt des Erlasses rechtswidrig. Die Aufhebung richtet sich nach § 48 VwVfG.

Ja!

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist, ist grundsätzlich der Erlass des Verwaltungsakts. Die Voraussetzungen des BAföG - dass L sich in der Ausbildung befindet (§ 1 BAföG, § 15b BAföG) - lagen bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligung nicht vor. Der Verwaltungsakt ist damit rechtswidrig ergangen. Weil der Verwaltungsakt hier von Anfang an rechtswidrig war, muss nicht auf die Besonderheit eines Dauerverwaltungsakts eingegangen werden, der erst später rechtswidrig wurde.

2. Weil es sich bei der Bewilligung um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, richtet sich die Rücknahme nur nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Voraussetzungen der § 48 Abs. 2-4 VwVfG zurückgenommen werden (§ 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Der Adressat hat regelmäßig ein zu schützendes Interesse am Fortbestand der Begünstigung. Die § 48 Abs. 2-4 VwVfG ermöglichen die Rücknahme nur für die Fälle, in denen der Adressat gar nicht auf den Fortbestand der Begünstigung vertrauen durfte oder das öffentliche Interesse an der Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts dem Vertrauensschutz des Adressaten überwiegt. L erhält durch die Bewilligung einen rechtlich erheblichen Vorteil.

3. Bei der Bewilligung handelt es sich um einen Verwaltungsakt über laufende Geldleistungen. Die Rücknahme richtet sich nach § 48 Abs. 2 VwVfG.

Ja, in der Tat!

Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG). Die BAföG Bewilligung gewährleistet laufende Zahlungen für einen bestimmten Zeitraum. B darf sie nur unter den einschränkenden Voraussetzungen von § 48 Abs. 2 VwVfG zurücknehmen. Das ergibt sich alles wortwörtlich aus der Norm. Lesen!

4. Das Vertrauen in den Fortbestand des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts ist nicht schutzwürdig, wenn ein Ausschlussgrund aus § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG vorliegt.

Ja!

Der Begünstigte kann sich von vornherein nicht auf den Vertrauensschutz des § 48 Abs. 2 S. 1 und 2 VwVfG berufen, wenn er (1) den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2) den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren oder (3) die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1-3 VwVfG).

5. Mangels Ausschlussgrund kann L sich darauf berufen, dass ihr Vertrauen in den Bestand der BaföG-Bewilligung schutzwürdig war.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Begünstigte kann den Vertrauenstatbestand des § 48 Abs. 2 S. 1 und 2 VwVfG nicht geltend machen, wenn einer der Ausschlussgründe aus § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1-3 VwVfG vorliegt. Dies gilt selbst, wenn er gewährte Leistungen aufgebraucht hat. Der Begünstigte hat den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG) erwirkt, wenn er die Behörde ziel- und zweckgerichtet auf das Erreichen einer (Rechts-)Folge (= Erwirken) irregeführt hat (= Täuschung), um auf den Erklärungswillen der Behörde einzuwirken (= Arglist). L hat eine Studienbescheinigung gefälscht, um auf B so einzuwirken, dass sie den Antrag bewilligt.

6. Neben § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG erfüllt L's Verhalten auch noch die beiden anderen normierten Ausschlussgründe.

Ja, in der Tat!

Der Begünstigte kann sich ebenfalls nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG). Die Angaben müssen kausal für die Leistung gewesen sein. Weiter ist der Adressat nicht schutzwürdig, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 VwVfG). L hat bei B angegeben, sie würde noch studieren. Außerdem war ihr klar, dass sie nach dem Studienende keinen Anspruch mehr auf die Förderung hatte. Die Ausschlussgründe des § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG sind nicht abschließend.

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