Nicht-militärische Maßnahmen I: Wirtschaftssanktionen und reverse veto


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Nach dem Überfall des Irak auf Kuwait 1990 fordert der Sicherheitsrat diesen erfolglos zum sofortigen Abzug auf. Der Rat verpflichtet daher alle Mitgliedsstaaten, zeitlich unbefristet alle Handelsbeziehungen zum Irak einzustellen. Irak zieht 1991 aus Kuwait ab. Das Totalembargo besteht bis 2003.

Einordnung des Falls

Nicht-militärische Maßnahmen I: Wirtschaftssanktionen und reverse veto

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Tätigwerden des Sicherheitsrats setzt eine Feststellung einer Bedrohung oder eines Bruchs des Friedens oder einer Angriffshandlung voraus.

Ja!

Art. 39 UN-Charta eröffnet den Anwendungsbereich für Maßnahmen nach Kapitel VII nach der Feststellung einer Bedrohung oder eines Bruchs des Friedens oder einer Angriffshandlung. Die drei Tatbestandsalternativen eröffnen den Anwendungsbereich für nicht-militärische oder militärische Maßnahmen gleichermaßen. Selten stellt der Sicherheitsrat daher angesichts der politischen Wirkkraft auf das Vorliegen einer Angriffshandlung ab.

2. Der Überfall des Irak auf Kuwait erfüllt den Tatbestand der Angriffshandlung und des Friedensbruchs im Sinne von Art. 39 UN-Charta.

Genau, so ist das!

Eine Angriffshandlung nach Art. 39 UN-Charta setzt eine schwerwiegende Form der Anwendung zwischenstaatlicher Waffengewalt voraus. Bei der Auslegung kommt der (nicht-rechtsverbindlichen) Aggressionsdefinition der UN-Generalversammlung (Res. 3314) Indizwirkung zu. Ein Friedensbruchs erfasst Anwendungen zwischenstaatlicher Gewalt unterhalb der Schwelle der Angriffshandlung.Der Irak überfiel Kuwait, sodass ein Fall des Art. 3 lit. a der Aggressionsdefinition und damit eine Angriffshandlung nach Art. 39 UN-Charta vorlag. Der Sicherheitsrat begnügte sich mit der Feststellung eines Friedensbruchs - offenbar wegen der symbolischen Wirkkraft einer Einordnung als Angriffshandlung.

3. Mit der Feststellung des Friedensbruchs konnte der UN-Sicherheitsrat ein Totalembargo anordnen.

Ja, in der Tat!

Richtig! Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 39 UN-Charta vor, steht das Tor zu Kapitel-VII-Maßnahmen offen. Art. 41 UN-Charta nennt Wirtschaftssanktionen explizit als Beispielsmaßnahme. Darunter fällt auch ein Totalembargo. Zwar wird teilweise angenommen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Sicherheitsrat beim Erlass von zwingenden Maßnahmen einschränkt (str.). Gleichwohl ist hier angesichts des weiten Ermessensspielraums des UN-Sicherheitsrats und der Schwere der Gewaltanwendung durch den Irak von einer (noch) verhältnismäßigen Maßnahme auszugehen.

4. Mit der Zweckerfüllung enden Maßnahmen des Sicherheitsrats grundsätzlich automatisch.

Nein!

Entscheidend für die Fortgeltung einer Resolution ist ihr formeller Fortbestand. Der Beendigungszeitpunkt ergibt sich durch Auslegung der Resolution. Regelmäßig sind Maßnahmen des Sicherheitsrats nicht an eine Zweckerfüllung gekoppelt. Es gibt zeitlich befristete Maßnahmen, die mit Zeitablauf automatisch enden. Dauermaßnahmen hingegen bedürfen zur Beendigung einer erneuten Beschlussfassung des UN-Sicherheitsrats. Dies bedingt das sog. "reverse veto": Nicht nur die Verhängung, sondern auch die Aufhebung unterliegt damit dem Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder.

5. Der UN-Sicherheitsrat konnte das 12-jährige Totalembargo ohne erneute Beschlüsse aufrechterhalten.

Genau, so ist das!

Die Sanktionen der Resolutionen 661 (1991) und 687 (1991) gegen den Irak enthielten keine zeitliche Befristung. Sie unterlagen damit dem sog. "reverse veto": Nicht nur die Verhängung, sondern auch die Aufhebung unterliegt damit dem Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder. Insbesondere die USA nahmen eine Blockadehaltung ein und bedingten die Länge des Embargos von 12 Jahren. Um eine derartige Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse zukünftig zu vermeiden, werden Maßnahmen seither zeitlich befristet. Nach Fristablauf bedarf es eines Beschlusses des Sicherheitsrats zur Aufrechterhaltung einer Maßnahme.

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