Strafrecht
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Verbotenes Kraftfahrzeugrennen bei Flucht vor der Polizei?
Verbotenes Kraftfahrzeugrennen bei Flucht vor der Polizei?
9. Mai 2023
18 Kommentare
4,7 ★ (21.559 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Raserin R unternimmt eine Spritztour durchs Wohngebiet, als die Polizei sie anhalten möchte. R denkt nicht daran ihre Tour zu unterbrechen und fährt so schnell, wie es witterungsbedingt möglich ist (90 km/h), davon. R glaubt, sie müsse die Höchstgeschwindigkeit erreichen, um der Polizei zu entkommen.
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Einordnung des Falls
Der BGH stellt in diesem Beschluss klar, dass auch Polizeiverfolgungen als illegales Autorennen angesehen werden können, wenn die Absicht des Fahrers darin besteht, über eine erhebliche Strecke die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Der Angeklagte hatte hier versucht, einer Polizeikontrolle zu entkommen, indem er mit hoher Geschwindigkeit fuhr und mehrere rote Ampeln überfuhr. Dabei ist aber zu beachten, dass ein Fluchtversuch nicht zwangsläufig eine Absicht bedeutet, mit maximal möglicher Geschwindigkeit zu fahren.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Erfordert der Tatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d Abs.1 StGB), dass die Täterin eine der in § 315d Abs.1 Nr.1-3 StGB genannten Tathandlungen vornimmt.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Hat R an einem Kraftfahrzeugrennen teilgenommen (§ 315d Abs.1 Nr.2 StGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Scheidet auch eine Strafbarkeit wegen grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Geschwindigkeitsjagd aus, da kein Kraftfahrzeugrennen vorliegt (§ 315d Abs.1 Nr.3 StGB)?
Nein!
4. Fuhr R mit nicht angepasster Geschwindigkeit, grob verkehrswidrig und rücksichtslos?
Genau, so ist das!
5. Müsste R zudem mit der Absicht, die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen gehandelt haben?
Ja, in der Tat!
6. R ging es primär darum, der Polizei zu entkommen. Schließt dies die Absicht aus, die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen?
Nein!
7. Das Auto der R kann unter anderen Bedingungen noch schneller fahren. Ist es somit ausgeschlossen, dass es R vorliegend um das Erreichen der Höchstgeschwindigkeit ging?
Nein, das ist nicht der Fall!
8. Hat R sich nach § 315d Abs. Nr.3 StGB strafbar gemacht?
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Cosmonaut
30.8.2022, 08:18:03
Hello, Gerne wieder die Paragraphen verlinken, das ist eine super Funktion! Vielleicht könnte man zudem bei StrR Fällen drüber nachdenken, ob man als letzte Abfrage ein kleines Schema abfragt, damit man den
Tatbestandnoch einmal zusammenfasst.

Nora Mommsen
4.9.2022, 11:43:27
Hallo Cosmonaut, bei den neuen landesrechtlichen Aufgaben sind wir gerade dabei parallel die Normen alle zu verlinken. :) Und danke für deinen Vorschlag - wir nehmen die Idee mal mit auf :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

G0d0fMischief
17.1.2025, 13:55:49
Wie sieht es mit der Schema Idee eigentlich aus? Finde die Idee auch sehr gut! Wäre schön, wenn sie bald umgesetzt wird 🥹
Philipp Paasch
30.8.2022, 23:26:06
Interessant, dass hier mal weiblich, wie im SV, gegendert wurde, sehr angenehm zu lesen.

Nora Mommsen
1.9.2022, 08:44:45
Hallo Philipp Paasch, danke dir für das Feedback. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Sachverhalte möglichst vielgestaltig zu bilden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
fortsetzungsfeststellungsinteresse
27.2.2023, 10:55:24
Womit wird das Merkmal „grob verkehrswidrig“ im folgenden Fall begründet? Es reicht ja vielmehr nicht aus, dass R zu schnell fuhr. Ansonsten würde das TBM „mit nicht angepasster Geschwindigkeit“ an Bedeutung verlieren.
se.si.sc
27.2.2023, 13:38:41
Ein "grob verkehrswidriger" Verstoß muss, wie du richtig sagst, über das bloße Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit hinausgehen. Inhaltlich muss es sich um einen "besonders schweren Verstoß" gegen Verkehrsvorschriften handeln (so zB Fischer zum insoweit identischen §
315c StGB, Rn. 13), was natürlich sehr wertungsoffen ist. Eine doppelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hat dem OLG Karlsruhe für die Annahme grober Verkehrswidrigkeit aber zB in einer (zugegebenermaßen alten) Entscheidung gereicht (OLG Karlsruhe, NJW 1960, 546). Auch der BGH sagt, dass sich die grobe Verkehrswidrigkeit auch "allein aus der besonderen Massivität des Geschwindigkeitsverstoßes ergeben" kann (BGH NJW 2021, 1173, 1174 f). Ob das in unserem Beispiel der Fall ist, können wir ohne nähere Angaben zur Höchst- und gefahrenen Geschwindigkeit nicht wirklich einschätzen, der Fall ist aber anscheinend so gestrickt.
fortsetzungsfeststellungsinteresse
27.2.2023, 14:24:56
Vielen Dank!

Lukas_Mengestu
1.3.2023, 13:17:12
Danke euch beiden für die Nachfrage und Ergänzung. Wir haben den Fall im Hinblick auf die gefahrene Geschwindigkeit noch präzisiert. Die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h ergibt sich hier aus der Illustration :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jolina Luise
18.4.2023, 20:20:53
Kam heute in der ersten Strafrechts Klausur im 1. Staatsexamen in Berlin-Brandenburg dran :)

Nora Mommsen
20.4.2023, 14:09:09
Hallo Jolina Luise, super - danke für den Hinweis! Viel Erfolg weiterhin :) Nora - für das Jurafuchs-Team