Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Grundrechte
Erhöhung des Rundfunkbeitrags (Staatsvertrag Rundfunkfinanzierung)
Erhöhung des Rundfunkbeitrags (Staatsvertrag Rundfunkfinanzierung)
15. April 2025
9 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Rundfunkbeitrag finanziert den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er wird durch die Länder bestätigt, nachdem eine Kommission (KEF) ihnen einen Betrag auf Grundlage der Bedürfnisse der Rundfunkanstalten vorschlägt. Als der Beitrag um 86 Cent ansteigen soll, lehnt der Landtag von Bundesland L den KEF-Vorschlag ab.
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Einordnung des Falls
Erhöhung des Rundfunkbeitrags (Staatsvertrag Rundfunkfinanzierung)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Rundfunkanstalten ARD (A), ZDF (Z) und Deutschlandradio (D) erheben hiergegen Verfassungsbeschwerde. Sind sie befugt, Verfassungsbeschwerde zu erheben, obwohl sie Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts sind?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Tauglicher Beschwerdegegenstand der Verfassungsbeschwerde von A, D und Z ist das Unterlassen des L, dem erhöhten Rundfunkbeitrag zuzustimmen.
Ja, in der Tat!
3. Da die mögliche Verletzung einer Handlungspflicht schon Gegenstand des tauglichen Beschwerdegegenstandes war, ist eine darüber hinausgehende Beschwerdebefugnis nicht mehr erforderlich.
Nein!
4. Da diese Verfassungsbeschwerde lediglich spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, mussten A, D und Z den Rechtsweg nicht ausschöpfen und die Verfassungsbeschwerde war auch nicht subsidiär.
Genau, so ist das!
5. Die Verfassungsbeschwerden sind begründet, soweit das Unterlassen des Landes L, der Erhöhung des Rundfunkbeitrags zuzustimmen, die Rundfunkfreiheit von A, D und Z (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) verletzt.
Ja, in der Tat!
6. Der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit erfasst einen grundgesetzlichen Finanzierungsanspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Ja!
7. Umfasst die Rundfunkfreiheit einen Anspruch auf die Erhöhung des Rundfunkbeitrags und damit einen subjektiven Anspruch auf die Zustimmung zu einer Beitragserhöhung?
Genau, so ist das!
8. Die KEF schlägt den Ländern einen Rundfunkbeitrag vor, nachdem sie die Bedarfsanmeldung kontrolliert hat. Dabei obliegt ihr auch die Kontrolle über die Programmentscheidungen der Rundfunkanstalten.
Nein, das trifft nicht zu!
9. Land L hat in die Rundfunkfreiheit von A, D und Z eingegriffen, indem es unterließ, dem erhöhten Beitrag zuzustimmen.
Ja!
10. Ls Unterlassen kann schon deshalb nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, weil eine Ablehnung oder Abweichung von der Bedarfsfeststellung der KEF nur durch alle Länder einvernehmlich möglich ist.
Genau, so ist das!
11. Das Unterlassen ist auch deshalb verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, da L die Zustimmung ohne nachprüfbare und tragfähige Begründung verweigert hatte.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philipp Paasch
31.7.2022, 23:14:05
Interessanter Fall, vielen Dank. 😊
Philipp von Pentz
11.9.2022, 14:44:11
Ein sehr aktueller Fall, wie die Auseinandersetzung um die ausreichende Kontrolle des ÖRR im Rahmen des 'Schl
esinger-Skandals' beweist. Ich halte dieses Urteil in dieser Hinsicht für ein falsches Signal. Man wird in Zukunft überdenken müssen, wie man den ÖRR hinreichend kontrolliert, um seine Unabhängigkeit und Regelkonformität zu gewährleisten. Demokratietheoretisch und in puncto Föderalismus ist es schwer zu tragen, dass die Finanzierungsgewähr
leistungsverpflichtungsich auf den selbst vom ÖRR berechneten Bedarf bezieht und durch den Ausschluss medienpolitischer Zwecksetzungen und dem Erfordernis einer Einigkeit aller Bundesländer für ein Abweichen von KEF-Beschlüssen eine effektiven Kontrolle des Eigenlebens der Rundfunkanstalten nicht möglich ist. Die Rechtsprechung darf die ÖRR-Struktur nicht unreformierbar gestalten.

phiob
8.2.2023, 06:29:38
Was ist das für eine Begründung?

Nora Mommsen
9.2.2023, 13:01:03
Hallo phiob, L hatte vorgetragen, dass es sich schon seit Jahren für eine Reform des Rundfunksystems einsetze. Damit der Vorschlag der KEF abgelehnt werden kann, müssen aber alle Länder gleichermaßen eine gemeinsame Begründung vortragen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

phiob
9.2.2023, 13:04:56
Mir war die Begründung dennoch nicht schlüssig. Es geht darum, dass ich diese "Wahl" als Scheinwahl ansehe, wenn es heißt "Entweder das eine Land überzeugt alle anderen oder es MUSS auch 'Ja' stimmen". Warum dann überhaupt eine Wahl...

DeliktusMaximus
1.8.2023, 01:48:38
Stimmt leider. Mir erschließt sich auch nicht, warum überhaupt eine Wahl stattfindet.
AngeD
2.4.2025, 09:22:52
Sehe das ähnlich. Es kann auch sein, dass man mit der Enthaltung zum Ausdruck bringen wollte, dass Strukturänderungen innerhalb des Personalmanagements erfolgen müssen, ohne etwas gegen die Inhalte zu haben. So ist man den öffentlich rechtlichen Institutionen im Grunde bzgl. der Personalkosten ausgeliefert. Das man zu Recht Bedenken hat zeigen doch die letzten Skandale um Zahlungen der Mitarbeiter deutlich: https://amp.focus.de/kultur/kino_tv/helmut-markworts-tagebuch-der-skandal-bei-den-oeffentlich-rechtlichen-ueber-den-kaum-jemand-spricht_id_189828695.html
Schrobl
19.7.2024, 23:02:59
Eventuell wäre interessant hinzuzufügen, dass die Konzeption des BVerfG hier mit Blick auf den speziellen Fall von Sachsen-Anhalt zweckmäßig erscheinen mag, i.E. aber bei folgerichtiger Anwendung dazu führen würde, dass wenn bspw. nur NRW einer Erhöhung zustimmt, alle 15 anderen Länder aber aus Gründen, die vor der Rundfunkfreiheit Bestand hätten, widersprechen, diese 15 Länder trotzdem - notfalls per § 35 BVerfGG - zur Zustimmung genötigt werden. Das kann so eigentlich nicht richtig/intendiert sein.

Foxxy
20.7.2024, 12:47:22
Hallo, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team