Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2019
Unfall in einer automatisierten Waschanlage
Unfall in einer automatisierten Waschanlage
26. Januar 2025
23 Kommentare
4,7 ★ (28.076 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A und B lassen ihre Autos in einer Waschstraße bei ausgeschaltetem Motor vorwärts ziehen. A fährt kurz hinter B. Aus ungeklärten Gründen löst sich eine Zugvorrichtung am Auto der B, sodass sie stehen bleibt. Um eine Kollision zu vermeiden, bremst A ab. Da die Anlage hierauf nicht eingestellt ist, beschädigt das Gebläse das Auto des A.
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Einordnung des Falls
Unfall in einer automatisierten Waschanlage
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A verlangt Schadensersatz von B. Vorrangig zu prüfen ist § 7 Abs. 1 StVG.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. § 7 Abs. 1 StVG setzt zunächst eine Rechtsgutsverletzung voraus. Diese ist hier gegeben.
Ja, in der Tat!
3. Damit der Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG erfüllt ist, müsste die Sache des Geschädigten bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs beschädigt worden sein.
Ja!
4. Der Unfall hat sich ereignet, weil A die Bremse betätigt hat. Der Unfall hat sich deshalb „bei dem Betrieb des Fahrzeugs“ der B i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG ereignet.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. A kann von B Schadensersatz gemäß § 7 Abs. 1 StVG verlangen.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Auch die §§ 18 StVG, 823, 826 BGB scheiden als Anspruchsgrundlagen aus.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Hajo
5.12.2021, 19:52:03
Laut Sachverhalt hat das Gebläse das Auto des A beschädigt, da er abgebremst hat und die Anlage darauf nicht vorbereitet war. Ich hatte mich daher auf die Prüfung von Ansprüchen des A gegen den Betreiber der Waschanlage eingestellt. MfG
Lukas_Mengestu
6.12.2021, 11:31:09
Hallo Hajo, zwar war das Gebläse für die Beschädigung verantwortlich. Die Beschädigung erfolgte aber letztlich dadurch, dass A gebremst hatte. Die Bremsung wiederum war dadurch ausgelöst, dass A eine Kollision mit B vermeiden wollte. Vermutlich aus diesem Grund, hat A sich mit seiner Klage direkt gegen B gewendet. Problematisch war im Ausgangsfall aber, dass nicht aufgeklärt werden konnte, warum das Zugband unter dem
Fahrzeugdes B weggerutscht ist. A behauptete, B habe gebremst, was nicht bewiesen werden konnte. Für die verschuldensunabhängige Halterhaftung wäre dies zwar nicht notwendig gewesen, allerdings wurde diese mangels Beschädigung "bei Betrieb" gerade abgelehnt. Im Ergebnis wurde die Klage deswegen vollumfänglich abgewiesen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
divenir
16.5.2022, 23:36:40
Was für ein absurdes Ergebnis.
Simon
27.5.2022, 13:20:43
Hätte man in der Klausur noch eine GoA anprüfen können? Abbremsen als tatsächliches Tätigwerden reicht für eine Geschäftsführung, zudem lag grds. ein auch-fremdes-Geschäft vor, da das Vermeiden einer Kollision der
Fahrzeuge auch dem Interessenkreis des B zuzurechnen ist. Entweder würde ich dann hier (ausnahmsweise) die Fremdheit des Geschäfts ablehnen, da A den Schaden an seinem Auto auch im Falle eines Zusammenstoßes hätte tragen müssen. Arg.: GoA dient nicht der Abwälzung von Schäden (casus sentit dominus), sondern soll Geschäftsführer deshalb schadlos stellen, weil er Aufwendungen (iwS) auf sich nimmt, die unter normalen Umständen der Geschäftsherr zu tragen hätte. Oder ich hätte (mit gleicher Begründung) die Erforderlichkeit der Aufwendungen verneint (was ich persönlich überzeugender finde). Oder wäre eine GoA-Prüfung hier abwegig?
Nora Mommsen
23.6.2022, 17:09:48
Hallo Simon, in diesem Fall wurde eine Entscheidung aus der Rechtsprechung nachgebildet, und in dieser wurde GoA überhaupt nicht erwähnt. Ansprechen könntest du es in jedem Fall. Es bleibt aber bekanntermaßen immer eine Entscheidung des
Einzelfalls, die eine genaue Auswertung des Sachverhalts erfordert, inwiefern hier z.B. ein
Fremdgeschäftsführungswillevorliegt oder widerlegt ist. Ein Fall der Aufopferung im Straßenverkehr wird hier im Zusammenhang mit der Ablehnung des "Betriebs des KfZ" ebenfalls abzulehnen sein. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Blackpanther
13.7.2022, 11:45:40
Hätte A die Schäden, wenn er nicht gebremst und B aufgefahren wäre, wirklich selbst tragen müssen? Konsequenterweise müsste bei einem Anspruch B gegen A auch "bei Betrieb" verneint werden. Wenn A auch kein Verschulden trifft, wäre er nicht haftbar. Insofern könnte im Augangsfall eine GoA A gegen B doch durchgehen, oder?
Vanilla Latte
6.8.2024, 03:20:36
Hätte ich auch gedacht. Wenn er sonst nicht auf 7, 18 StVG haftet, dann wäre das Ausweichen eine mögliche GoA, da auch fremd.
cemawo
10.6.2022, 17:27:08
Finde es hier tatsächlich sehr unverständlich, dass bei bloßem Parken die Eigenschaft 'bei Betrieb' bejaht wird, wenn aber sogar eine Funktion des Kfz betätigt wird (die Bremse) auf einmal etwas anderes gelten soll. Ich verstehe beide Argumentationen für sich, aber nebeneinander sind sie überhaupt nicht schlüssig.
cemawo
10.6.2022, 17:30:03
Ich nehme alles zurück, ich habe einfach nur nicht richtig gelesen. Mein Fehler.
evanici
12.9.2023, 12:44:19
Frage mich allerdings gerade, ob die Waschanlage ein Kraft
fahrzeugist und woran die Subsumtion unter der Definition (Land
fahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne dabei an Bahngleise gebunden zu sein) scheitert, an den "Bahngleisen"?
ehemalige:r Nutzer:in
22.9.2023, 12:09:17
Hi :) Wie kommst du hier darauf, die Waschanlage als KFZ zu sehen? Es geht doch um die KFZe von A und B und den Bremsvorgang, nicht um die Waschanlage als solche oder irre ich mich?
julia_purpose
8.11.2023, 18:54:56
Aus dem Wort Kraft
FAHRzeugoder Land
FAHRzeugergibt sich schonmal im Ansatz, dass sich das
Fahrzeugfortbewegen können muss und sich nicht auf der festen Stelle bewegt. Es müsste ein Wasch
fahrzeugsein, keine feste Anlage, dann wäre die Überlegung sinniger. Die Legaldefinition findet sich ja in § 1 Abs. 2 StVG. Bei solchen Überlegungen ist es oft hilfreich, die anderen Absätze der Norm zu lesen. Der Abs. 1 spricht zum Beispiel von in Betrieb nehmen auf öffentlichen Straßen und der dazu benötigten Zulassung, was man mit einer Waschanlage nicht tun kann (sowohl das Bewegen als auch das Zulassen geht nicht). Abs. 3 enthält eine Ausführung darüber, was keine Kraft-/ Land
fahrzeuge sind. Es werden allein schon Land
fahrzeuge ausgeschlossen, bei denen sich die motorische Unterstützung mit zunehmender
Fahrzeuggeschwindigkeit verringert. Eine Waschanlage erreicht erst gar keine Fahrtgeschwindigkeit. Grundsätzlich scheitert die Subsumtion aber meiner Ansicht nach ganz einfach schon daran, dass eine Waschanlage, egal wie man es dreht und wendet, nicht zum Fahren im Straßenverkehr gedacht ist und deshalb das Straßenverkehrsgesetz nicht für sie einschlägig ist. Die Betrachtung solcher als Kraft-/ Land
fahrzeuge erscheint aus diesen Gründen abwegig.
Vanilla Latte
6.8.2024, 03:23:58
Welche Ansprüche hätte A gegen den Betreiber? I. 280 I des "Waschvertrags" (-), kein Verschulden II. GoA EbV usw gibt es nicht III. 823 I (-) kein Verschulden IV.
823 IIiVm 303 StGB (-) kein
VorsatzSonst fällt mir nichts ein
Tobias Krapp
8.8.2024, 15:24:33
Hallo Vanilla Latte, danke für deine Nachfrage. Schwerpunkt der Prüfung wäre §§ 280 I, 241 II BGB. Bei dem Vertrag über die Reinigung eines
Fahrzeugs in einer Waschstraße handelt es sich um einen Werkvertrag. Dabei ist zu beachten, dass der Anlagenbetreiber durch den Betrieb der Waschstraße eine Gefahrenanlage unterhält und der Kunde sich durch den Werkvertrag "in die Hände" des Betreibers begibt. Daher ist der Betreiber grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung am
Fahrzeugdes Kunden - gleich aus welcher Ursache - zu verhindern. Es handelt sich um einen Unterfall einer
Verkehrssicherungspflicht als vertragliche Nebenpflicht (vgl. zum ganzen BGH, Urteil vom 19.7.2018 – VII ZR 251/17; Übungsfall in JuS 2024, 748). Entscheidend ist also, welche Vorkehrungen dem Betreiber zumutbar sind. Die Zumutbarkeit bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen, dem Stand der Technik und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht. Zu den gebotenen Sicherungsvorkehrungen kann auch die Erfüllung von Hinweispflichten gehören. Hier wäre also etwa zu prüfen, ob es nach dem Stand der Technik erforderlich ist, dass die Anlage einen automatischen Notfall-Stopp o.Ä. verbaut hat. Das ist Sachverhalts-Frage, dafür fehlen in unserem Sachverhalt Angaben. Ebenso fehlen Angaben zur Erfüllung von Hinweispflichten. Daneben sollte man in der Klausur noch andenken, ob der Betreiber zu einer kontinuierlichen Überwachung durch den Einsatz einer Videoanlage oder durch Mitarbeiter, die neben dem Schleppband mitlaufen, verpflichtet ist, um notfalls manuell die Anlage zu stoppen. In der AG-Rechtsprechung wurde dies teils bejaht, der BGH hat einer solchen Pflicht aber bereits in dem oben zitierten Urteil als zu weitgehend eine Absage erteilt. Es käme also auf die übrigen aufgeworfenen Fragen nach der Zumutbarkeit der Sicherungsvorkehrungen an. Diese Fragen wären dann auch für den
§ 823I BGB Anspruch (Verletzung einer
Verkehrssicherungspflicht) relevant, wobei hier das Verschulden positiv nachgewiesen werden müsste. Andere Anspruchsgrundlagen, da stimme ich voll zu, greifen nicht. Entscheidend ist also v.a. §§ 280 I, 241 II BGB. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
FalkTG
3.12.2024, 12:39:32
Meinem Verständnis nach kollidiert das hintere
Fahrzeug(A) *nicht* mit dem B sondern mit der Anlage. Die Grafik gibt es aber genau andersrum wieder, was eher verwirrt als hilft.
G0d0fMischief
15.12.2024, 14:21:02
Hey, für ein besseres Systemverständnis wäre es schön, wenn ihr ein allgemeines Schema zur Gefährdungshaftung hinzufügen könntet. Ich arbeite nach folgendem Schema: 1. Erfolg 2. Gefährdungs
tatbestand3. Zurechnung a) Äquivalenze Kausalität b)
Lehre vom Schutzzweck der Norm⇒ Realisierung der typischen Gefahr 4.
ersatzfähiger Schaden5. haftungsausfüllende Kausalität 6. Kein Ausschluss Ich find das immer ganz praktisch, weil man so einen abstrakten Fahrplan hat, der sich auf alle Gefährdungshaftungen übertragen lässt. So hab ich mir auch noch einmal besser verdeutlichen können, was die Prüfungspunkte „Bei Betrieb des Kfz“, „durch das Tier“, „durch den Fehler eines Produkts“ bedeuten. Auch wäre vielleicht eine abstrakte Einheit zur Gefährdungshaftung über die „Pairs Funktion“ sinnvoll, in denen man nochmal die einzelnen Gefährdungsspezifischen Gefahren den jeweiligen Normen zuordnet. Im Zweifel steht das zwar auch im Gesetz, aber so eine Zuordnung hilft finde ich immer nochmal zum vertiefen.
Linne_Karlotta_
16.12.2024, 16:55:10
Hallo G0d0fMischief, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team