Unfall in einer automatisierten Waschanlage
Diesen Fall lösen 79,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A und B lassen ihre Autos in einer Waschstraße bei ausgeschaltetem Motor vorwärts ziehen. A fährt kurz hinter B. Aus ungeklärten Gründen löst sich eine Zugvorrichtung am Auto der B, sodass sie stehen bleibt. Um eine Kollision zu vermeiden, bremst A ab. Da die Anlage hierauf nicht eingestellt ist, beschädigt das Gebläse das Auto des A.
Einordnung des Falls
Unfall in einer automatisierten Waschanlage
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A verlangt Schadensersatz von B. Vorrangig zu prüfen ist § 7 Abs. 1 StVG.
Genau, so ist das!
2. § 7 Abs. 1 StVG setzt zunächst eine Rechtsgutsverletzung voraus. Diese ist hier gegeben.
Ja, in der Tat!
3. Damit der Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG erfüllt ist, müsste die Sache des Geschädigten bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs beschädigt worden sein.
Ja!
4. Der Unfall hat sich ereignet, weil A die Bremse betätigt hat. Der Unfall hat sich deshalb „bei dem Betrieb des Fahrzeugs“ der B i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG ereignet.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. A kann von B Schadensersatz gemäß § 7 Abs. 1 StVG verlangen.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Auch die §§ 18 StVG, 823, 826 BGB scheiden als Anspruchsgrundlagen aus.
Ja!
Jurafuchs kostenlos testen
![Hajo](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__i51eovvjuw9fldzgiv7uizz2i.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Hajo
5.12.2021, 19:52:03
Laut Sachverhalt hat das Gebläse das Auto des A beschädigt, da er abgebremst hat und die Anlage darauf nicht vorbereitet war. Ich hatte mich daher auf die Prüfung von Ansprüchen des A gegen den Betreiber der Waschanlage eingestellt. MfG
![Lukas_Mengestu](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__x133cq1so0il85q8i03wkixhy.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Lukas_Mengestu
6.12.2021, 11:31:09
Hallo Hajo, zwar war das Gebläse für die Beschädigung verantwortlich. Die Beschädigung erfolgte aber letztlich dadurch, dass A gebremst hatte. Die Bremsung wiederum war dadurch ausgelöst, dass A eine Kollision mit B vermeiden wollte. Vermutlich aus diesem Grund, hat A sich mit seiner Klage direkt gegen B gewendet. Problematisch war im Ausgangsfall aber, dass nicht aufgeklärt werden konnte, warum das Zugband unter dem Fahrzeug des B weggerutscht ist. A behauptete, B habe gebremst, was nicht bewiesen werden konnte. Für die verschuldensunabhängige Halterhaftung wäre dies zwar nicht notwendig gewesen, allerdings wurde diese mangels Beschädigung "bei Betrieb" gerade abgelehnt. Im Ergebnis wurde die Klage deswegen vollumfänglich abgewiesen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
divenir
16.5.2022, 23:36:40
Was für ein absurdes Ergebnis.
![Simon](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__mpwftaezmgoblr0ksqhyx9i41.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Simon
27.5.2022, 13:20:43
Hätte man in der Klausur noch eine GoA anprüfen können? Abbremsen als tatsächliches Tätigwerden reicht für eine Geschäftsführung, zudem lag grds. ein auch-fremdes-Geschäft vor, da das Vermeiden einer Kollision der Fahrzeuge auch dem Interessenkreis des B zuzurechnen ist. Entweder würde ich dann hier (ausnahmsweise) die Fremdheit des Geschäfts ablehnen, da A den Schaden an seinem Auto auch im Falle eines Zusammenstoßes hätte tragen müssen. Arg.: GoA dient nicht der Abwälzung von Schäden (casus sentit dominus), sondern soll Geschäftsführer deshalb schadlos stellen, weil er Aufwendungen (iwS) auf sich nimmt, die unter normalen Umständen der Geschäftsherr zu tragen hätte. Oder ich hätte (mit gleicher Begründung) die Erforderlichkeit der Aufwendungen verneint (was ich persönlich überzeugender finde). Oder wäre eine GoA-Prüfung hier abwegig?
![Nora Mommsen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__1g4ube287wphue6xpdn8yy675.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Nora Mommsen
23.6.2022, 17:09:48
Hallo Simon, in diesem Fall wurde eine Entscheidung aus der Rechtsprechung nachgebildet, und in dieser wurde GoA überhaupt nicht erwähnt. Ansprechen könntest du es in jedem Fall. Es bleibt aber bekanntermaßen immer eine Entscheidung des Einzelfalls, die eine genaue Auswertung des Sachverhalts erfordert, inwiefern hier z.B. ein Fremdgeschäftsführungswille vorliegt oder widerlegt ist. Ein Fall der Aufopferung im Straßenverkehr wird hier im Zusammenhang mit der Ablehnung des "Betriebs des KfZ" ebenfalls abzulehnen sein. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
![Blackpanther](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__688ix7npg174awd2cyl4j3985.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Blackpanther
13.7.2022, 11:45:40
Hätte A die Schäden, wenn er nicht gebremst und B aufgefahren wäre, wirklich selbst tragen müssen? Konsequenterweise müsste bei einem Anspruch B gegen A auch "bei Betrieb" verneint werden. Wenn A auch kein Verschulden trifft, wäre er nicht haftbar. Insofern könnte im Augangsfall eine GoA A gegen B doch durchgehen, oder?
cemawo
10.6.2022, 17:27:08
Finde es hier tatsächlich sehr unverständlich, dass bei bloßem Parken die Eigenschaft 'bei Betrieb' bejaht wird, wenn aber sogar eine Funktion des Kfz betätigt wird (die Bremse) auf einmal etwas anderes gelten soll. Ich verstehe beide Argumentationen für sich, aber nebeneinander sind sie überhaupt nicht schlüssig.
cemawo
10.6.2022, 17:30:03
Ich nehme alles zurück, ich habe einfach nur nicht richtig gelesen. Mein Fehler.
evanici
12.9.2023, 12:44:19
Frage mich allerdings gerade, ob die Waschanlage ein Kraftfahrzeug ist und woran die Subsumtion unter der Definition (Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne dabei an Bahngleise gebunden zu sein) scheitert, an den "Bahngleisen"?
![Benny0707](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__ofsolypjnzksbdfewitay.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Benny0707
22.9.2023, 12:09:17
Hi :) Wie kommst du hier darauf, die Waschanlage als KFZ zu sehen? Es geht doch um die KFZe von A und B und den Bremsvorgang, nicht um die Waschanlage als solche oder irre ich mich?
![julia_purpose](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__6lw84rrwnbh73wep1j07utski.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
julia_purpose
8.11.2023, 18:54:56
Aus dem Wort KraftFAHRzeug oder LandFAHRzeug ergibt sich schonmal im Ansatz, dass sich das Fahrzeug fortbewegen können muss und sich nicht auf der festen Stelle bewegt. Es müsste ein Waschfahrzeug sein, keine feste Anlage, dann wäre die Überlegung sinniger. Die Legaldefinition findet sich ja in § 1 Abs. 2 StVG. Bei solchen Überlegungen ist es oft hilfreich, die anderen Absätze der Norm zu lesen. Der Abs. 1 spricht zum Beispiel von in Betrieb nehmen auf öffentlichen Straßen und der dazu benötigten Zulassung, was man mit einer Waschanlage nicht tun kann (sowohl das Bewegen als auch das Zulassen geht nicht). Abs. 3 enthält eine Ausführung darüber, was keine Kraft-/ Landfahrzeuge sind. Es werden allein schon Landfahrzeuge ausgeschlossen, bei denen sich die motorische Unterstützung mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit verringert. Eine Waschanlage erreicht erst gar keine Fahrtgeschwindigkeit. Grundsätzlich scheitert die Subsumtion aber meiner Ansicht nach ganz einfach schon daran, dass eine Waschanlage, egal wie man es dreht und wendet, nicht zum Fahren im Straßenverkehr gedacht ist und deshalb das Straßenverkehrsgesetz nicht für sie einschlägig ist. Die Betrachtung solcher als Kraft-/ Landfahrzeuge erscheint aus diesen Gründen abwegig.