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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A meldet am 10.4. eine Versammlung für den 18.4. an. Dabei wollen 50 Personen gegen Corona-Beschränkungen demonstrieren. Die Behörde lehnt pauschal ab, da die Versammlung nach der BWCoronaVO verboten sei. A begehrt vor den Verwaltungsgerichten erfolglos eine Ausnahmegenehmigung.

Einordnung des Falls

Corona: Milderes Mittel als Versammlungsverbot

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Statthafte Antragsart vor dem BVerfG ist ein Antrag des A auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32 Abs. 1 BVerfGG).

Genau, so ist das!

Richtig – nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das BVerfG im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist (RdNr. 11). Dabei legt das BVerfG einen strengen Prüfungsmaßstab an.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) ist unbegründet, wenn eine Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre.

Ja, in der Tat!

Im Rahmen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Dies sei laut BVerfG vorliegend nicht der Fall (RdNr. 11).

3. Bei offenem Ausgang der Verfassungsbeschwerde findet grundsätzlich keine summarische Prüfung statt, sondern eine Folgenabwägung (sog. Doppelhypothese).

Ja!

Ist der Ausgang der Verfassungsbeschwerde offen, prüft das BVerfG die Notwendigkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung mit einer Folgenabwägung nach der sog. Doppelhypothese. Die Doppelhypothese verlangt eine Abwägung zwischen den Folgen des Ergehens der einstweiligen Anordnung bei Erfolglosigkeit der Verfassungsbeschwerde und den Folgen einer Versagung der einstweiligen Anordnung bei erfolgreicher Verfassungsbeschwerde.

4. Ausnahmsweise prüft das BVerfG auch bei offenem Ausgang die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde, wenn die Entscheidung in der Hauptsache zu spät käme.

Genau, so ist das!

BVerfG: Die erkennbaren Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde seien ausnahmsweise zu berücksichtigen, wenn die angegriffenen Beschlüsse im Eilverfahren ergangen sind und die Entscheidung in der Hauptsache deshalb vorwegnehmen. Bei Verweigerung einstweiligen Rechtsschutzes könne die behauptete Rechtsverletzung nicht mehr rückgängig gemacht werden. Käme es in solchen Fällen lediglich zu einer Folgenabwägung, würde sich stets das abstrakt gewichtigere Rechtsgut durchsetzen – dies würde den Grundrechtsschutz vereiteln und widerspräche damit der Aufgabe des BVerfG, die Beachtung der Grundrechte zu sichern (RdNr. 13).

5. Im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) sind somit ausnahmsweise die Erfolgsaussichten der Hauptsache zu berücksichtigen.

Ja, in der Tat!

BVerfG: Ein Abwarten bis zum Abschluss der Hauptsache würde den Versammlungszweck mit hoher Wahrscheinlichkeit vereiteln, denn dieser richte sich gerade gegen die Beschränkungen der zeitlich befristeten BWCoronaVO. A drohe ein nicht mehr korrigierbarer Rechtsverlust. Deshalb seien hier die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde zu berücksichtigen: Ergibt die Prüfung im Eilverfahren, dass eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet wäre, läge in der Nichtgewährung von Rechtsschutz der schwere Nachteil für das gemeine Wohl (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) (RdNr. 14, 16).

6. Die von A geplante Versammlung ist vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) erfasst.

Ja!

BVerfG: „Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen“. Durch die geplante Versammlung des A sollten bestimmte Überzeugungen und Standpunkte über die Corona-Pandemie nach außen kundgemacht werden. Damit ist der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) eröffnet.

7. Die verwaltungsgerichtliche Versagung einer Ausnahme stellt einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar.

Genau, so ist das!

Richtig! Beschränkungen der Versammlungsfreiheit sind dabei stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung auszulegen, die die Versammlungsfreiheit für das demokratische Gemeinwesen innehat. Eingriffe in Art. 8 Abs. 1 GG sind daher nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig.

8. Die verwaltungsgerichtliche Versagung einer Ausnahme ist bereits deshalb ungerechtfertigt, weil die BWCoronaVO die Ausübung der Versammlungsfreiheit einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterwirft.

Nein, das trifft nicht zu!

Es ist problematisch, dass die Rechtsgrundlage in der BWCoronaVO die Ausübung der Versammlungsfreiheit einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterwirft. Denn Art. 8 Abs. 1 GG bestimmt ausdrücklich: Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis zu versammeln. Dazu das BVerfG: Im verfassungsgerichtlichen Eilverfahren müsse offen bleiben, ob es überhaupt von Art. 8 Abs. 1 GG gedeckt sei, die Ausübung der Versammlungsfreiheit durch Rechtsverordnung einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu unterwerfen. Die Klärung dieser schwierigen Rechtsfrage sei dem Hauptverfahren vorbehalten (Rdnr. 23).

9. Die Erteilung einer Ausnahme vom Versammlungsverbot steht im Ermessen der Behörde (§ 3 Abs. 6 BWCoronaVO). Die Ermessensausübung muss der Versammlungsfreiheit des A hinreichend Rechnung tragen.

Ja!

Dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit muss im Rahmen der Ermessensausübung hinreichend Rechnung getragen werden. BVerfG: Dies erfordere v.a. eine hinreichende Berücksichtigung der Einzelfallumstände (Teilnehmerzahl, Ort, Schutzmaßnahmen usw.). Pauschale Erwägungen, die jeder Versammlung entgegengehalten werden könnten, werden diesen Anforderungen nicht gerecht (RdNr. 23).

10. Der pauschale Hinweis auf das Versammlungsverbot stellt eine fehlerhafte Ermessensausübung seitens der Behörde dar, da die Versammlungsfreiheit des A nicht hinreichend berücksichtigt wurde.

Genau, so ist das!

BVerfG: Der Zulassungsvorbehalt in § 3 Abs. 6 BWCoronaVO liefe weitgehend leer, wenn der Behörde erlaubt wäre, die Verhinderung der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus pauschal als Begründung für die Nichtzulassung einer Versammlung anzuführen. Vor der Beschränkung der Versammlungsfreiheit müsse sich die Behörde um eine kooperative Lösung bemühen, z.B. indem über die Durchführung der Versammlung unter bestimmten Auflagen diskutiert wird. Hier habe die Behörde jedoch keine Überlegungen angestellt, um das Infektionsrisiko auf ein in Abwägung mit Art. 8 GG vertretbares Maß zu reduzieren (RdNr. 24ff.).

11. Ein starker Anstieg der Corona-Infektionszahlen befreit die Versammlungsbehörde von der Pflicht zur vollständigen Ermessensausübung.

Nein, das trifft nicht zu!

Nein! BVerfG: Auch der starke Anstieg der Infektionszahlen befreie nicht davon, vor der Versagung einer Versammlung möglichst alle in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen in Betracht zu ziehen und sich so um eine Lösung zu bemühen, die die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem Ziel des Infektionsschutzes (staatliche Schutzpflicht für Leib und Leben, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) ermöglicht (RdNr. 27). Die Behörde wird somit verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des BVerfG erneut über die von A angemeldete Versammlung zu entscheiden.

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