Örtliche Zusammenkunft: Ausgangsfall

24. November 2024

4,7(22.809 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A und B wollen gemeinsam gegen einen Hochhausneubau demonstrieren. Als A allein vor der Baustelle lautstark protestiert und Polizist P ihn zur Mäßigung aufruft, entgegnet A, dies sei eine Versammlung und B protestiere von Zuhause aus.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Örtliche Zusammenkunft: Ausgangsfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Eröffnung des sachlichen Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG setzt das Vorliegen einer Versammlung voraus.

Genau, so ist das!

Nach dem Versammlungsbegriff ist eine Versammlung (1) eine örtliche Zusammenkunft (2) mehrerer Personen (3) zu einem gemeinsamen Zweck.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die nach dem Versammlungsbegriff vorausgesetzte örtliche Zusammenkunft erfordert die körperliche Präsenz mehrerer Personen an einem Ort.

Ja, in der Tat!

Das Merkmal der örtlichen Zusammenkunft setzt die körperliche Präsenz mehrerer Personen an einem Ort voraus. Dies wird am Wortlaut "sich versammeln" festgemacht und teleologisch damit begründet, dass das Einstehen der Versammlungsteilnehmer für den gemeinsamen Zweck mit dem eigenen Körper in voller Öffentlichkeit und ohne Zwischenschaltung von Medien eine erhöhte Verwundbarkeit beinhaltet, die einen besonderen Schutz erfordert.

3. Der vom gemeinsamen Willen getragene Protest von A und B gegen den Hochhausneubau erfüllt das Merkmal der örtlichen Zusammenkunft.

Nein!

Um das Merkmal der örtlichen Zusammenkunft zu erfüllen, müssten A und B zur gleichen Zeit am gleichen Ort körperlich zusammenkommen. Es reicht nicht aus, dass sie den gleichen Zweck verfolgen und nur A ihn - sozusagen für A und B zusammen - durch seine alleinige physische Präsenz am Ort zum Ausdruck bringt. Mangels örtlicher Zusammenkunft mehrerer Personen - A alleine erfüllt nicht die für eine Versammlung erforderliche Personenzahl (nach Rspr. und h.M. zwei Personen) - liegt eine Versammlung nicht vor.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IUS

iustus

31.5.2021, 21:25:08

Heißt also, dass zB Autodemos zur Coronapolitik ne Demo sind, aber zB „leere Stühle“ aufstellen am Pariser Platz der Gastwirte mit Namen drauf, nicht. Wie ließe sich dann Letzteres rechtfertigen? Via Kunstfreiheit?

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

31.5.2021, 21:51:10

Hallo iustus. Danke für deine Frage. Ganz genau. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit greift nur für diejenigen, die sich auch unter Einsatz ihrer Person körperlich versammeln zu einem bestimmten Zweck. Dies ist auch sachgerecht. Für andere Konstellationen bieten ja die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit (einschlägig im von Dir genannten Beispiel der leeren Stühle) hinreichenden verfassungsrechtlichen Schutz. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

IUS

iustus

31.5.2021, 21:58:34

Alles tutti. Danke! :)

GEAS

Geasoph

22.9.2021, 17:16:00

Das Erfordernis der physischen Anwesenheit entspricht zwar der traditionellen Ansicht, wird aber heute zum Teil auch anders vertreten. Es wäre also ganz cool, wenn die heute vertretene Auffassung auch noch mit einbezogen werden könnte! LG

TAME

Tamer

9.12.2021, 23:31:42

Ich möchte noch anmerken, dass die Idee eine Online-Demonstation abzuhalten keineswegs neu ist. So wurde beispielsweise im Jahr 2001 dazu aufgerufen am Tag der Hauptversammlung der Lufthansa deren Website zu blockieren, um gegen die Beteiligung der Lufthansa bei staatlichen Abschiebungen zu demonstrieren. Also eine Art "virtuelle Sitzblockade" abzuhalten. Die Demonstration wurde sogar beim Ordnungsamt angemeldet. Als Versammlungsort gaben die Initiatoren zudem die Homepage der Lufthansa an. Der ganze Fall mündete auch in einem Strafverfahren wegen Nötigung (OLG Frankfurt, 22.05.2006 - 1 Ss 319/05). (Ergebnis: keine Nötigung) Vor dem Hintergrund, dass angedacht wird Hauptversammlungen in Zukunft (auch nach der Corona-Pandemie) vielleicht sogar komplett digital abhalten zu können, kann ich mir gut vorstellen, dass das BVerfG irgendwann über die "virtuellen Sitzblockade" einer HV zu befinden hat. Man darf gespannt sein :) LG Tamer

TAME

Tamer

9.12.2021, 23:45:39

Hab gerade gesehen, dass ihr noch sehr ausführlich auf die o.g. Lufthansa Entscheidung eingegangen seid. Ihr könnt meinen Kommentar daher gerne als redundant einstufen ;)


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen