Öffentliches Recht
Grundrechte
Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG)
Örtliche Zusammenkunft: Ausgangsfall
Örtliche Zusammenkunft: Ausgangsfall
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A und B wollen gemeinsam gegen einen Hochhausneubau demonstrieren. Als A allein vor der Baustelle lautstark protestiert und Polizist P ihn zur Mäßigung aufruft, entgegnet A, dies sei eine Versammlung und B protestiere von Zuhause aus.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Örtliche Zusammenkunft: Ausgangsfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Eröffnung des sachlichen Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG setzt das Vorliegen einer Versammlung voraus.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die nach dem Versammlungsbegriff vorausgesetzte örtliche Zusammenkunft erfordert die körperliche Präsenz mehrerer Personen an einem Ort.
Ja, in der Tat!
3. Der vom gemeinsamen Willen getragene Protest von A und B gegen den Hochhausneubau erfüllt das Merkmal der örtlichen Zusammenkunft.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
iustus
31.5.2021, 21:25:08
Heißt also, dass zB Autodemos zur Coronapolitik ne Demo sind, aber zB „leere Stühle“ aufstellen am Pariser Platz der Gastwirte mit Namen drauf, nicht. Wie ließe sich dann Letzteres rechtfertigen? Via Kunstfreiheit?
Wendelin Neubert
31.5.2021, 21:51:10
Hallo iustus. Danke für deine Frage. Ganz genau. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit greift nur für diejenigen, die sich auch unter Einsatz ihrer Person körperlich versammeln zu einem bestimmten Zweck. Dies ist auch sachgerecht. Für andere Konstellationen bieten ja die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit (einschlägig im von Dir genannten Beispiel der leeren Stühle) hinreichenden verfassungsrechtlichen Schutz. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
iustus
31.5.2021, 21:58:34
Alles tutti. Danke! :)
Geasoph
22.9.2021, 17:16:00
Das Erfordernis der physischen Anwesenheit entspricht zwar der traditionellen Ansicht, wird aber heute zum Teil auch anders vertreten. Es wäre also ganz cool, wenn die heute vertretene Auffassung auch noch mit einbezogen werden könnte! LG
Tamer
9.12.2021, 23:31:42
Ich möchte noch anmerken, dass die Idee eine Online-Demonstation abzuhalten keineswegs neu ist. So wurde beispielsweise im Jahr 2001 dazu aufgerufen am Tag der Hauptversammlung der Lufthansa deren Website zu blockieren, um gegen die Beteiligung der Lufthansa bei staatlichen Abschiebungen zu demonstrieren. Also eine Art "virtuelle Sitzblockade" abzuhalten. Die Demonstration wurde sogar beim Ordnungsamt angemeldet. Als Versammlungsort gaben die Initiatoren zudem die Homepage der Lufthansa an. Der ganze Fall mündete auch in einem Strafverfahren wegen Nötigung (OLG Frankfurt, 22.05.2006 - 1 Ss 319/05). (Ergebnis: keine Nötigung) Vor dem Hintergrund, dass angedacht wird Hauptversammlungen in Zukunft (auch nach der Corona-Pandemie) vielleicht sogar komplett digital abhalten zu können, kann ich mir gut vorstellen, dass das BVerfG irgendwann über die "virtuellen Sitzblockade" einer HV zu befinden hat. Man darf gespannt sein :) LG Tamer
Tamer
9.12.2021, 23:45:39
Hab gerade gesehen, dass ihr noch sehr ausführlich auf die o.g. Lufthansa Entscheidung eingegangen seid. Ihr könnt meinen Kommentar daher gerne als redundant einstufen ;)