Öffentliches Recht

Grundrechte

Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG)

Örtliche Zusammenkunft (2): Liveübertragung

Örtliche Zusammenkunft (2): Liveübertragung

25. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 500 Mitglieder des Vereins „Spritzenwitz“ demonstrieren in Freiburg gegen eine Impfpflicht für Masern. Redner A kann aus Zeitgründen nur per Videoübertragung auftreten. Er meint, er falle als Versammlungsteilnehmer in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG.

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Einordnung des Falls

Örtliche Zusammenkunft (2): Liveübertragung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Demonstration der 500 Mitglieder des Vereins „Spritzenwitz“ gegen eine Impfpflicht für Masern stellt eine Versammlung dar.

Ja!

Die Demonstration vereint mehr als zwei Personen, die körperlich an einem Ort präsent sind und damit eine örtliche Zusammenkunft darstellen. Sie verfolgen auch einen gemeinsamen Zweck, den Protest gegen eine Masern-Impfpflicht. Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ist für die Demonstrationsteilnehmer eröffnet.
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2. Die Eröffnung des sachlichen Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG setzt das Vorliegen einer Versammlung voraus.

Genau, so ist das!

Nach dem Versammlungsbegriff ist eine Versammlung (1) eine örtliche Zusammenkunft (2) mehrerer Personen (3) zu einem gemeinsamen Zweck.

3. In den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fallen auch Teilnehmer einer Versammlung, die wie A per Videoübertragung zugeschaltet sind.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Merkmal der örtlichen Zusammenkunft setzt die körperliche Präsenz mehrerer Personen an einem Ort voraus. Dies wird am Wortlaut "sich versammeln" festgemacht und teleologisch damit begründet, dass das Einstehen der Versammlungsteilnehmer für den gemeinsamen Zweck mit dem eigenen Körper in voller Öffentlichkeit und ohne Zwischenschaltung von Medien eine erhöhte Verwundbarkeit beinhaltet, die einen besonderen Schutz erfordert. Dies ist bei Telefon- oder Videokonferenzen, virtuellen "Internet-Demonstrationen" auf Social-Media-Plattformen oder in Chatrooms, wo die Teilnehmer gerade nicht körperlich anwesend sind, nicht der Fall. Sie sind hinreichend durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt. Unerheblich ist, dass andere Personen - hier die 500 Impfgegner - ihrerseits bereits eine Versammlung darstellen, an der Dritte - hier A - per Fernkommunikation teilnehmen. Aufgrund der fehlenden körperlichen Präsenz ist der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG für A nicht eröffnet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JURA

Juranus

4.12.2020, 14:32:53

Könnte man das zumindest strittig sehen? Denn Art. 8 schützt doch die Möglichkeit, mit anderen Personen eine aufmerksamkeitswirksame Meinungsbildung nach Außen zu betreiben. Das macht A doch auch, nur das er sich gewissermaßen eines Werkzeuges bedient, um seine körperliche Präsenz zu ersetzen. Doch auch der technische Aufbau könnte beispielsweise von der Polizei entfernt werden, so dass A nicht mehr an der Meinungsbildung der sogar schon unstrittig bestehenden Versammlung partizipieren kann.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

6.12.2020, 14:42:36

Hallo Juranus, eine sehr kleine Mindermeinung sieht das so wie du (vgl. Pötters/Werkmeister, Jura 2013, 5 (9)). Die ganz hM lehnt das mit dem BVerfG (NVwZ 2011, 422 (423)) ab.


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