Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB bei schwerwiegender Gebrauchsbeeinträchtigung (Einschließung)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A parkt sein Fahrzeug auf einem gekennzeichneten Parkplatz. B stellt ihr Auto so vor das Fahrzeug des A, dass dieser über Stunden nicht ausparken kann. A fährt frustriert mit dem Taxi nach Hause.
Einordnung des Falls
Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB bei schwerwiegender Gebrauchsbeeinträchtigung (Einschließung)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat das Eigentum des A verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB), indem sie das Auto des A zugeparkt hat.
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GracyLou
19.10.2020, 16:32:40
Mir ist nicht klar wieso dann nach BGH 08.07.1976 (Deliktsrechteinheit davor) eine Eigetnumsverletzung der Druckerei verneint wird? Sie kann ja auch über Nacht, also mehrere Stunden ihre Maschinen nicht nutzen. Ebenso wie hier der Herr mit dem eingeparkten Auto.

Lukas_Mengestu
21.7.2021, 10:34:21
Hallo GraceyLou, vielen Dank für die klasse Nachfrage! Die Antwort hierauf ist leider weniger befriedigend. Wie JoBl im parallelen Thread schon richtig ausgeführt hat, beschäftigt sich der BGH in dem Druckerei-Fall aus dem Jahr 1976 (inkonsequenterweise) nur oberflächlich mit dem Eigentum und lehnt eine Verletzung schlicht mit der Begründung ab, es sei ja nichts beschädigt oder zerstört worden. Mit der Frage der Nutzungsbeeinträchtigung beschäftigt er sich überhaupt nicht, was umso mehr verwundert, als nur wenige Jahre zuvor (1970) in der sogenannten "Fleet-Entscheidung" (BGH NJW 1971, 886) vom BGH entschieden worden war, dass eben nicht nur eine Beeinträchtigung der Substanz, sondern auch eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit als Eigentumsverletzung qualifiziert werden kann. Danach liege eine Eigentumsverletzung bei einer Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs dann vor, wenn auf die Sache selbst eingewirkt und dadurch der bestimmungsgemäße Gebrauch vollständig entzogen wird. Es komme also auf die Intensität der Nutzungsbeeinträchtigung an: Ist die Verwendungsfähigkeit der Sache praktisch aufgehoben und entspricht die Beeinträchtigung damit einem Sachentzug, wird die Eigentumsverletzung bejaht, ist dagegen nur eine bestimmte Verwendungsmodalität bzw. eine Mehrzahl von Verwendungszwecken, die das Einsatzpotential nicht erschöpfen, ausgeschlossen, liege keine Eigentumsverletzung vor. Vielmehr liege dann primär ein Eingriff in die (deliktsrechtlich grundsätzlich nicht geschützte) Handlungsfreiheit vor. Wann die Erheblichkeitsschwelle überschritten ist, ist dann wieder eine Frage des Einzelfalls. Im Druckereifall beschäftigte der BGH sich leider primär mit der Frage, ob hier ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb besteht. Diesen lehnte er im Ergebnis mit der Begründung ab, dass es an der Betriebsbezogenheit des Eingriffes fehlt. Eine Stellungnahme bzgl. der Erheblichkeit der Nutzungseinschränkung fehlt gänzlich. Dies wurde auch in der Literatur kritisiert (vgl. zB Möschel, Der Schutzbereich des Eigentums nach § 823 Abs. 1 BGB, Jus 1977, 1; BeckOGK/Spindler, 1.5.2021, BGB, § 823 Rn. 136). Grundsätzlich hätte man hier aber durchaus auch argumentieren können, dass die Erheblichkeitsschwelle noch nicht überschritten wurde, wenn lediglich wenige Stunden die Stromzufuhr unterbrochen war (aA vertretbar). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
JoBl
24.11.2020, 08:37:36
@GracyLou: Soweit ersichtlich beschäftigt sich der BGH in dem Stromkabel von 1958 überhaupt nicht mit dem RG Eigentum, sondern mit dem Recht am euaGB. Sachentscheidend ist eine ausführliche Auseinandersetzung mit dessen Voraussetzungen.

Lukas_Mengestu
21.7.2021, 10:37:02
Vielen Dank für den Hinweis, JoBl. Du hast absolut recht, der BGH thematisiert das Eigentum lediglich in einem einzigen Satz. Ganz konsequent ist dies indes nicht, da er nur wenige Jahre zuvor geurteilt hatte, dass auch eine Entziehung der Nutzungsmöglichkeit einer Eigentumsverletzung in bestimmten Fällen gleichstehen kann. Insofern wäre es durchaus wünschenswert gewesen, wenn er hierzu in den sog. "Stromkabel-Fällen", die mit Produktionsausfällen verbunden waren, Stellung bezogen hätte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Prokurist
14.11.2022, 22:23:21
Der Unterschied zum vorherigen Fall mit dem „Unfall in Berlin“ liegt dann hier also insbesondere in der längeren Zeit, die der Eigentümer sein Auto nicht nutzen kann? In beiden Fällen kann der Eigentümer das Auto ja überhaupt nicht mehr fortbewegen, also keine andere Route wählen.

Nora Mommsen
15.11.2022, 12:10:47
Hallo Alexander, genau genommen gibt es zwei Aspekte, die zu einer unterschiedlichen Bewertung führen: zum einen natürlich der von dir angesprochene Zeitaspekt. Zwischen einer halben Stunde und mehreren Stunden ist ein deutlicher Unterschied. Zum anderen die Ursache: vorliegend wurde A durch B so zugeparkt, dass sie ihr Auto gar nicht mehr bewegen konnte und zudem war nur A davon betroffen. In dem "Berliner Unfall" Fall entstand durch einen Verkehrsunfall ein Stau. Dort ist es in der Regel möglich Ausweichrouten zu nutzen. Zudem gehört es zum allgemeinen Lebensrisiko, dass man mal im Verkehr stecken bleibt aufgrund eines Staus. Auch dies führt zu der unterschiedlichen Bewertung. Liebe Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team