Zivilrecht
Deliktsrecht
§ 823 Abs. 1 BGB
Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB bei schwerwiegender Gebrauchsbeeinträchtigung (Einschließung)
Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB bei schwerwiegender Gebrauchsbeeinträchtigung (Einschließung)
11. Mai 2025
9 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A parkt sein Fahrzeug auf einem gekennzeichneten Parkplatz. B stellt ihr Auto so vor das Fahrzeug des A, dass dieser über Stunden nicht ausparken kann. A fährt frustriert mit dem Taxi nach Hause.
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Einordnung des Falls
Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB bei schwerwiegender Gebrauchsbeeinträchtigung (Einschließung)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat das Eigentum des A verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB), indem sie das Auto des A zugeparkt hat.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GracyLou
19.10.2020, 16:32:40
Mir ist nicht klar wieso dann nach BGH 08.07.1976 (Deliktsrechteinheit davor) eine Eigetnumsverletzung der Druckerei verneint wird? Sie kann ja auch über Nacht, also mehrere Stunden ihre Maschinen nicht nutzen. Ebenso wie hier der Herr mit dem eingeparkten Auto.

Lukas_Mengestu
21.7.2021, 10:34:21
Hallo GraceyLou, vielen Dank für die klasse Nachfrage! Die Antwort hierauf ist leider weniger befriedigend. Wie JoBl im parallelen Thread schon richtig ausgeführt hat, beschäftigt sich der BGH in dem Druckerei-Fall aus dem Jahr 1976 (inkonsequenterweise) nur oberflächlich mit dem Eigentum und lehnt eine Verletzung schlicht mit der Begründung ab, es sei ja nichts beschädigt oder zerstört worden. Mit der Frage der Nutzungsbeeinträchtigung beschäftigt er sich überhaupt nicht, was umso mehr verwundert, als nur wenige Jahre zuvor (1970) in der sogenannten "Fleet-Entscheidung" (BGH NJW 1971, 886) vom BGH entschieden worden war, dass eben nicht nur eine Beeinträchtigung der Substanz, sondern auch eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit als Eigentumsverletzung qualifiziert werden kann. Danach liege eine Eigentumsverletzung bei einer Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs dann vor, wenn auf die Sache selbst eingewirkt und dadurch der bestimmungsgemäße Gebrauch vollständig entzogen wird. Es komme also auf die Intensität der Nutzungsbeeinträchtigung an: Ist die
Verwendungsfähigkeit der Sache praktisch aufgehoben und entspricht die Beeinträchtigung damit einem Sachentzug, wird die Eigentumsverletzung bejaht, ist dagegen nur eine bestimmte
Verwendungsmodalität bzw. eine Mehrzahl von
Verwendungszwecken, die das Einsatzpotential nicht erschöpfen, ausgeschlossen, liege keine Eigentumsverletzung vor. Vielmehr liege dann primär ein Eingriff in die (delikts
rechtlich grundsätzlich nicht geschützte) Handlungsfreiheit vor. Wann die
Erheblichkeitsschwelleüberschritten ist, ist dann wieder eine Frage des Einzelfalls. Im Druckereifall beschäftigte der BGH sich leider primär mit der Frage, ob hier ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb besteht. Diesen lehnte er im Ergebnis mit der Begründung ab, dass es an der Betriebsbezogenheit des Eingriffes fehlt. Eine Stellungnahme bzgl. der Erheblichkeit der Nutzungseinschränkung fehlt gänzlich. Dies wurde auch in der Literatur kritisiert (vgl. zB Möschel, Der Schutzbereich des Eigentums nach § 823 Abs. 1 BGB, Jus 1977, 1; BeckOGK/Spindler, 1.5.2021, BGB, § 823 Rn. 136). Grundsätzlich hätte man hier aber durchaus auch argumentieren können, dass die
Erheblichkeitsschwellenoch nicht überschritten wurde, wenn lediglich wenige Stunden die Stromzufuhr unterbrochen war (aA vertretbar). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
JoBl
24.11.2020, 08:37:36
@GracyLou: Soweit ersichtlich beschäftigt sich der BGH in dem Stromkabel von 1958 überhaupt nicht mit dem RG Eigentum, sondern mit dem Recht am euaGB. Sachentscheidend ist eine ausführliche Auseinandersetzung mit dessen Voraussetzungen.

Lukas_Mengestu
21.7.2021, 10:37:02
Vielen Dank für den Hinweis, JoBl. Du hast absolut recht, der BGH thematisiert das Eigentum lediglich in einem einzigen Satz. Ganz konsequent ist dies indes nicht, da er nur wenige Jahre zuvor geurteilt hatte, dass auch eine Entziehung der Nutzungsmöglichkeit einer Eigentumsverletzung in bestimmten Fällen gleichstehen kann. Insofern wäre es durchaus wünschenswert gewesen, wenn er hierzu in den sog. "Stromkabel-Fällen", die mit Produktionsausfällen verbunden
waren, Stellung bezogen hätte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Prokurist
14.11.2022, 22:23:21
Der Unterschied zum vorherigen Fall mit dem „Unfall in Berlin“ liegt dann hier also insbesondere in der längeren Zeit, die der Eigentümer sein Auto nicht nutzen kann? In beiden Fällen kann der Eigentümer das Auto ja überhaupt nicht mehr fortbewegen, also keine andere Route wählen.

Nora Mommsen
15.11.2022, 12:10:47
Hallo Alexander, genau genommen gibt es zwei Aspekte, die zu einer unterschiedlichen Bewertung führen: zum einen natürlich der von dir angesprochene Zeitaspekt. Zwischen einer halben Stunde und mehreren Stunden ist ein deutlicher Unterschied. Zum anderen die Ursache: vorliegend wurde A durch B so zugeparkt, dass sie ihr Auto gar nicht mehr bewegen konnte und zudem war nur A davon betroffen. In dem "Berliner Unfall" Fall entstand durch einen
Verkehrsunfallein Stau. Dort ist es in der Regel möglich Ausweichrouten zu nutzen. Zudem gehört es zum allgemeinen Lebensrisiko, dass man mal im Verkehr stecken bleibt aufgrund eines Staus. Auch dies führt zu der unterschiedlichen Bewertung. Liebe Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Jopies
2.2.2024, 16:58:35
Frage: die dargestellten Fälle betreffen ja überwiegend Fahrlässigkeitskonstellationen. Ist eine Erheblichkeit in der Dauer oder dem Umfang auch zu fordern, wenn der Schädiger
vorsätzlicheine Nutzungsmöglichkeit ausschließt (u.U. auch nur relativ kurzzeitig), dem anderen Teil trotzdem ein
Schadenentsteht.
Leo Lee
3.2.2024, 13:41:27
Hallo Jopies, vielen Dank für diese sehr gute Frage! Die Kombination aus zeitlicher Erheblichkeit und Beeinträchtigung des bestimmungsgem. Gebrauchs hängen zumindest lt. Lit. und Rspr. (hier finden sich dazu keine Anhaltspunkte) nicht mit dem
Vorsatzoder der Fahrlässigkeit zusammen. Die Erheblichkeit wird dann relevant, wenn die
Verwendungsfähigkeit nicht praktisch aufgehoben ist, aber dafür für eine sehr lange Zeit (und vice versa) :) Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
benjaminmeister
14.1.2025, 20:23:50
Das für den Fall zitierte BGH Urteil stützt eine Eigentumsverletzungin diesem Fall (Auto für mehrere Stunden nicht ausparkbar/nutzbar) gerade NICHT. Der BGH schreibt in Rn. 6: "Eine starre Zeitgrenze zur Definition einer erheblichen Beeinträchtigung lasse sich zwar nicht ziehen; erforderlich sei jedenfalls ein MEHR ALS EINTÄGIGER Nutzungsausfall." „Die zeitlichen
Erheblichkeitsschwellediene der Differenzierung zwischen haftungs
rechtlicher Zurechnung und dem entschädigungslos hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko." "Das gelte grundsätzlich auch dann, wenn die Schiffe nicht "ausgesperrt" sondern "eingesperrt" seien und damit jegliche Bewegungsmöglichkeit verloren hätten." Mit diesen Formulierungen lässt sich eine Eigentumsverletzung bei nur mehreren Stunden mMn. nicht bejahen. Vielmehr dürfte es dem allgemeinen Lebensrisiko entsprechen, auch mal einige Stunden zugeparkt zu werden. Oder gibt es hierfür noch ein anderes Urteil der Rechtsprechung? In der Überschrift des Falles selbst heißt es ja "schwerwiegende Gebrauchsbeeinträchtigung", aber wertungsmäßig ist das hier doch noch wirklich keine schwerwiegende Beeinträchtigung. Wenn man den Fall umbaut und die Einparkdauer auf 30 Minuten reduziert, wäre er hingegen perfekt in Abgrenzung zu dem Fleet-Fall, um jedenfalls eindeutige Fälle zu erläutern (30 Minuten auf keinen Fall ausreichend, mehrere Monate hingegen schon). Wobei wir dafür ja schon den Staufall haben: Erweitert man stattdessen hier die Zeit auf mehrere Tage könnte man aber mit verschiedenen Argumenten aufzeigen, dass es sich dann um eine Wertungsfrage handelt, bei der es auf das Ergebnis in der Klausur nicht wirklich ankommt.