Begründetheit bei § 80a Konstellation 2

12. April 2025

18 Kommentare

4,8(18.005 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B erhält eine Baugenehmigung. B hält nach den Bauplänen nicht die erforderlichen Abstände zum Grundstück seiner Nachbarin N ein. N ist der Ansicht, das Bauvorhaben sei deshalb rechtswidrig und will gegen die Baugenehmigung vorgehen. N stellt einen Antrag nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO. Der Antrag ist zulässig.

Diesen Fall lösen 89,5 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Begründetheit bei § 80a Konstellation 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Entfaltet die Anfechtung einer Baugenehmigung im Wege von Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 212a BauGB entfaltet die Anfechtung einer Baugenehmigung von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3a VwGO statthaft. Um die Wirksamkeit von Bs Baugenehmigung zu suspendieren, muss N einen Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO stellen. Allein die Anfechtungsklage würde nicht dazu führen, dass die Baugenehmigung suspendiert wird. B könnte daher mit dem Bau beginnen und bereits erheblich fortgeschritten sein, noch über die Anfechtungsklage in der Hauptsache entschieden wäre. In der Klausur wirst Du immer eindeutige Hinweise auf die Eilbedürftigkeit des Klagebegehrens finden. Bitte nicht übersehen und einfach eine Anfechtungsklage in der Hauptsache prüfen. Vorläufiger Rechtsschutz ist in Klausuren sehr beliebt.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Ns Antrag im einstweiligen Rechtsschutz ist bereits unbegründet, weil sie nicht Adressatin der Baugenehmigung ist.

Nein!

Für Verwaltungsakte mit Drittwirkung finden sich ergänzende Regelungen zum einstweiligen Rechtsschutz in § 80a VwGO. Auch derjenige, der nicht Adressat eines Verwaltungsakts ist (= Dritter), kann grundsätzlich Rechtsschutz nach §§ 80ff. VwGO erlangen. Ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung (im Gesetz als Doppelwirkung bezeichnet, § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO) liegt vor, wenn der Adressat des Verwaltungsakts durch diesen begünstigt wird und durch den selben Verwaltungsakt ein Dritter benachteiligt, d.h. in seinen Rechten beschränkt wird. Dadurch, dass B bauen darf, könnte Nachbarin N in ihren Rechten eingeschränkt sein. Die Baugenehmigung entfaltet Drittwirkung. Ns Rechtsschutz richtet sich nach § 80a VwGO.

3. § 80a Abs. 1 VwGO betrifft Maßnahmen, die die Behörde auf Antrag vornehmen kann. Nach § 80a Abs. 3 VwGO kann aber auch das Gericht diese Maßnahmen treffen.

Genau, so ist das!

Nach § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO kann der Begünstigte eines Verwaltungsakts bei der Behörde den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO stellen. Dies ist sinnvoll, wenn Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung hätten und der Begünstigte ein überwiegendes Interesse daran hat, dass diese Wirkung entfällt. Andersherum kann der belastete Dritte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und Anordnung von Maßnahmen zur Sicherung seiner Rechte nach § 80 Abs. 4 VwGO bei der Behörde stellen (§ 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Das Gericht kann die Maßnahmen nach § 80a Abs. 1 VwGO aufheben oder treffen (§ 80a Abs. 3 S. 1 VwGO). Weiterhin gilt § 80 Abs. 5-8 VwGO entsprechend (§ 80a Abs. 3 S. 2 VwGO). In der Klausur wirst Du in aller Regel einen Antrag zum Gericht nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO haben.

4. Ns Antrag ist begründet, wenn ihr Aussetzungsinteresse Bs Vollzugsinteresse überwiegt.

Ja, in der Tat!

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung richtet sich nach § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO. Im Rahmen der Begründetheit des Antrags wird daher eine Interessensabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Dritten und dem Vollzugsinteresse des durch den Verwaltungsakt Begünstigten vorgenommen. N wird durch den Verwaltungsakt belastet. Ihr Interesse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung müsste das Vollzugsinteresse des begünstigten B überwiegen.

5. Bs Bauvorhaben ist rechtswidrig und verstößt gegen drittschützende Normen. N wird in der Hauptsache Erfolg haben. Ihr Antrag nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO ist begründet.

Ja!

Die Begründetheit des Antrags nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO richtet sich maßgeblich nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Der Prüfungsmaßstab bleibt bei einem Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO wegen des Verweises auf § 80 Abs. 5 VwGO der gleiche. Das Bauvorhaben des B verstößt gegen öffentliches (Landes-) Baurecht und ist damit rechtswidrig. Abstandsregelungen dienen vor allem auch dem Schutz nachbarlicher Interessen, z.B. dem Brandschutz, sodass ein Verstoß gegen drittschützende Normen vorliegt. Ns Anfechtungsklage (= Hauptsache) wird Erfolg haben. Ns Aussetzungsinteresse überwiegt. Der Antrag ist begründet. An dieser Stelle würdest Du in der Klausur eine schematische Prüfung der Begründetheit der Hauptsache (Anfechtungsklage) vornehmen. Die Prüfung ist hier stark verkürzt.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MAG

Magnum

6.1.2025, 14:49:01

Was mich bei beiden Absätzen des §

80a

völlig verwirrt, ist, dass erst die Rede von einem Rechtsbehelf ist und separat davon ein weiterer Antrag gestellt wird. Zum Beispiel im vorliegenden Fall gibt es ja keinen vorgelagerten Rechtsbehelf, sondern nur den Antrag bei Gericht. Insofern wirkt es für mich so, als ob §

80a

direkt gar nicht auf diese Situation passt. Könnte mir jemand mir meinen Denkfehler aufzeigen? Vielen Dank!

yusdix

yusdix

3.3.2025, 22:02:11

@[Magnum](172647) Soweit ich das verstanden habe, geht es beim einstweiligen Rechtsschutz genau um das. Aufgrund der zeitlichen „Not“ kann man ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen, da das Gericht nicht so schnell über die Anfechtungsklage entscheiden wird. Weiterhin gibt es verschiedene Möglichkeiten den Antrag zu stellen: (1) Du stellst den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz BEVOR du die Anfechtungsklage einreichst, (2) Du stellst den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz NACHDEM du die Anfechtungsklage eingereicht hast, (3) Du stellst den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gleichzeitig mit der Anfechtungsklage. Zum Fall: N stellt einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor Erhebung der Anfechtungsklage, da über die Anfechtungsklage nicht

rechtzeitig

entschieden werden kann. N müsste dennoch

rechtzeitig

Anfechtungsklage erheben. Nach h.M. müsste N spätestens im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung den Rechtsbehelf in der Hauptsache eingelegt haben. Nur dann existiert ein Rechtsbehelf dessen aufschiebende Wirkung angeordnet bzw. wiederhergestellt werden kann. Existiert kein Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet bzw. wiederhergestellt werden könnte, liefe die gerichtliche Eilentscheidung (Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz) ins Leere. Ich hoffe ich konnte dir damit weiterhelfen. Falls jemand meine Ausführungen bestätigen könnte, wäre es auch sehr Nett, da ich hier nur aus eigenem Erlernten mitteile. :)


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen