Begründetheit bei § 80a Konstellation 2

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B erhält eine Baugenehmigung. B hält nach den Bauplänen nicht die erforderlichen Abstände zum Grundstück seiner Nachbarin N ein. N ist der Ansicht, das Bauvorhaben sei deshalb rechtswidrig und will gegen die Baugenehmigung vorgehen. N stellt einen Antrag nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO. Der Antrag ist zulässig.

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Einordnung des Falls

Begründetheit bei § 80a Konstellation 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Entfaltet die Anfechtung einer Baugenehmigung im Wege von Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 212a BauGB entfaltet die Anfechtung einer Baugenehmigung von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3a VwGO statthaft. Um die Wirksamkeit von Bs Baugenehmigung zu suspendieren, muss N einen Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO stellen. Allein die Anfechtungsklage würde nicht dazu führen, dass die Baugenehmigung suspendiert wird. B könnte daher mit dem Bau beginnen und bereits erheblich fortgeschritten sein, noch über die Anfechtungsklage in der Hauptsache entschieden wäre. In der Klausur wirst Du immer eindeutige Hinweise auf die Eilbedürftigkeit des Klagebegehrens finden. Bitte nicht übersehen und einfach eine Anfechtungsklage in der Hauptsache prüfen. Vorläufiger Rechtsschutz ist in Klausuren sehr beliebt.
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2. Ns Antrag im einstweiligen Rechtsschutz ist bereits unbegründet, weil sie nicht Adressatin der Baugenehmigung ist.

Nein!

Für Verwaltungsakte mit Drittwirkung finden sich ergänzende Regelungen zum einstweiligen Rechtsschutz in § 80a VwGO. Auch derjenige, der nicht Adressat eines Verwaltungsakts ist (= Dritter), kann grundsätzlich Rechtsschutz nach §§ 80ff. VwGO erlangen. Ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung (im Gesetz als Doppelwirkung bezeichnet, § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO) liegt vor, wenn der Adressat des Verwaltungsakts durch diesen begünstigt wird und durch den selben Verwaltungsakt ein Dritter benachteiligt, d.h. in seinen Rechten beschränkt wird. Dadurch, dass B bauen darf, könnte Nachbarin N in ihren Rechten eingeschränkt sein. Die Baugenehmigung entfaltet Drittwirkung. Ns Rechtsschutz richtet sich nach § 80a VwGO.

3. § 80a Abs. 1 VwGO betrifft Maßnahmen, die die Behörde auf Antrag vornehmen kann. Nach § 80a Abs. 3 VwGO kann aber auch das Gericht diese Maßnahmen treffen.

Genau, so ist das!

Nach § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO kann der Begünstigte eines Verwaltungsakts bei der Behörde den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO stellen. Dies ist sinnvoll, wenn Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung hätten und der Begünstigte ein überwiegendes Interesse daran hat, dass diese Wirkung entfällt. Andersherum kann der belastete Dritte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und Anordnung von Maßnahmen zur Sicherung seiner Rechte nach § 80 Abs. 4 VwGO bei der Behörde stellen (§ 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Das Gericht kann die Maßnahmen nach § 80a Abs. 1 VwGO aufheben oder treffen (§ 80a Abs. 3 S. 1 VwGO). Weiterhin gilt § 80 Abs. 5-8 VwGO entsprechend (§ 80a Abs. 3 S. 2 VwGO). In der Klausur wirst Du in aller Regel einen Antrag zum Gericht nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO haben.

4. Ns Antrag ist begründet, wenn ihr Aussetzungsinteresse Bs Vollzugsinteresse überwiegt.

Ja, in der Tat!

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung richtet sich nach § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO. Im Rahmen der Begründetheit des Antrags wird daher eine Interessensabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Dritten und dem Vollzugsinteresse des durch den Verwaltungsakt Begünstigten vorgenommen. N wird durch den Verwaltungsakt belastet. Ihr Interesse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung müsste das Vollzugsinteresse des begünstigten B überwiegen.

5. Bs Bauvorhaben ist rechtswidrig und verstößt gegen drittschützende Normen. N wird in der Hauptsache Erfolg haben. Ihr Antrag nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO ist begründet.

Ja!

Die Begründetheit des Antrags nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO richtet sich maßgeblich nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Der Prüfungsmaßstab bleibt bei einem Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO wegen des Verweises auf § 80 Abs. 5 VwGO der gleiche. Das Bauvorhaben des B verstößt gegen öffentliches (Landes-) Baurecht und ist damit rechtswidrig. Abstandsregelungen dienen vor allem auch dem Schutz nachbarlicher Interessen, z.B. dem Brandschutz, sodass ein Verstoß gegen drittschützende Normen vorliegt. Ns Anfechtungsklage (= Hauptsache) wird Erfolg haben. Ns Aussetzungsinteresse überwiegt. Der Antrag ist begründet. An dieser Stelle würdest Du in der Klausur eine schematische Prüfung der Begründetheit der Hauptsache (Anfechtungsklage) vornehmen. Die Prüfung ist hier stark verkürzt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FI

Fischerino

16.8.2023, 20:58:07

Hier müsste es wohl Satz 2 bei der Zitierung des § 80a Abs. 3 VwGO heißen

A-MUC

A-MUC

5.5.2024, 18:13:59

Ich hätte den Falltext als eindeutiger empfunden, wenn er wie folgt formuliert worden wäre: B erhält eine Baugenehmigung. Nach den Bauplänen hält B aber nicht die erforderlichen Abstände zu ihrem Grundstück ein. Daher ist Nachbarin N der Ansicht, das Bauvorhaben sei rechtswidrig, sie will daher gegen die Baugenehmigung vorgehen. N stellt einen Antrag nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO. Der Antrag ist zulässig. Ansonsten klingt es m.E. so, als sei es noch streitig, ob B die erforderlichen Abstände einhält. Abgesehen davon: Tausend Dank für dieses Kapitel. Endlich habe ich die §§ 80, 80a VwGO verstanden. Didaktisch wirklich grandioses Kapitel! Danke, Danke, Danke!

A-MUC

A-MUC

5.5.2024, 18:15:15

Statt „ihrem Nachbargrundstück“ müsste es dann natürlich „zu dem Grundstück ihrer Nachbarin B“ heißen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.5.2024, 09:45:50

Hi Anna-MUC, vielen Dank für das tolle Lob! Die Sätze haben wir getauscht, damit es noch deutlicher wird. Viel Erfolg und Spaß weiterhin beim Lernen. Beste Grüße, Lukas

FABY

Faby

3.10.2024, 11:21:30

In der Lösung wurde bei der Nennung der Norm "§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO" auch hier (wie im vorherigen Fall) "S. 1" vergessen. :)

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

9.10.2024, 15:11:13

Hallo Faby, vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team


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