Öffentliches Recht

VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz (§ 123 VwGO)

Statthaftigkeit § 123 VwGO: Verpflichtungsklage (Regelungsanordnung)

Statthaftigkeit § 123 VwGO: Verpflichtungsklage (Regelungsanordnung)

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Lawra (L) möchte nach der Zwischenprüfung die Uni wechseln. Die Uni H lehnt ihre Bewerbung ab. L ist der Meinung, sie habe einen Anspruch auf einen Studienplatz. Weil das neue Semester in einigen Wochen beginnt, begehrt sie eine schnelle Entscheidung des Gerichts.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit § 123 VwGO: Verpflichtungsklage (Regelungsanordnung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es kommt eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht, sofern der vorläufige Rechtsschutz nach §§ 80, 80a VwGO ausscheidet.

Ja, in der Tat!

Begehrt der Kläger die vorläufige Sicherung seiner Rechte, muss der vorläufige Rechtsschutz nach §§ 80, 80a VwGO von der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO abgegrenzt werden. § 123 Abs. 1 VwGO kommt immer dann in Betracht, wenn §§ 80, 80a VwGo nicht einschlägig ist. Dies ergibt sich aus § 123 Abs. 5 VwGO. Ist in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft, kommt ein Antrag nach §§ 80, 80a VwGO in Betracht. In den restlichen Fällen ist § 123 Abs. 1 VwGO einschlägig. L will nicht gegen einen Verwaltungsakt vorgehen, sondern vielmehr den Erlass eines Verwaltungsakt (= Zulassungsbescheid) erreichen. In der Hauptsache ist daher die Verpflichtungsklage statthaft. Achtung: Ist ein Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) statthaft, greift § 123 Abs. 1 VwGO nicht. Für den Normenkontrollantrag normiert § 47 Abs. 6 VwGO einen eigenen Eilrechtsschutz.
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2. Nach § 123 Abs. 1 VwGO kommen zwei Formen der einstweiligen Anordnung in Betracht.

Ja!

§ 123 Abs. 1 VwGO regelt zum einen die Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 1 VwGO). Diese wird durch das zuständige Gericht dann getroffen, wenn die Gefahr besteht, dass eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereiteln oder wesentlich erschweren könnte. Weiter findet sich in § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO die Regelungsanordnung. Diese ergeht zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Abgrenzung von Sicherungsanordnung und Regelungsanordnung ist nicht immer einfach oder eindeutig.

3. L begehrt, dass das Gericht die Uni vorläufig verpflichtet, sie zuzulassen. L begehrt damit die Sicherung eines bestehenden Zustands. In Betracht kommt eine Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach einer Faustformel kommt eine Sicherungsanordnung immer dann in Betracht, wenn der vorläufige Rechtsschutz sich auf Abwehransprüche (Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche) richtet. Die Regelungsanordnung ist dagegen darauf gerichtet, den Rechtskreis des Bürgers zu erweitern. Sie kommt daher in Betracht, wenn der Antragsteller einen Anspruch durchsetzen will. L begehrt, dass sie zum Studium - zumindest vorläufig - zugelassen wird. Dabei geht es um die Durchsetzung eines Anspruchs, den L zu haben glaubt. In Betracht kommt ein Antrag nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO.

4. Für die Erlangung effektiven Rechtsschutzes ist es für L vorliegend ausreichend, die Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache abzuwarten.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO kommt immer dann in Betracht, wenn besondere Gründe vorliegen, die eine vorläufige Regelung des Streitgegenstands des Hauptverfahrens notwendig machen. Dies ist vor allem der Fall, wenn der Betroffene eine schnelle Regelung begehrt, da er ansonsten Nachteile erleidet. Weil das Semester bereits in einigen Wochen startet, ist aus Ls Sicht eine vorläufige Verpflichtung der Uni, L zum Studium zuzulassen, notwendig. Ansonsten würde sie ein ganzes Semester verpassen, da die Hauptsache (Verpflichtungsklage) nicht in dieser kurzen Zeit entschieden sein wird. Statthaft ist - neben der Verpflichtungsklage in der Hauptsache - ein Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SN

Sniter

15.8.2022, 16:28:04

Vielleicht lese ich das hier falsch, aber es scheint, als würde die letzte Frage die Eilbedürftigkeit im Rahmen der

Statthaftigkeit

des Antrags prüfen. Das ist glaube ich so nicht richtig…

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.8.2022, 18:40:06

Hallo Sniter, das soll tatsächlich nicht gefragt werden. Vielmehr befasst sich die gesamte Aufgabe mit der

Statthaftigkeit

. Diese richtet sich grundsätzlich nach dem Klägerbeg

ehre

n. Ein Antrag auf vorläufige Regelungsanordnung ist aber nur statthaft, wenn es dem Klägerbeg

ehre

n entspricht eine möglichst schnelle - aber eben vorläufige - Regelung zu erreichen und nicht erst das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Dies ist hier aufgrund der dargestellten zeitlichen Abfolge zwischen Bewerbung und Semesterbeginn im Verhältnis zur Dauer des Hauptsacheverfahrens der Fall. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

YAN

yangbo

8.4.2023, 14:20:31

Wir hatten eine recht griffige Eselsbrücke zur Abgrenzung: Sicherungsanordnung=Ausgleich juristisches Minus, Regelungsanordnung=Beg

ehre

n eines juristischen Plus bzw. Sicherungsanordnung=Status quo, Regelungsanordnung=Rechtskreiserweiterung

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.4.2023, 17:27:32

Vielen Dank für das Teilen, yangbo!

CR7

CR7

30.4.2023, 14:17:17

Stellt die Ablehnung der Uni einen VA dar? Eigentlich ja nicht, weil es ja einer Regelung fehlt, oder?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

5.5.2023, 18:13:24

Hallo (af), auch in der Nichtzulassung liegt eine Regelungswirkung. Allerdings reicht allein die Beseitigung dieses VAs nicht aus, weswegen Lawra in der Hauptsache keine Anfechtungs- sondern eben eine Verpflichtungsklage auf Zulassung erheben muss. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

RAP

Raphaeljura

18.7.2023, 23:32:07

Die vorläufigen Rechtsschutzinstrumente wirken ja ganz interessant und können schnell wirken um etwas zu erreichen. Nur, es ist für den Antragssteller selbst auch mit großen Risiken behaftet. Wenn im Hauptsacheverfahren gegen den Kläger entschieden wird, dann hat das Vertrauen auf den einstweiligen Rechtsschutz möglicherweise zu einem Schaden geführt. Insofern bietet der vorläufige Rechtsschutz nur eine trügerische Sicherheit.

FL

Flohm

10.8.2023, 16:56:10

Ich hab den Unterschied zwischen Sicherungsanordnung und Regelanordnung leider noch nicht verstanden.

NI

Nilson2503

19.9.2023, 16:18:47

Lieber @[Flohm](210957), bei der Sicherungsanordnung geht es darum einen gegebenen Status quo zu „sichern“. Du möchtest also nichts weiter, als den aktuellen Status zu erhalten. Bei der Regelungsanordnung hingegen, geht es um die Erweiterung deines Rechtskreises. Du möchtest also mehr als aktuell gegeben. Ich hoffe das hilft dir etwas bei der Abgrenzung. LG


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