Öffentliches Recht
Staatsorganisations-Recht
Gesetzgebungsverfahren
Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestages - einzelne Abgeordnete ohne BT-Beschluss (Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG)
Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestages - einzelne Abgeordnete ohne BT-Beschluss (Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Elf Abgeordnete aus der Karnevalshochburg Köln bringen fraktionsübergreifend eine Gesetzesvorlage beim Bundestag ein. Sie schlagen vor, Karneval zum nationalen Feiertag zu machen.
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Einordnung des Falls
Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestages - einzelne Abgeordnete ohne BT-Beschluss (Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Gesetzesvorschlag „aus der Mitte des Bundestages“ umfasst vom Wortsinn her auch eine Einbringung durch elf Abgeordnete.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Nach § 76 Abs. 1 GO-BT sind die elf Abgeordneten initiativberechtigt.
Nein!
3. § 76 Abs. 1 GO-BT definiert abschließend, was „aus der Mitte des Bundestages“ im Sinne des Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG bedeutet.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. § 76 Abs. 1 GO-BT stellt eine verfassungsrechtlich zulässige Konkretisierung des Begriffs „aus der Mitte des Bundestages“ im Sinne des Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG dar.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Blotgrim
28.7.2022, 23:31:36
Also von dem was ich gehört habe ist man sich eigentlich einig, dass ein einzelner Abgeordneter nicht initiativberechtigt ist, da der dies sonst vom Gesetzgeber deutlicher zum Ausdruck gebracht worden wäre
Paul König
30.7.2022, 11:54:05
Hey @[Blotgrim](167544), im Endeffekt hat die einzelne Abgeordnete zwar nicht das Recht, eine Gesetzesvorlage einzubringen (insofern liegst Du genau richtig!). Allerdings ist ein vom BT später beschlossenes Gesetz, das von einer einzelnen Abgeordneten eingebracht wurde, nicht aus diesem Grund formell verfassungswidrig. Das wird im folgenden Fall noch deutlicher. Das Argument, dass dies vom "Gesetzgeber" sonst deutlicher zum Ausdruck gebracht worden wäre, halte ich aber für schwach: In § 76 Abs. 1 GO-BT ist es deutlich geregelt, Art. 76 Abs. 1 GG ist eine Verfassungsnorm (stammt also nicht vom "einfachen Gesetzgeber"). Diese werden üblicherweise (aus verschiedenen Gründen) nicht so präzise gefasst, wie beispielsweise Strafvorschriften, weshalb wir hier einen anderen Maßstab anlegen müssen: Wir können nur an wenigen Stellen erwarten, dass der Verfassungsgeber etwas deutlich zum Ausdruck bringt. Daher lieber mit den Argumenten in den Hinweistexten zu diesem und dem folgenden Fall arbeiten! Danke für Deine Beiträge! Liebe Grüße — Paul (für das Jurafuchs—Team) @[Lukas Mengestu](136780)
Blotgrim
30.7.2022, 12:00:57
An sich gebe ich dir Recht, aber der Gesetzgeber hätte sonst die Formulierung "Abgeordneter" statt "aus der Mitte des Bundestages" wählen können. Ist ja jetzt nicht das gleiche wie bei z.B. Sittenwidrigkeit
Paul König
1.8.2022, 19:42:49
Hey @[Blotgrim](167544), ich glaube, dass das keine gute Herangehensweise an die Auslegung der Verfassung ist. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben oftmals bewusst Fragen nicht entschieden (also nicht "ein Abgeordneter" geschrieben), uA weil sie das dem politischen Prozess überlassen wollten (s. zB: https://de.m.wikibooks.org/wiki/OpenRewi/_Staatsorganisationsrecht-Lehrbuch/_Grundlagen/_Methoden_der_Verfassungsinterpretation#Anker:Interpretationsoffenheit). Die Verfassung wurde eben nicht vom einfachen Gesetzgeber geschrieben und daher müssen wir insoweit oftmals geringere Anforderungen an die Präzision des Normtexts der Verfassung haben. Wenn Du den Willen der Verfassungsgeberinnen nicht aus den historischen Materialien rekonstruieren kannst (und das geht in der Klausursituation idR nicht), gehe ich davon aus, dass deine Korrektorin dieses Argument nicht so gut finden würde! Beste Grüße - Paul (für das Jurafuchs-Team)
antoniasophie
25.7.2023, 12:50:13
Im Fall steht noch die alte gesetzliche Anzahl an Abgeordneten im BT und nicht die neue aus § 1 I 1 BWahlG mit 630 Abgeordneten
Lukas_Mengestu
25.7.2023, 14:39:52
Vielen Dank für den Hinweis, Antonia! Das haben wir korrigiert :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
CR7
18.8.2023, 14:38:57
Ich tue mich mit §76 GOBT etwas schwer, weil ich nicht verstehe, warum man 5% der Abgeordneten braucht, wenn auch ein Einzelinitiativrecht besteht. Wenn ein einzelner Abgeordneter einen guten Vorschlag macht, warum sollte dieser dann nicht eingebracht werden dürfen? Und wenn ich dann im Sachverhalt einen einzelnen Abgeordneten habe, der eine Gesetzesinitiative einbringt, lehne ich das einfach nur ab, weil §76 GOBT dies normiert, während Art.
76 GGsagt, dass aus der Mitte des Bundestags auch ein einzelner Abgeordneter theoretisch gemeint sein kann.
Flohm
19.9.2024, 10:35:05
Leider fehlt mir hier die Subsumtion. Es wird zwar gesagt, dass §76 GO-BT die Verfassung konkretisiert. Allerdings sagt das nichts drüber aus, ob es ein "Problem" ist, dass der Vorschlag von nur 11 Abgeordneten stammt. Welche Folge hat der Verstoß gegen die GO-BT als Satzung aber nicht die Verfassung?