Öffentliches Recht
Staatsorganisations-Recht
Gesetzgebungsverfahren
Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestages - einzelne Abgeordnete mit BT-Beschluss (Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG)
Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestages - einzelne Abgeordnete mit BT-Beschluss (Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Elf Abgeordnete aus der Karnevalshochburg Köln bringen fraktionsübergreifend eine Gesetzesvorlage beim Bundestag ein. Sie schlagen vor, Karneval zum nationalen Feiertag zu machen. Bei der Abstimmung wird der Gesetzesvorschlag überraschenderweise mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Gesetzesinitiative aus der Mitte des Bundestages - einzelne Abgeordnete mit BT-Beschluss (Art. 76 Abs. 1 Var. 2 GG)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Bundestag muss sich mit der Gesetzesvorlage der elf Abgeordneten beschäftigen.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Beschluss des Bundestages hat die nicht ordnungsgemäße Gesetzesinitiative der elf Abgeordneten „geheilt“.
Genau, so ist das!
3. Das vom Bundestag beschlossene Gesetz ist formell verfassungswidrig, weil die Gesetzesinitiative nicht von einer Fraktion oder fünf Prozent der Abgeordneten stammt.
Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
sinaaaa
24.1.2023, 16:39:39
Hab ich dies richtig verstanden?: Gesetzesvorlagen können unter anderem von "der
Mitte des Bundestages" (Art. 76 I Var.2 GG) eingebracht werden, d.h. einer Fraktion oder 5 Prozent der Mitglieder des Bundestages gem. 76 I GO BT. In der Regel kann daher ein Abgeordneter nicht verlangen, dass seine Gesetzesvorlage behandelt wird. Ausnahme: Wenn sich die Mehrheit des Bundestages für das Gesetz entscheidet dann ist Art. 76 I Var.2 GG erfüllt und mithin könnte auch ein Abgeordneter durch die Stimmmehrheit eine Gesetzesvorlage einbringen.
Paul König
26.1.2023, 08:58:33
Hey @[sinaaaa](200675), das trifft es ganz gut! Der einzelne Abgeordnete hat keinen Anspruch darauf, dass seine Gesetzesentwurf behandelt wird. Aber wenn er behandelt wird und durchgeht (passiert in Klausuren häufig), dann ist es auch eine Vorlage „aus der Mitte des Bundestags“, weil die Mitte des Bundestags sich diese Vorlage zu Eigen gemacht hat. Frag gerne weiter nach, wenn Du noch Fragen hast! Beste Grüße - Paul (für das Jurafuchs-Team) @[Lukas Mengestu](136780)
sinaaaa
26.1.2023, 09:15:25
Was heißt zu "eigen machen"? Was ist damit gemeint. Das macht kein Sinn dass ein Abgeordnter eine Gesetzesvorlage einbringen kann
Paul König
26.1.2023, 14:12:00
Es steht jedenfalls nicht im Gesetz (Art. 76 Abs. 1 GG, § 76 Abs. 1 GO BT), dass das nur ein MdB kann, da hast Du Recht! "Zu eigen machen" heißt, dass die Mitte des BT so tut, als sei das ihr Vorschlag (Aneignungsrecht des BT). Die hM lässt das mit dieser Begründung durchgehen. Ich denke, dass schlicht nicht gewollt ist, dass Gesetze, die der BT verabschieden will, an so einer Formalie scheitern sollen. Dahinter steht also eine gewisse Zurückhaltung, oder in fancy: der Schutz der Legitimität des Gesetzgebers, weil so ein geringfügiger Fehler nicht zur formellen Verfassungswidrigkeit führen soll. Du bist natürlich frei, es anders zu machen, kritisches Denken ist wichtig! Allerdings sind Prüfungsarbeiten dafür in der Regel ungeeignet...
Flohm
19.9.2024, 10:39:36
Wann macht sich der BT die Vorlage zu Eigen? Also wann tut die Mitte des BT so als sei es ihr Vorschlag? Und wann nicht?
Seriouz0G
7.8.2023, 16:42:08
Hey, ich verstehe ehrlich gesagt nicht die Divergenz der Ergebnisse von dieser Aufgabe und der vorherigen. Laut der vorherigen Aufgabe sind die elf Abgeordneten initiativberechtigt, weil für die Auslegung des Begriffs „aus der Mitte des BT“ nicht auf den (zwar in verfassungsrechtlich zulässiger Weise konkretisierenden) § 76 I GOBT abgestellt wird. Sondern die Auslegung der Verfassung Vorrang genießt, sodass nach Art. 76 I auch elf Abgeordnete Gesetzevorlagen einbringen dürfen. Laut dieser Aufgabe wäre die Einbringung (trotz m.E. gleicher Ausgangssituation) grds. nicht verfassungsgemäß, weil gegen das Quorumserfordernis des § 76 GOBT verstoßen wurde. Hätte sich der BT das Gesetz nicht zu eigen gemacht so läge ein Verfahrensverstoß vor. Ließe man das „Sich-zu-Eigen-machen“ vor, verstehe ich nicht, weshalb bei Aufgabe 1 der Verfassung Vorrang gewährt wird, während hier auf die GOBT abgestellt wird. 😐
Seriouz0G
7.8.2023, 16:43:26
*ließe man das „Sich-zu-Eigen-machen“ unberücksichtigt
Paul König
8.8.2023, 14:00:39
Hey @[Seriouz0G ](205123), der entscheidende Unterschied besteht schlicht in dem späteren Beschluss des Bundestages. Der Bundestag muss sich nicht mit der Vorlage befassen, kann es aber und wenn er den Gesetzentwurf verabschiedet, lassen wir es ihm durchgehen. Es bleibt dabei, dass die Verfassung Vorrang hat und in zulässiger Art und Weise durch § 76 Abs. 1 GO-BT konkretisiert wird. Mit dem Figur (man kann auch sagen, dem "rhetorischen Trick") des "Sich-zu-Eigen-Machens" beim BT-Beschluss gehen wir aber darüber hinweg, wenn der BT zeigt, dass er das Gesetz trotzdem will. Das kann man bestimmt noch besser dogmatisch unterfüttern (oder gar nicht überzeugend finden), aber in der Klausur rate ich dazu, schlicht dieses Ergebnis zu wählen und mit diesem schwammigen Argument zu untermalen. Dann macht Ihr es der Korrektorin leicht, Euch die volle Punktzahl zu geben. Falls Dich das Thema nervt, wartet die Staatsorga-Wissenschaft nur auf Dich. :) Beste Grüße - Paul (für das Jurafuchs-Team) @[Lukas_Mengestu](136780)
Anne
19.6.2024, 14:59:47
Mir wird in der Aufgabe der Streitstand zwischen der wesentlichen Verfahrensvorschrift oder einer bloßen
Ordnungsvorschriftnicht geführt. Ihr sagt, dass der Bundestag sich das Gesetz zu eigen macht, folglich würde es sich bei § 76 I GG um eine bloße
Ordnungsvorschrifthandeln, weil es letztlich nicht auf den Kreis der Initiativberechtigten ankommt. Wenn jedoch das Initiativrecht letztlich unbeachtlich wäre, könnten auch Beschlüsse, die im Rahmen eines Volksbeg
ehrens eingebracht wurden, denkbar sein. Dadurch wurde der Bedeutungsgehalt des Art. 76 I GG letztlich ausgehebelt werden. Ich finde, dass man das zumindest erörtern sollte, weil meiner Ansicht nach die besseren Argumente für eine wesentliche Verfahrensvorschrift sprechen.