Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Gesetzgebungsverfahren

Gesetzesinitiative der Bundesregierung (Art. 76 Abs. 1 Var. 1, Abs. 2 S. 1 GG)

Gesetzesinitiative der Bundesregierung (Art. 76 Abs. 1 Var. 1, Abs. 2 S. 1 GG)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die frisch gewählte Bundesregierung benötigt dringend Geld für ihre zahlreichen kostspieligen Vorhaben. Sie bringt daher am Tag ihrer Amtseinführung eine Gesetzesvorlage zur Abschaffung des BAföG direkt beim Bundestag ein.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Gesetzesinitiative der Bundesregierung (Art. 76 Abs. 1 Var. 1, Abs. 2 S. 1 GG)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Bundesregierung ist nach Art. 76 Abs. 1 GG initiativberechtigt.

Ja, in der Tat!

Gesetzesvorlagen können von der Bundesregierung eingebracht werden (Art. 76 Abs. 1 Var. 1 GG). Die Gesetzesvorlage wird mit einfacher Stimmenmehrheit durch die Bundesregierung als Kollegialorgan im Sinne des Art. 62 GG beschlossen (§§ 15 Abs. 1 lit. a, 24 Abs. 2 S. 1 GO-BReg). Die Bundesregierung ist nach Art. 76 Abs. 1 Var. 1 GG berechtigt, die Gesetzesvorlage beim Bundestag einzubringen. Die Gesetzesinitiative durch die Bundesregierung ist in der Praxis der häufigste Fall, weil die Bundesministerien auf mehr Ressourcen und fachliche Expertise zurückgreifen können.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Bundesregierung darf ihre Gesetzesvorlage ohne Umwege beim Bundestag einbringen.

Nein!

Gesetzesvorlagen der Bundesregierung sind dem Bundesrat zuzuleiten (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG), bevor sich der Bundestag damit befasst. Die Bundesregierung hat die Gesetzesvorlage direkt beim Bundestag eingebracht und dem Bundesrat nicht vorher zugeleitet. Der Bundesrat kann grundsätzlich innerhalb von sechs Wochen zur Gesetzesvorlage Stellung nehmen (Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG). Er ist aber nicht zur Stellungnahme verpflichtet („ist berechtigt“). Sinn und Zweck dieses Vorverfahrens ist es, den Bundesrat frühzeitig am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen.

3. Die Gesetzesvorlage der Bundesregierung ist mangels Zuleitung an den Bundesrat (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG) formell verfassungswidrig.

Genau, so ist das!

Die Stellungnahme des Bundesrates ist nicht rechtlich bindend, oder zwingend vorgeschrieben. Zudem wird der Bundesrat später noch am Gesetzgebungsverfahren beteiligt (Art. 77 Abs. 2-4 GG). Der strenge Wortsinn des Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG („sind zuzuleiten“) spricht jedoch dagegen, dass die Norm nur eine Ordnungsvorschrift ohne Auswirkung auf die formelle Verfassungsmäßigkeit ist. Auch würde durch die Unbeachtlichkeit der Sinn und Zweck der Norm vereitelt, den Bundesrat frühzeitig am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen. Die Bundesregierung im Sinne des Art. 62 GG hat ihre Gesetzesvorlage nicht dem Bundesrat zugeleitet (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG). Die Gesetzesvorlage ist wegen des Verstoßes gegen Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG formell verfassungswidrig. Die Einzelfragen des Vorverfahrens, insbesondere bezüglich der Fristen, kannst Du nur mit einer aufmerksamen Lektüre des Normtextes meistern. Komplexe Auslegungsfragen stellen sich an dieser Stelle aber selten.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BL

Blotgrim

28.7.2022, 23:39:28

Also ich habe es so gelernt dass die Beteiligung eine bloße

Ordnungsvorschrift

darstellt. Schließlich geht es ja lediglich darum den Bundesrat frühzeitig zu beteiligen, wird ihm der Antrag nicht zugeleitet kann er ja im Hauptverfahren immer noch Einfluss nehmen. Es wird zwar gegen Sinn und Zweck verstoßen, aber es geht hier ja nur darum dass der BR früher gefragt wird, letztlich nimmt seine Stellungnahme keinen Einfluss auf den Beschluss.

Paul König

Paul König

29.7.2022, 13:07:56

Hey @Blotgrim, mit diesen Argumenten, die sich auch im Hinweistext finden (erste beiden Sätze) lässt sich das gut vertreten. Dass es sich um eine bloße

Ordnungsvorschrift

handelt, würde ich aber nicht einfach nur behaupten, sondern unbedingt mit (zB den genannten) Argumenten untermauern - passiert leider oft. Insbesondere, weil der Wortsinn hier deutlicher als sonst im GG ("sind zuzuleiten")

Paul König

Paul König

29.7.2022, 13:12:56

ist, sollte zumindest dieses Gegenargument kurz auftauchen. Nur als Hinweis: Der Fall hier behandelt einen Fall, bei dem kein späterer Beschluss des Bundesrates die fehlende Stellungnahme des Bundesrates in irgendeiner Weise kompensiert. Würde der Bundesrat das Gesetz später "durchwinken", wäre das eine andere Konstellation, was auch argumentativ berücksichtigt werden müsste. Danke für deinen Beitrag! Liebe Grüße - Paul (für das Jurafuchs-Team) @[Lukas Mengestu](136780)

Paul König

Paul König

29.7.2022, 13:25:04

Hey @Blotgrim, im Endeffekt hat die einzelne Abgeordnete zwar nicht das Recht, eine Gesetzesvorlage einzubringen (insofern liegst Du genau richtig!), aber ein vom BT später beschlossenes Gesetz, das von ihr eingebracht wurde, ist nicht aus diesem Grund formell verfassungswidrig. Das wird im folgenden Fall noch deutlicher. Das Argument, dass dies vom "Gesetzgeber" sonst deutlicher zum Ausdruck gebracht worden wäre, halte ich aber für schwach: In § 76 Abs. 1 GO-BT ist es deutlich geregelt, Art. 76 Abs. 1 GG ist eine Verfassungsnorm (stammt also nicht vom "einfachen Gesetzgeber"). Diese werden üblicherweise (aus verschiedenen Gründen) nicht so präzise gefasst, wie beispielsweise Strafvorschriften, weshalb wir hier einen anderen Maßstab anlegen müssen: Wir können nur an wenigen Stellen erwarten, dass der Verfassungsgeber etwas deutlich zum Ausdruck bringt. Daher lieber mit den Argumenten in den Hinweistexten zu diesem und dem folgenden Fall arbeiten! Liebe Grüße - Paul (für das Jurafuchs-Team) @[Lukas Mengestu](136780)

BEBE

Benni Bertelmann

3.11.2022, 17:49:37

@[Blotgrim](167544) Das Argument ist richtig, wenn die Bundesregierung die Vorschrift mithilfe einer Einbringung durch eine Fraktion umgeht. Handelt die Bundesregierung hingegen selbst, so muss sie sich nach ganz h.M. auch an Art. 76 II 1 GG halten, um eine formelle Verfassungswidrigkeit zu verhindern.

Dogu

Dogu

16.6.2023, 09:11:03

Schöne Zeichnungen :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.6.2023, 14:39:24

Vielen Dank, Dogu! Das gebe ich gerne weiter :-) Beste Grüße, Lukas


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
© Jurafuchs 2024