Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Gesetzgebungsverfahren

Ablauf des Abschlussverfahrens (Art. 82 Abs. 1 S. 1, Art. 58 S. 1 GG)

Ablauf des Abschlussverfahrens (Art. 82 Abs. 1 S. 1, Art. 58 S. 1 GG)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nach ordnungsgemäßen Einleitungs- und Hauptverfahren unterzeichnet Bundespräsidentin B ohne Umschweife das „Maximale-Überwachungs-Gesetz“ und lässt es im Bundesanzeiger veröffentlichen.

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Einordnung des Falls

Ablauf des Abschlussverfahrens (Art. 82 Abs. 1 S. 1, Art. 58 S. 1 GG)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Für ein ordnungsgemäßes Abschlussverfahren sind allein die Ausfertigung und die Verkündung durch den Bundespräsidenten (Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG) notwendig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Vor der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten ist immer eine Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder den fachlich zuständigen Bundesminister notwendig (Art. 58 S. 1 GG). Fehlt die Gegenzeichnung, ist die Ausfertigung ungültig (Art. 58 S. 1 GG)
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2. Das Gesetz wurde ordnungsgemäß ausgefertigt (Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Ausfertigung ist die Herstellung der Originalurkunde durch die Unterschrift des Bundespräsidenten. Der Bundespräsident bescheinigt mit seiner Unterschrift, dass (1) das Gesetzgebungsverfahren beendet ist, (2) der ausgefertigte Text vom Bundestag beschlossen ist und dem Bundestag vorlag und (3) dass der Text mit den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat inhaltlich identisch ist. Der Bundespräsident hat das Gesetz zwar unterzeichnet. Allerdings fehlt es an einer Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder den fachlich zuständigen Bundesminister. Die Frage, ob und in welchen Fällen der Bundespräsident zur Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes verpflichtet ist, ist unter dem Schlagwort „Prüfungsrecht des Bundespräsidenten“ ein absoluter Klassiker des Staatsorganisationsrechts.

3. Das Gesetz wurde ordnungsgemäß verkündet (Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG).

Nein!

Das Gesetz wird durch die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (BGBl.) verkündet (Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG). Die Veröffentlichung ist eine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit des Gesetzes. Durch diese Publizität wird die notwendige Rechtsklarheit hergestellt. Das Gesetz ist im Bundesanzeiger veröffentlicht worden. Der Bundesanzeiger ist das Bekanntmachungsblatt der Behörden des Bundes. Darin werden beispielsweise Rechtsverordnungen verkündet. Parlamentsgesetze werden nur im Bundesgesetzblatt verkündet. Mit der Verkündung ist das Gesetz rechtlich existent. Ab diesem Zeitpunkt kann gegen das Gesetz ein abstraktes Normenkontrollverfahren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG; §§ 76-78 BVerfGG) angestrengt werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SS

Strand Spaziergang

21.4.2023, 14:17:41

Warum ist bei der letzten Frage die Antwort, dass das Gesetzt nicht ordnungsgemäß verkündet wurde? Im Sachverhalt steht doch, dass es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Es fehlt für die Gültigkeit die Unterschrift des Kanzlers oder zust. Ministers, aber würde man dann nicht sagen: "Das Gesetz wurde zwar ordnungsgemäß verkündet, aber es ist dennoch ungültig, weil die Unterschrift des Kanzlers fehlt"?

Paul König

Paul König

21.4.2023, 16:38:40

Hey @Strand Spaziergang, in den Sachverhalt war die kleine Tücke eingebaut, dass das Gesetz im Bundesanzeiger und nicht im Bundesgesetzblatt verkündet wurde. Im Vertiefungshinweis steht auch, was das BGBl. vom BA unterscheidet: "Der Bundesanzeiger ist das Bekanntmachungsblatt der Behörden des Bundes. Darin werden beispielsweise Rechtsverordnungen verkündet. Parlamentsgesetze werden nur im Bundesgesetzblatt verkündet." Wir haben das jetzt noch mal optisch hervorgehoben, danke für diese Annregung! Beste Grüße - Paul (für das Jurafuchs-Team) @[Lukas Mengestu](136780)

TO

TomBombadil

7.4.2024, 14:42:14

Hallo zusammen, in einer Frage geht es darum, dass die Bundespräsidentin das Gesetz (angeblich) nicht korrekt ausgefertigt habe, weil ihr Handeln ohne Gegenzeichnung erfolgte. M. M. n. sind die Schritte aber zu trennen. Denn das Handeln der Bundespräsidentin bedarf doch grundsätzlich stets der Gegenzeichnung. Wenn Gegenzeichnung und Ausfertigung gesondert erwähnt werden, würde ich meinen, darf die fehlende Gegenzeichnung nicht auf die Ausfertigung durchschlagen. Versteht man Ausfertigen danach als bloßes Unterschreiben, ist dies ordnungsgemäß geschehen. Gerne kann die Bundespräsidentin aber auch einfach einen Smiley unter das Gesetz machen, wenn wir dreimal Nein in der Aufgabe haben wollen. :)

TI

Timurso

9.4.2024, 09:35:58

Das kannst du zwar meinen, aber Art. 58 S. 1 GG sagt ausdrücklich, dass die Ausfertigung unwirksam ist, wenn sie ohne Gegenzeichnung erfolgt. Insofern schlägt es gerade doch durch und die beiden Aspekte sind nicht voneinander zu trennen.

TO

TomBombadil

9.4.2024, 10:40:10

Hab das "ordnungsgemäß" wohl überlesen. Mea culpa. :/


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