Parteienverbot (NPD-Verbotsverfahren)
31. Mai 2025
31 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Bundesrat stellt 2013 beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag, die Verfassungswidrigkeit der NPD festzustellen und gegen sie ein Parteiverbot auszusprechen. Die NPD setzt sich u.a. für die Ausgrenzung von Migranten, Ausländern und Minderheiten ein und vertritt Positionen, die dem Nationalsozialismus wesensverwandt sind.
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Einordnung des Falls
Parteienverbot (NPD-Verbotsverfahren)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bis zu einer entsprechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist von der Verfassungsmäßigkeit einer Partei auszugehen.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ein Parteiverbot erfolgt durch den Erlass einer Verbotsverfügung (Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG).
Nein!
3. Der Bundesrat ist im Parteiverbotsverfahren antragsberechtigt (§ 43 Abs. 1 BVerfGG).
Genau, so ist das!
4. Eine Partei ist als verfassungswidrig anzusehen, wenn sie verfassungsfeindliche Ideen verbreitet (Art. 21 Abs. 2 GG).
Nein, das trifft nicht zu!
5. Der Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung i.S.d. Art. 21 Abs. 2 GG umfasst die Staatsstrukturprinzipien, die Grundrechte und Art. 79 Abs. 3 GG.
Nein!
6. Die Inhalte der NPD zielen auf die Beeinträchtigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ab
Genau, so ist das!
7. Ein Parteiverbot kann erst ausgesprochen werden, wenn ein Erreichen der von der Partei verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos ist.
Ja, in der Tat!
8. Die NPD verfügt in Deutschland über umfangreiche politische Wirkungsmöglichkeiten, sodass die erforderliche Potentialität vorliegt.
Nein!
9. Die NPD kann aber aufgrund ihrer Verfassungsfeindlichkeit von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden (Art. 21 Abs. 3 GG).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ri
9.2.2022, 20:33:43
Merkbild für fdGO: MÖRDER M: Menschenwürde, ÖR: öffentliche Gewalt an Recht gebunden,DE: Demokratieprinzip, R: Rechtsstaatlichkeit

Lukas_Mengestu
10.2.2022, 18:39:18
Danke Ri, wir haben das entsprechend ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Pilea
4.12.2022, 10:24:23
Ist ja ne coole Eselsbrücke, danke! 😄☺️
chuck lawris
20.2.2022, 10:42:55
Man bräuchte noch 1, 2 Anhaltspunkte im SV. Hier sind "nur" Verbindungen in den NSU genannt. Die Verbindung lässt so ja aber noch nicht auf die Beseitigung der freiheitliche demokratischen Grundordnung schießen. Und Frage: Der Bundesrat ist antragsbetechtigt. Reicht es also, dass ein Mitglied den Antrag stellt, braucht es einen Mehrheits
beschlussoder reichen 5 %? Ich würde es schnell selbst googlen, aber die App schmiert immer ab, wenn ich mich nicht ausschließlich ihr zuwende 🙈
chuck lawris
20.2.2022, 10:44:42
Man bräuchte noch 1, 2 Anhaltspunkte im SV. Hier sind "nur" Verbindungen in den NSU genannt. Die Verbindung lässt so ja aber noch nicht auf die Beseitigung der freiheitliche demokratischen Grundordnung schießen. Und Frage: Der Bundesrat ist antragsbetechtigt. Reicht es also, dass ein Mitglied den Antrag stellt, braucht es einen Mehrheits
beschlussoder reichen 5 %? Ich würde es schnell selbst googlen, aber die App schmiert immer ab, wenn ich mich nicht ausschließlich ihr zuwende🙈

Lukas_Mengestu
22.2.2022, 09:47:46
Hallo chuck lawris, danke für den Hinweis. Wir haben den Sachverhalt entsprechend präzisiert, sodass die tragenden Gründe der Verfassungsfeindlichkeit stärker zum Ausdruck kommen. Ein einzelnes Mitglied des Bundesrates kann keinen Antrag stellen, vielmehr bedarf es hierfür eines
Beschlusses des gesamten Organs. Beschlüsse des Bundesrates werden mit absoluter Mehrheit gefällt (Art. 52 Abs. 3 GG). Derzeit hat der Bundesrat 69 Stimmen (Jedes Land grds. 3 Stimmen, Länder mit mehr als 2 Mio Einwohner = 4, mehr als 6 Mio Einwohner = 5, mehr als sieben Millionen Einwohner = 6). Das heißt der
Beschlussmuss mit mindestens 35 Stimmen verabschiedet werden. Das Problem mit dem App-Wechsel haben wir auf dem Schirm und arbeiten schon an einer entsprechenden Lösung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
chuck lawris
22.2.2022, 16:16:37
Danke für die Antwort, Lukas 👌 Dass die App abschmiert, ist zwar in solchen Fällen blöde. Grundsätzlich zwingt es einen aber dazu, beim Fall zu bleiben und diesen erst fertig zu machen, bevor man sich wieder mit anderen Dingen beschäftigt. Das finde ich eigentlich sehr gut. Vielleicht kann man es so lassen und weist die User einfach darauf hin, dass sie den Fall von vorn machen müssen, wenn sie sich ablenken lassen 💁♂️
Lena <3
24.11.2022, 16:51:11
In den Aufgaben war bei den Parteienverbot die Aussage, dass man keine Partei als verfassungsfeindlich benennen darf. Ich hatte das so verstanden, dass nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden darf, dass eine Partei verfassungsfeindlich ist und dementsprechend zu handhaben ist. Bei dem Lehrbuch Staatsrecht I von Gröpl steht bei Teil II, §6 Rn 367 "Allerdings darf die Bundesregierung im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich Pflicht zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine politische Partei als verfassungsfeindlich qualifizieren, solange diese Einschätzung nicht auf sach
fremden Erwägungen beruht." Kann die Bundesregierung dann ohne das Bundesverfassungsgericht eine Partei als verfassungsfeindlich qualifizieren? Ich bin da leider gerade total verwirrt. Vielen Dank für eure Hilfe!

Nora Mommsen
29.11.2022, 16:02:54
Hallo lena0707, ich weiß leider nicht worauf Gröpl anspielt, aber grundsätzlich gilt das verfassungsrechtlich garantierte Parteienprivileg. Die Verfassungswidrigkeit festzustellen, obliegt gem. Art. 21 Abs. 4 allein dem BVerfG. Bis zur konstitutiven
Feststellungder Verfassungswidrigkeit ist jede administrative Einwirkung oder Schlechterstellung untersagt. Parteien werden dadurch im Vergleich zu sonstigen
Vereinigungen nach Art. 9 Abs. 2 privilegiert (sog. Parteienprivileg). Einschränkungen erfährt das Parteienprivileg durch sogenannte Extremismusvorbehalte im öffentlichen Dienst, der Vergabe von Fördermitteln oder im Waffenrecht. Auch die Überwachung durch den Verfasssungsschutz kann unter Umständen möglich sein ohne abgeschlossenes Verbotsverfahren. Eine von dir angesprochene Qualifizierung einer Partei als verfassungsfeindlich durch die Bundesregierung besteht hingegen nicht. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Lena <3
1.12.2022, 21:15:09
Vielen Dank für die Antwort! :)

Pilea
4.12.2022, 10:43:52
Super interessanter Fall. Ein paar Anmerkungen: 1. Im Sachverhalt fehlt bei 'Ausländern' ein 'n'; bei einer der Fragen fehlte ein Punkt. 2. Nach §43 II BVerfGG sind doch auch unter bestimmten Voraussetzungen Landesregierungen antragsbefugt. 3. Die Aufzählung "Ausländer, Migranten,.." ist unvollständig bzw. juristisch etwas ungenau. Die NPD setzt sich weniger (auch, aber seltener) gegen zB weiße Norweger oder US-Amerikaner ein, sondern häufiger gegen nicht-weiße Menschen, deren Vorfahren vor mehreren Generationen eingewandert sind, ein. Diese haben aber häufig einen deutschen Pass und sind dementsprechend keine Ausländer. Auch migriert sind solche Gruppen nicht.

Lukas_Mengestu
5.12.2022, 11:26:04
Danke Pilea für Deine Hinweise. Wir haben nun insbesondere einen Vertiefungshinweis ergänzt, wann die Landesregierung antragsberechtigt sind und im SV verdeutlicht, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Im🍑nderabilie
16.2.2023, 17:55:01
Ich habe eine kurze Verständnisfrage :) Die Parteienfinanzierung, beziehungsweise das Verbot der Finanzierung, darf meines Wissens auf Länderebene ja gerade nicht auf Art 21 GG gestützt werden. Wie lässt sich das mit der am Anfang des Falls bejahten grundsätzlichen Anwendbarkeit auf Länderebene vereinbaren? Irgendwie habe ich glaube ich
was missverstanden.
asanzseg
21.2.2023, 16:47:19
Bei dem Bezug auf die Länder am Anfang ging es nicht um eine "Übertragung" auf Länderebene sondern um die
Antragsbefugnisder Landesregierung falls die im Antrag bezeichnete Partei gem. §43 II BVerfGG nur in diesem Land "aktiv" ist. Dies gilt nach §43 I sowohl für den Finazierungsausschluss als auch für die Verfassungswidrigkeit. Ich hoffe das hilft :) bzw es war überhaupt diese Sache gemeint :D
Raphaeljura
11.4.2023, 13:05:52
Das würde bedeuten, dass ein Verbot immer die Potentialität zusätzlich voraussetzt. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass eine Partei ohne Potentialität die absurdesten und verfassungswidrigsten Positionen vertreten könnte ohne in Gefahr zu geraten verboten zu werden. Wo liegt denn die Potentialitätsschwelle?

DeliktusMaximus
25.10.2023, 00:50:42
Das kann das BVerfG wahrscheinlich auch nicht beantworten. Vermutlich ging es bei dem Urteil darum, die NPD von einer Klage mit ungewissem Ausgang vor dem EuGH abzuhalten.
Dogu
29.6.2024, 12:05:43
@[DeliktusMaximus](178154) Was hat die Sache mit dem EuGH zu tun? Hier sind doch keine Grundfreiheiten betroffen.

DeliktusMaximus
29.6.2024, 12:58:28
Die NPD hätte gegen ein Verbot durch das BVerfG beim EuGH klagen können.
Dogu
29.6.2024, 16:29:15
Welche Klageart? Der EuGH ist hier meines Erachtens nicht zuständig.
Dogu
29.6.2024, 16:30:04
Oder meintest du eher den EGMR? Der hat aber nichts mit EuGH oder EU zu tun.
MimiLernfuchs
3.9.2024, 08:46:34
Die freiheitliche demokratische Grundordnung wird in Paragraph 4 II VerSchG definiert und wurde dort 1:1 von einem BVerfG-Urteil übernommen. Also MÖRDER merken oder einfach im Gesetz nachschlagen :)
zuso
10.10.2024, 12:40:38
* BVerfSchG

Charles "Chuck" McGill
13.3.2025, 17:54:05
War bei dem Verfahren nicht noch die Durchsetzung des Vorstands mit V-Münmern problematisch?
at22
30.4.2025, 15:38:41
Hallo! Ihr schreibt hier, dass sich aus Art. 9 Abs. 2 GG bereits ergebe, dass ein Vereinsverbot der Exekutive obliegt. Das ergibt sich aber mE gerade nicht aus Art. 9 Abs. 2 GG. Erst in Verbindung mit § 3 VereinsG wird aber deutlich, dass es der Exekutive obliegt, die Tatbestandsmerkmale des Art. 9 Abs. 2 (bzw. wortgleich in § 3 VereinsG) festzustellen und sodann die Auflösung des Vereins anzuordnen (Legaldefinition des Verbots). Daher die Frage: Sieht das die hM so, dass Art. 9 Abs. 2 GG der Exekutive das Recht einräumt, Vereine zu verbieten? (Übrigens lief das Vereinsverbot gestern in der ÖR1-Klausur im 1. Examen in Berlin/Brandenburg)
pactasuntservanda04
9.5.2025, 23:00:36
Muss nur die Beeinträchtigung EINES Merkmals der freiheitlich demokratischen Grundordnung gewollt sein?