Öffentliches Recht
Staatsorganisations-Recht
Politische Parteien
Kein Ausschluss "verfassungsfeindlicher" Parteien von Fraktionszuwendungen
Kein Ausschluss "verfassungsfeindlicher" Parteien von Fraktionszuwendungen
26. April 2025
10 Kommentare
4,5 ★ (65.225 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Fraktionen in der Gemeindevertretung von B erhalten finanzielle Zuwendungen für ihre Geschäftsführung. Durch die neue Entschädigungssatzung werden Fraktionen aus Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien hiervon ausgeschlossen. Die betroffene N-Fraktion ist empört.
Diesen Fall lösen 69,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Kein Ausschluss "verfassungsfeindlicher" Parteien von Fraktionszuwendungen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die N-Fraktion kann die Entschädigungssatzung im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle gerichtlich überprüfen lassen (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die N-Fraktion ist entsprechend § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO antragsbefugt.
Ja!
3. Auch die Mitglieder der N-Fraktion sind entsprechend § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO antragsbefugt.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle ist begründet, wenn die angegriffene Rechtsvorschrift gegen höherrangiges Recht verstößt.
Ja, in der Tat!
5. Die Benachteiligung der N-Fraktion durch Ausschluss von der Fraktionsfinanzierung verstößt gegen die Grundrechte der Fraktion aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG.
Nein!
6. Die Benachteiligung der N-Fraktion durch Ausschluss von der Fraktionsfinanzierung greift in die objektivrechtliche Dimension des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ein.
Genau, so ist das!
7. Die Benachteiligung der N-Fraktion ist aufgrund von Art. 21 Abs. 3 GG gerechtfertigt, wonach verfassungsfeindliche Parteien von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen sind.
Nein, das trifft nicht zu!
8. Die Benachteiligung der N-Fraktion ist aufgrund der Verfassungsentscheidung für eine wehrhafte Demokratie gerechtfertigt.
Nein!
9. Die Benachteiligung der N-Fraktion durch Ausschluss von der Fraktionsfinanzierung verstößt damit gegen die objektiv-rechtliche Gewährleistung des Gleichheitssatzes
Genau, so ist das!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
QuiGonTim
17.4.2022, 23:36:19
Antragsbefugt sind gem. 47 Abs. 2 S. 1 VwGO nur natürliche und juristische Personen. Würde es in einem solchen Fall in der Klausur ausreichen, festzustellen, dass es sich bei der N-Fraktion um eine juristische Person handle, oder bedarf es dazu einer längeren Argumentation?

Lukas_Mengestu
21.4.2022, 15:46:36
Hallo QuiGonTim, der Wortlaut der Norm ist hier in der Tat zu eng. Denn bei Fraktionen handelt es sich nicht um eine juristische Person, sondern eine Vereinigung (vgl. § 61 Nr. 2 VwGO). Auch wenn der Wortlaut des § 47 Abs. 2 VwGO solche Vereinigungen nicht umfasst, so ist von der hM anerkannt, dass auch Vereinigungen, denen ein entsprechendes Recht zusteht, ein Normenkontrollverfahren anstrengen können. (vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5.A. 2018, § 47 RdNr. 261). Begründet wird dies u.a. mit dem Zweck der Norm. Denn durch das Normkontrollverfahren sollte ein Verfahren geschaffen werden, mit dem möglichst schnell Klarheit über die Gültigkeit einer unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsnorm geschaffen wird, über die sonst als Vorfrage in einem Verwaltungsstreitverfahren entschieden werden müsste. Wenn aber in einem solchen Vereinigungen klagen können, dann sei nicht einzusehen, warum diese nicht auch das Normenkontrollverfahren betreiben können (vgl. VGH Kassel, NVwZ 1988, 847). Dass auch Vereinigungen antragsbefugt sind, entspricht der ganz h.M. Du kannst Dich hier also durchaus kurz fassen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Marceli
13.9.2022, 12:17:44
Berlin hat inzwischen auch von § 42 I Nr. 2 VwGO in § 62 JustG Bln Gebrauch gemacht :)

Lukas_Mengestu
20.9.2022, 11:28:11
Hallo Marceli, vielen Dank für Deinen Hinweis. Kannst Du mir hier etwas auf die Sprünge helfen? § 62 JustG Berlin regelt die Besetzung des Oberverwaltungsgerichts, aber nicht die Einführung des Normenkontrollverfahrens in den Fällen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Dieses wird üblicherweise in den Ausführungsgesetzen zur VwGO der jeweiligen Länder (AGVwGO) geregelt. In Berlin findet sich hier aber kein Hinweis auf die Einführung des Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und auch ausweislich der Kommentarliteratur (zB BeckOK VwGO/Giesberts, 62. Ed. 1.7.2022, VwGO § 47 Rn. 24) wurde dieses hier noch nicht eingeführt. Beste Grüße, Lukas -für das Jurafuchs-Team
Marceli
20.9.2022, 11:40:43
Entschuldige bitte, ich meinte §62a JustG :)
Seriouz0G
8.8.2023, 20:46:32
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, weshalb iRd der Antragsbefugnis der Partei darauf abgestellt wird, dass die angegriffene Vorschrift dem Antragssteller einerseits ein organschaftliches Recht zuweist und andererseits eben dieses Recht verletzt. Jetzt stellt sich mir die Frage, inwiefern sich ein Recht auf finanzielle Zuwendung aus der, die Entschädigungsansprüche einschränkenden Vorschrift, ergibt?

Edward Hopper
13.8.2023, 20:39:42
Ich glaube da liegt ein Denkfehler. Ist besser zu verstehen wenn du erstmal vom "Normalfall" ausgehst, also dass alle Fraktionen Zuwenungen kassieren. In dem Moment ist diese Vorschrift eine, die den Fraktionen eine Rechtspostition (Anspruch auf Zuwendung) zuteilt. Jetzt in dem Beispiel fehlt diese, somit ist die rechtsposition der Fraktion N verletzt, da sie keine Zuwendung erhält. Wenn man jetzt sagen würde sie kriegt keine Zuwendung, deshalb kann sie auch gar nicht beim fehlbleiben dieser benachteiligt sein ist ein logischer Fehlschluss, da beisst sich die Katze am Schwanz. Die Vorschrift weist quasi (vom Gesamtbild also im Verhätnis zu den anderen die ja eine Zuwenung kriegen) eine nachteilige position zu. und ads ist eben gerchtfertigt oder nicht
Stella2244
20.11.2024, 11:53:39
Wie wäre es ist Hamburg?
Stella2244
20.11.2024, 11:56:24
Ich verstehe leider eure Antwort zur Frage „Die Benachteiligung der N-Fraktion ist aufgrund der Verfassungsentscheidung für eine wehrhafte Demokratie gerechtfertigt“ in Bezug auf Art. 9 II GG nicht. Was meint ihr da? könntet ihr das nochmal erklären? Danke!

di203
15.1.2025, 18:12:21
Im Urteil steht dazu folgendes: "Unzulässig ist nach Art. 9 Abs. 2 GG auch die angegriffene satzungs
rechtliche Ungleichbehandlung von Fraktionen aus Vertretern verfassungsfeindlicher (Wähler-)Vereinigungen. Ebenso wie Art. 21 Abs. 2 GG a.F. schließt Art. 9 GG jede Benachteiligung von Fraktionen wegen einer Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zu verfassungsfeindlichen Vereinigungen oder deren Tätigkeit für solche Vereinigungen aus, bis gemäß § 3 des Vereinsgesetzes (VereinsG) in einem förmlichen Verfahren festgestellt wird, dass der Verein gemäß Art. 9 Abs. 2 GG verboten ist." Das zielt auf einen zuvor im Urteil genannten Gedanken ab: " Solche Parteien durften nach Art. 21 Abs. 2 GG a.F. zwar politisch bekämpft werden, sollten bis zur konstitutiven Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit aber von jeder
rechtlichen Behinderung ihrer politischen Aktivität frei sein". Vielleicht hilft das. Quelle: Urteil des 10. Senats vom 27. Juni 2018 - BVerwG 10 CN 1.17. Seiten 15-18