Öffentliches Recht

Europarecht

Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV

Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV („Graf")

Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV („Graf")

12. November 2024

4,7(3.863 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die deutsche Staatsangehörige L kündigt ihren Job bei einem österreichischen Unternehmen und verlangt eine Abfindung. Die nationalen Regelungen sehen eine Abfindung jedoch nur vor, wenn der Arbeitnehmer die Beendigung des Vertrags nicht selbst herbeigeführt hat.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV („Graf")

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit beinhaltet nur ein Diskriminierungsverbot. Unterschiedslos wirkende Beschränkungen stellen daher keine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar.

Nein, das trifft nicht zu!

Ausdrücklich normiert Art. 45 Abs. 2 AEUV nur ein Diskriminierungsverbot. Allerdings hat der EuGH die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in seiner Bosman-Rechtsprechung zu einem Beschränkungsverbot ausgeweitet. Nach der sog. Bosman-Formel stellen alle Maßnahmen, die den Arbeitnehmer daran hindern, ihn davon abhalten oder es für ihn weniger attraktiv machen, sein Herkunftsland zu verlassen (und damit Freizügigkeitsrecht wahrzunehmen) Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar. Dies gilt also auch dann, wenn die Maßnahme unabhängig von der Staatsangehörigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden (sog. unterschiedslose Beschränkungen).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Nationale Maßnahmen sind nur dann geeignet den Zugang zum Arbeitsmarkt für ausländische Arbeitnehmer zu beeinträchtigen, wenn sie nicht zu ungewiss und indirekt sind.

Ja!

Nach der Rechtsprechung des EuGH in Sachen Graf müssen die nationalen Maßnahmen eine bestimmte Qualität aufweisen, um als Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit qualifiziert zu werden. Nationale Maßnahmen sind demnach nicht geeignet die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu beeinträchtigen und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu beeinflussen, wenn sie weder zu ungewiss noch zu indirekt sind. Die Anforderung, dass Maßnahmen "nicht zu ungewiss und nicht zu indirekt" sein dürfen, hat der EuGH später auch auf die Warenverkehrsfreiheit übertragen.

3. Die vorliegende nationale Maßnahme ist vor diesem Hintergrund jedoch geeignet, die L daran zu hindern oder davon abzuhalten ihr Arbeitsverhältnis zu beenden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der EuGH entschied, dass die Regelung nicht geeignet war L daran zu hindern ihr Arbeitsverhältnis zu beenden, um in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten. Die nationale Maßnahme könne die Entscheidung der L allenfalls indirekt beeinflussen. L könne die Entstehung des Abfindungsanspruchs ohnehin nicht beeinflussen. Vielmehr hänge die Entstehung des Anspruchs von einer Kündigung seitens des Arbeitgebers und damit von einem hypothetischen Ereignis ab. Dieses Ereignis sei zu ungewiss und indirekt, als dass dahingehende ungleiche Rechtsfolgen die Arbeitnehmerfreizügigkeit der L beeinträchtigen könnten.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Chris162

Chris162

24.8.2023, 18:56:45

Vorletzte Aussage: Nationale Maßnahmen sind nur dann geeignet den Zugang zum Arbeitsmarkt für ausländische Arbeitnehmer zu beeinträchtigen, wenn sie nicht zu ungewiss und indirekt sind -> heißt umgekehrt: Ungewisse und indirekte nationale Maßnahmen sind nicht geeignet den Zugang zum Arbeitsmarkt für ausländische AN zu beeinträchtigen -> im Maßstab steht aber: Nationale Maßnahmen sind nicht geeignet die ANF zu beeinträchtigen, wenn sie weder zu ungewiss noch zu indirekt sind -> da müsste das "nicht" dann aber falsch sein

der unerkannt geisteskranke E

der unerkannt geisteskranke E

30.1.2024, 09:34:39

Ja, sehe ich auch so. Es müsste wohl heißen: Die Maßnahme ist nur geeignet, die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu beeinträchtigen, wenn sie nicht zu ungewiss oder zu indirekt ist. oder: Die Maßnahme ist nicht geeignet, die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu beeinträchtigen, wenn sie zu ungewiss oder zu indirekt ist.

BEN

benjaminmeister

28.9.2024, 10:25:36

Im Nachbarthread wurde bereits richtig angemerkt, dass im Maßstab einer der Antworten die doppelte Verneinung falsch ist. Die Aufgabe sollte angepasst werden.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen