Aufnahmezwang im Spaßverein?

19. April 2025

4 Kommentare

4,8(4.037 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A möchte Mitglied im nahegelegenen Spiel- und Sportverein Blankenese e.V. werden. Der Vorstand lehnt As Aufnahme ab. A wird keine Begründung dafür genannt.

Diesen Fall lösen 85,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Aufnahmezwang im Spaßverein?

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer BaWü 2024

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Grundsätzlich haben Vereine die Pflicht, jede Person als Mitglied aufzunehmen.

Nein!

Die Aufnahme oder Nichtaufnahme eines Mitglieds kann grundsätzlich vom Verein frei entschieden werden. Insofern hat die sich aus § 25 BGB ergebende Vereinsautonomie Vorrang. Selbst wenn der Verein in der Satzung Voraussetzungen für den Beitritt festgelegt hat, besteht bei Vorliegen dieser Voraussetzungen noch kein Recht auf Aufnahme.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. In Ausnahmefällen kann der Verein einem Aufnahmezwang unterliegen.

Genau, so ist das!

In besonderen Konstellationen ist anerkannt, dass ein Verein einem Kontrahierungszwang unterliegt. Das ist der Fall, wenn der Verein eine Monopolstellung oder überragende Machtstellung hat. Eine solche liegt in bestimmten Fällen bei Wirtschafts- oder Berufsvereinigungen vor. Ein Aufnahmezwang besteht auch, wenn die Ablehnung eine sittenwidrige Schädigung darstellt und daher unter § 826 BGB fällt.

3. Unterliegt der Spiel- und Sportverein Blankenese e.V. einem Aufnahmezwang?

Nein, das trifft nicht zu!

Es ist nicht ersichtlich, dass der Verein eine überragende Machtstellung im Sinne des Kartellrechts oder gar ein Monopol innehat. Vielmehr handelt es sich um einen lokalen Sportverein. Dieser ist daher auch keine Wirtschafts- oder Berufsvereinigung. Außerdem ist dem A kein erkennbarer Schaden durch die Nichtaufnahme entstanden, eine sittenwidrige Schädigung ist somit ausgeschlossen.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ASA

asanzseg

11.7.2023, 14:46:51

Könnten Ihr vielleicht zur Vertiefung den aktuellen Fall des NPD Politikers einfügen, der in einem Sportverein Mitglied war und den man (durch Gericht zurecht bestätigt) rausschmeissen durfte. AZ: 1 BvR 187/21

CR7

CR7

22.11.2024, 09:05:21

Hier mal als Übersicht für Interessierte (Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/02/rk20230202_1bvr018721.html) Der Beschwerdeführer, langjähriges Mitglied und Landesvorsitzender der NPD, wurde 2014 Mitglied eines gemeinnützigen Sportvereins. Der Verein änderte 2018 seine Satzung, um die Mitgliedschaft an die Zustimmung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu knüpfen und den Ausschluss von Mitgliedern extremistischer Organisationen, wie der NPD, zu ermöglichen. 2019 beschloss der Vereinsvorstand nach Anhörung, den Beschwerdeführer auszuschließen, da seine Aktivitäten als Landesvorsitzender der NPD im Widerspruch zu den Vereinszielen stünden. Der Beschwerdeführer legte zunächst vereinsinterne Rechtsmittel ein und rief anschließend die Zivilgerichte an, die seinen Ausschluss als rechtmäßig bestätigten. Mit seiner Verfassungsbeschwerde machte er geltend, dass der Ausschluss gegen das Diskriminierungsverbot aus

Art. 3 GG

verstoße, da er wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt werde. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Dies erfolgte aus folgenden Gründen: 1. Vereinsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) Das Grundrecht der Vereinsfreiheit garantiert Vereinen das Recht, über ihre Aufnahme- und Ausschlusskriterien selbst zu bestimmen. Die Vereinsautonomie erlaubt es dem Verein, seinen Zweck und seine Werte, hier die Orientierung an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, in der Satzung zu verankern. Der Ausschluss des Beschwerdeführers war auf die Satzungsregelungen gestützt, die ausdrücklich Mitglieder von extremistischen Organisationen ausschließen. 2. Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Der Verein hat sich klar gegen extremistische und rassistische Bestrebungen positioniert und dies in seiner Satzung verankert. Die Satzung sieht Handlungsspielraum für den Einzelfall sowie ein rechtliches Anhörungsverfahren vor, was nach Ansicht des Gerichts den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Das Gericht sieht die NPD, deren Landesvorsitzender der Beschwerdeführer ist, aufgrund ihrer verfassungsfeindlichen Zielsetzungen als extreme Organisation an (unter Verweis auf frühere BVerfG-Entscheidungen). 3. Abwägung zwischen Vereinsfreiheit und Diskriminierungsverbot Das Gericht hat zwischen der Vereinsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) und dem Benachteiligungsverbot wegen politischer Anschauung (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) abgewogen. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Vereinsfreiheit ein stark geschütztes Grundrecht ist, das es Vereinen erlaubt, ihre Mitglieder nach bestimmten Kriterien auszuwählen. Der Schutz des Beschwerdeführers vor Benachteiligung wegen seiner politischen Anschauung wurde hier nicht als vorrangig angesehen, weil er als aktiver Landesvorsitzender einer verfassungsfeindlichen Partei eine verfassungswidrige Zielsetzung vertritt. 4. Fehlende substantielle Darlegung einer Grundrechtsverletzung, da keine Monopolstellung und strukturelle Überlegenheit Der Beschwerdeführer konnte nicht hinreichend darlegen, dass die gerichtlichen Entscheidungen spezifisches Verfassungsrecht verletzt haben. Das Gericht sah keine spezifische Konstellation, die eine unmittelbare Bindung des Vereins an das Benachteiligungsverbot aus

Art. 3 GG

erforderlich macht. Es handelt sich um einen kleineren Amateur-Sportverein ohne Monopolstellung oder strukturelle Überlegenheit, weshalb besondere

gleichheitsrecht

liche Anforderungen nicht gegeben sind. 5. Eingeschränkte [sportliche] Beeinträchtigung des Beschwerdeführers Das Gericht betonte, dass die Beeinträchtigung des Beschwerdeführers moderat ist, da es ihm weiterhin freisteht, sportlich aktiv zu sein, ohne zwingend auf eine Mitgliedschaft in diesem speziellen Verein angewiesen zu sein.

BRSA

BrSa

10.10.2024, 12:44:39

Aufnahmezwang kam im Bawü Examen Hws 2024 dran

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

17.10.2024, 17:41:34

Hallo BrSa, vielen Dank für Deinen Hinweis! Es ist großartig zu hören, dass einer unserer Fälle tatsächlich im Examen dran kam. Wir haben diese Information notiert und werden sie in unserer App entsprechend kennzeichnen, um die Examensrelevanz für die Community sichtbar zu machen. Deine Rückmeldung hilft uns, die Vorbereitung für alle Nutzer zielgerichteter zu gestalten und die Qualität unserer Inhalte stetig zu verbessern. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald die Kennzeichnung in der App sichtbar ist. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen