Nachbarrecht I: Fair and equitable use of shared resources 1


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Oberanrainerstaat O entnimmt regelmäßig Wasser aus dem Rio Bravo. Unteranrainerstaat U erreicht dadurch bedrohlich wenig Wasser. Unbeeindruckt verweist O auf seine territoriale Souveränität. Diese erlaube ihm die Nutzung "seiner Ressourcen" nach freiem Belieben.

Einordnung des Falls

Nachbarrecht I: Fair and equitable use of shared resources 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die territoriale Souveränität bezeichnet die unabhängige Verfügungsgewalt eines Staates über sein Staatsgebiet.

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Genau, so ist das!

Die territoriale Souveränität folgt aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten. Handlungen eines Staates auf dem Staatsgebiet eines anderen Staates ohne dessen Einwilligung und ohne Vorliegen eines völkerrechtlichen Rechtfertigungstitels verletzen die territoriale Integrität des betroffenen Staates. Die territoriale Souveränität und territoriale Integrität sind Grundprinzipien des Völkerrechts und spielen in ganz verschiedenen Bereichen des Völkerrechts eine entscheidende Rolle.

2. Die territoriale Souveränität erlaubt es Staaten, auch grenzübergreifende Ressourcen nach Belieben zu nutzen.

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Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich erlaubt die territoriale Souveränität einem Staat, die auf seinem Territorium befindlichen Ressourcen nach Belieben zu nutzen. Allerdings führt dieser Grundsatz (sog. Theorie der absoluten Souveränität ) im Kontext grenzübergreifender Ressourcen zu Ergebnissen, die mit der modernen Völkerrechtsordnung nicht zu vereinbaren sind. Denn der Nutzungsanspruch des einen Staates träte in Konflikt mit der territorialen Integrität des anderen Staates. Hier zeigt sich einmal mehr, dass das Völkerrecht auf einen angemessenen Ausgleich zwischen den kollidierenden Interessen von Staaten als primären Völkerrechtssubjekten abzielt.

3. Die territoriale Souveränität der Staaten erfährt bei der Nutzung grenzübergreifender Ressourcen eine Einschränkung aus dem völkerrechtlichen Nachbarrecht.

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Ja!

Das völkerrechtliche Nachbarrecht trägt dem Umstand Rechnung, dass Gebietsnachbarn auf friedliche Koexistenz angewiesen sind und in besonderem Maße voneinander abhängen. Das Good-Neighbourliness-Prinzip ist verbindliches Leitbild dieser nachbarrechtlichen Beziehungen und wird weiter konkretisiert durch völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtssätze. Immer dort, wo Konflikte und kollidierende Interessen von Staaten besonders häufig auftreten, ist die völkerrechtliche Regelungsdichte vergleichsweise hoch. Dies gilt für Auseinandersetzungen zwischen Nachbarstaaten in besonderem Maße.

4. Das völkerrechtliche Nachbarrecht verbietet Staaten jede Nutzung grenzübergreifender Ressourcen, die deren Nutzung durch einen anderen Staat beeinträchtigt.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Das völkerrechtliche Nachbarrecht ist um einen gerechten Ausgleich der kollidierenden Souveränitätsansprüche zwischen Gebietsnachbarn bemüht. Würde Staaten jede Nutzung grenzübergreifender Ressourcen untersagt, die die Nutzung des anderen Staates beeinträchtigt, würde die territoriale Integrität des nicht-nutzenden, betroffenen Staates pauschal privilegiert (sog. Theorie der absoluten territorialen Integrität). Dies würde die territoriale Souveränität des nutzenden Staates außer Acht lassen, die Handlungsfähigkeit der Staaten erheblich einschränken und damit keinen gerechten Ausgleich erzielen. So sehr das Völkerrecht um Interessensausgleich bemüht ist, so sehr beschränkt sich dieser Interessenausgleich in vielen Konstellationen auf die Vermeidung besonders schwerwiegender Ungleichgewichte.

5. Bei der Nutzung grenzübergreifender Ressourcen müssen die Interessen der involvierten Staaten schonend in Ausgleich gebracht werden.

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Ja, in der Tat!

Aus dem sog. Gebot der ausgewogenen Mitbenutzung grenzübergreifender Ressourcen folgt das Anliegen, die Nutzungsinteressen der Staaten, deren Gebietshoheit sich auf die grenzübergreifende Ressource erstreckt, schonend auszugleichen. Die Abwägungsfaktoren sind einzelfallabhängig und hängen etwa ab von der Bevölkerungsdichte oder den wirtschaftlichen Interessen an den betroffenen grenzübergreifenden Ressourcen. Gebot der ausgewogenen Mitbenutzung grenzübergreifender Ressourcen ist eine Ausformung des Good-Neighbourliness-Prinzips.

6. O verletzt das Gebot der ausgewogenen Mitbenutzung grenzübergreifender Ressourcen.

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Ja!

Die Wasserentnahme des O verletzt das Gebot der ausgewogenen Mitbenutzung grenzübergreifender Ressourcen, wenn es die Nutzungsinteressen von U unverhältnismäßig beeinträchtigt. O beansprucht die Wasserquelle gänzlich für sich und kann zudem seine vollumfängliche Nutzung der Ressource auf kein berechtigtes Interesse stützen, sodass Us Nutzungsinteressen unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Das Gebot der ausgewogenen Mitbenutzung ist v.a. Optimierungsgebot. Eine Verletzung setzt eine evidente Fehlgewichtung der verschiedenen Souveränitätsansprüche voraus. Die Nutzungsregelung von grenzübergreifenden Wasserressourcen erfolgt daher primär über mulitlaterale Übereinkommen (z.B. UN-Gewässer-Konvention).

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