+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Das Habitat einer vom Aussterben bedrohten Sittichart beschränkt sich auf zwei Staaten. Die warmen Sommermonate verbringen die Sittiche im Nordstaat N, die kalten Wintermonaten im Südstaat S. S will den Fang der kostbaren Tiere genehmigen. N legt ein Veto ein.
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Einordnung des Falls
Nachbarrecht II: Fair and equitable use of shared resources (Veto / migratory species)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die territoriale Souveränität bezeichnet die unabhängige Verfügungsgewalt eines Staates über sein Staatsgebiet.
Genau, so ist das!
Die territoriale Souveränität folgt aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten. Handlungen eines Staates auf dem Staatsgebiet eines anderen Staates ohne dessen Einwilligung und ohne Vorliegen eines völkerrechtlichen Rechtfertigungstitels verletzen die territoriale Integrität des betroffenen Staates.
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2. Die territoriale Souveränität erlaubt es Staaten, auch grenzübergreifende Ressourcen nach freiem Belieben zu nutzen.
Nein, das trifft nicht zu!
Grundsätzlich erlaubt die territoriale Souveränität einem Staat, die auf seinem Territorium befindlichen Ressourcen nach Belieben zu nutzen. Allerdings führt dieser Grundsatz (sog. Theorie der absoluten Souveränität ) im Kontext grenzübergreifender Ressourcen zu Ergebnissen, die mit der modernen Völkerrechtsordnung nicht zu vereinbaren sind. Denn der Nutzungsanspruch des einen Staates träte dann in Konflikt mit dem Nutzungsanspruch des anderen Staates.
3. N steht ein Vetorecht gegen die Fangerlaubnis in S zu.
Nein!
Ein Vetorecht ließe sich auf Basis der sog. Theorie der absoluten territorialen Integrität begründen, die die territoriale Souveränität des anderen Staates unberücksichtigt lässt. Vorzugswürdig ist das Gebot der ausgewogenen Mitbenutzung grenzübergreifender Ressourcen, da es territoriale Integrität und territoriale Souveränität in einen schonenden Ausgleich bringt.
Weil auch die Interessen von S am Fang der seltenen Sittiche völkerrechtlich geschützt ist, würde Ns Veto die territoriale Souveränität von S unberücksichtigt lassen. Ein Veto steht N daher nach allgemeinem Völkerrecht nicht zu.
Das Gebot der ausgewogenen Mitbenutzung grenzübergreifender Ressourcen ist eine Ausformung des Good-Neighbourliness-Prinzips des völkerrechtlichen Nachbarschaftsrechts.
4. N hat mit Blick auf die Fangerlaubnis in S ein Recht auf Information, Benachrichtigung und Konsultation .
Genau, so ist das!
Aus dem Gebot der ausgewogenen Mitbenutzung grenzübergreifender Ressourcen folgen bestimmte Verfahrensverpflichtungen. Sie sollen sicherstellen, dass die Interessen des betroffenen Nachbarstaates auch gehört werden. Kommt ein Staat seinen Verfahrensverpflichtungen nicht nach, kommt eine Haftung aus dem Gebot der ausgewogenen Mitbenutzung grenzübergreifender Ressourcen in Betracht. N hat zwar kein Vetorecht gegen die Fangerlaubnis in S. Damit aber sichergestellt ist, dass Ns Interessen am Bestand der seltenen Sittichart hinreichend berücksichtigt werden, muss S den N über die Fangerlaubnis informieren und Konsultationen über den Fortgang und Umfang der Maßnahmen ermöglichen.