Öffentliches Recht

Völkerrecht

Umweltvölkerrecht

Nachbarrecht III: Schädigungsverbot (Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbelastungen)

Nachbarrecht III: Schädigungsverbot (Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbelastungen)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Schweinchenstaat S führt giftige Abwässer in den Grenzfluss zum Nachbarstaat N ab. Die Wiederaufbereitung ist ihm zu aufwändig. Der Fluss ist Grundwasserquelle von N's Bevölkerung, die bald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen beklagt.

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Einordnung des Falls

Nachbarrecht III: Schädigungsverbot (Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbelastungen)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kraft seiner Gebietshoheit kann S die giftigen Abwässer auf seiner Seite des Grenzflusses beliebig abführen.

Nein, das trifft nicht zu!

Zwar hat ein Staat im Grundsatz kraft seiner territorialen Souveränität unabhängige Verfügungsgewalt über sein Staatsgebiet. Jedoch verletzen Handlungen eines Staates, die in die Gebietshoheit eines anderen Staates ohne dessen Einwilligung und ohne Vorliegen eines völkerrechtlichen Rechtfertigungsgrundes eingreifen, die territoriale Integrität des betroffenen Staates. Die Einleitung giftigen Abwassers durch S in den Grenzfluss mit N beinhaltet nicht bloß eine Nutzung des eigenen Hoheitsgebiets durch S, sondern auch eine Inanspruchnahme des Hoheitsgebiets von N durch S. Denn der Grenzfluss, in den S die giftigen Abwässer einführt, gehört sowohl zum Territorium von S als auch von N.
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2. Das Good-Neighbourliness-Prinzip selbst verpflichtet Staaten, die territoriale Integrität des Nachbarstaates zu achten.

Nein!

Beim Good-Neighbourliness-Prinzip handelt es sich um ein verbindliches Leitbild zur Gestaltung zwischenstaatlicher nachbarlicher Beziehungen (vgl. auch Art. 74 UN-Charta). Es allein begründet jedoch auch aufgrund seiner Konturlosigkeit keine Rechte oder Pflichten; dafür bedarf es weiterer Konkretisierung.

3. Das Verbot, die Umwelt eines anderen Staates erheblich zu schädigen, ist völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.

Genau, so ist das!

Bei Schädigungen grenzübergreifender Ressourcen verletzt der schädigende Staat die territoriale Integrität eines anderen Staates in Ausübung seiner territorialen Souveränität. Um diese kollidierenden Souveränitätsansprüche auszugleichen, existiert das Schädigungsverbot. Es konkretisiert das Good-Neighbourliness-Prinzip. Als Geburtsstunde gilt der Trail-Smelter-Schiedsspruch von 1941. Die Völkerrechtspraxis hat das Schädigungsverbot mittlerweile als Völkergewohnheitsrecht bestätigt (z.B. der IGH im Corfu-Channel-Urteil oder Nuklearwaffen-Gutachten). Relevante Staatenpraxis kommt in Prinzip 21 der Stockholm-Deklaration oder Grundsatz 2 der Rio-Deklaration zum Ausdruck.

4. S verletzt das Schädigungsverbot zulasten N.

Ja, in der Tat!

Das Schädigungsverbot ist verletzt, wenn ein Staat erheblich negativ auf die Umwelt eines anderen Staates einwirkt. Erheblich ist die Einwirkung, wenn sie die territoriale Integrität des betroffenen Staates unzumutbar beeinträchtigt. Die toxischen Stoffe der Abwässer reichern sich im Grenzfluss an und verursachen schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen unter Ns Bevölkerung. Dieser negativen Umwelteinwirkung steht eine bloße Aufwandsersparnis zugunsten des S gegenüber. Die Umwelteinwirkung ist für N angesichts ihres Ausmaßes und mangels berechtigten Interesses auf Seiten von S unzumutbar und damit erheblich. Das Schädigungsverbot ist verletzt.
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