Öffentliches Recht

Polizei- und Ordnungsrecht

Grundlagen

Weiterer Fall zur Verdeutlichung des Polizei- und Ordnungsrechts (Sekundärebene)

Weiterer Fall zur Verdeutlichung des Polizei- und Ordnungsrechts (Sekundärebene)

13. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Autofahrerin A parkt ihr Auto im absoluten Halteverbot. Zwei Tage später stellt sie fest, dass ihr Auto abgeschleppt wurde. Die zuständige Behörde verlangt von A die Erstattung der Kosten des mit dem Abschleppvorgang beauftragten Abschleppunternehmers U.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Weiterer Fall zur Verdeutlichung des Polizei- und Ordnungsrechts (Sekundärebene)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Staat ist zur Gefahrenabwehr verpflichtet. Deshalb muss er auch alle hiermit verbundenen Kosten tragen.

Nein, das trifft nicht zu!

Gefahrenabwehr als zentrale staatliche Aufgabe ist grundsätzlich durch den "Steuerstaat" zu finanzieren. Wendet der Staat hingegen besondere Mittel auf oder schaltet sogar Dritte ein, um einen rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen, kann es im Sinne einer gerechten Lastenverteilung sogar geboten sein, dass nicht der Staat und damit auch nicht die Allgemeinheit die Kosten zu tragen hat. Die Pflicht zur Kostentragung folgt hierbei grundsätzlich der gefahrenabwehrrechtlichen Verantwortlichkeit. Diese trifft also denjenigen, der den rechtswidrigen Zustand zu verantworten hat.
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2. Der Erlass eines Kostenbescheides bedarf einer gesetzlichen Grundlage.

Ja!

Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) abgeleitete Grundsatz des Vorbehalt des Gesetzes verlangt zumindest für belastendes staatliches Handeln eine gesetzliche Grundlage. Die Auferlegung von Kosten ist belastendes staatliches Handeln und bedarf daher einer gesetzlichen Grundlage. Im Einzelfall kann die Abgrenzung und Identifikation der richtigen Rechtsgrundlage - wie auch auf der Primärebene - schwierig sein. Eine Generalklausel wie es sie für die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in den Landesgesetzen gibt, gibt es für die Auferlegung von Kosten nicht.

3. A kann gegen den Kostenbescheid im Wege der Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO vorgehen.

Genau, so ist das!

Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt wird (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Der Kostenbescheid erfüllt alle Voraussetzungen des Verwaltungsaktes nach § 35 S. 1 VwVfG. Statthafte Klageart ist somit die Anfechtungsklage. Die Rechtmäßigkeit des Kostenbescheides ist auch von den formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen wie etwa dem Anhörungserfordernis gem. § 28 Abs. 1 VwVfG abhängig.

4. Für die materielle Rechtmäßigkeit eines Kostenbescheides ist es stets ohne Bedeutung, ob die ursprüngliche Vollstreckungsmaßnahme rechtmäßig war.

Nein, das trifft nicht zu!

Aus dem verfassungsrechtlichen Gesetzmäßigkeitsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt, dass nur die Kosten rechtmäßiger Maßnahmen dem Verantwortlichen auferlegt werden können. Die materielle Rechtmäßigkeit eines Kostenbescheides hängt somit maßgeblich von der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Vollstreckungsmaßnahme ab (sogenannter Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen Primär- und Sekundärebene). Dies führt dazu, dass in einer Klausur, in der der Kläger einen Kostenbescheid angreift, inzident immer auch die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Vollstreckungsmaßnahme zu prüfen ist. Im Einzelnen ist hier umstritten, ob zwingende Voraussetzung auch die formelle Rechtmäßigkeit ist oder ob die materielle Rechtmäßigkeit ausreicht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JACK

Jack

3.10.2021, 16:39:58

Betrifft der

Kostenbescheid

nicht die Tertiärebene?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.10.2021, 20:03:43

Hallo Jack, die Terminologie ist hier leider im Verwaltungsrecht nicht ganz einheitlich. Teilweise wird die von Dir beschriebene Dreiteilung vorgenommen (Grund-VA = Primärebene; Vollstreckungsmaßnahme = Sekundärebene;

Kostenbescheid

= Tertiärebene). Andere dagegen teilen das Verwaltungshandeln dagegen in die

tat

sächliche Gefahrenabwehr einerseits (Primärebene = Grund-VA+Verwaltungsvollstreckung) und ihre wirtschaftliche Abwicklung andererseits (Sekundärebene) ein (so zum Beispiel Poscher/Rusteberg, Die Klausur im Polizeirecht (Teil 4), Jus 2012, 26). Du kannst Dich also für eine Variante entscheiden, solange Du es einheitlich handhabst. Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team

LO

losrimos

3.4.2023, 21:51:33

Ich glaube das stimmt doch nicht so ganz. Denn es kommt allenfalls nicht auf die

Rechtmäßigkeit

der Maßnahme an, sofern die Maßnahme doch bestandskräftig bzw. Rechtmäßig geworden ist. Denn auch

rechtswidrig

e VAe können bestandskräftig werden. Daher kann innerhalb eines

Kostenbescheid

es der Grund VA auf den die Vollstreckungsmaßnahme

rechtswidrig

sein. Bitte um Rückmeldung. Liebe Grüße.

LO

losrimos

3.4.2023, 21:52:56

Beruht*

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.4.2023, 16:44:14

Hallo losrismos, vielen Dank für Deinen Hinweis. Hier ging es allerdings nicht um den Grund-VA, sondern die Vollstreckungsmaßnahme. Diese muss rechtmäßig sein, damit der

Kostenbescheid

rechtmäßig ist. Im gestreckten Verfahren ist dies der Fall, wenn ein wirksamer und vollstreckbarer Grund-VA vorliegt (=bestandskräftig/unanfechtbar bzw. sofort vollziehbar). Auf die

Rechtmäßigkeit

des Grund-VA kommt es für die Vollstreckungsmaßnahme hier nicht an und nach der Rspr. des BVerwG somit auch nicht für den

Kostenbescheid

(Argumente: (1) Titelfunktion des VA, (2) Wortlaut der Kostenersatzvorschriften setzt idR lediglich rechtmäßige Vollstreckung nicht aber rechtmäßigen Grund-VA voraus, (3) Bürger nicht schutzlos, da er gegen Grund-VA vorgehen könne). Anders ist dies in dem klausurrelevanten Fall des

Sofortvollzug

s/

unmittelbare Ausführung

(zB Abstellen eines Fahrzeugs in gefährlichem Bereich ohne Verkehrszeichen als Grund-VA). Hier ist im Zuge der Vollstreckung zu prüfen, ob ein hypothetisch erlassener VA rechtmäßig wäre (vgl. zB § 55 Abs. 2 LVwVG NRW ("innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse": https://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?xid=146966,58,20030128). In diesem Fall ist die

Rechtmäßigkeit

eines hypothetischen VA ausschlaggebend für die

materielle Rechtmäßigkeit

der Vollstreckungsmaßnahme und damit zugleich auch für die

materielle Rechtmäßigkeit

des

Kostenbescheid

s. Diese nicht ganz einfach Inzidentprüfung ist sehr beliebt bei Prüfungsämtern. Ich hoffe, jetzt ist es noch etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LO

losrimos

4.4.2023, 18:34:41

Okay jetzt konnte ich der Frage folgen. Danke für die Rückmeldung.


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