Öffentliches Recht
Grundrechte
Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)
Tragen eines Kopftuchs
Tragen eines Kopftuchs
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Schülerin S ist gläubige Muslimin und trägt gemäß den Vorschriften ihrer Religion ein Kopftuch. Ihre Mitschüler sind der Meinung, es reiche völlig aus, wenn S ihr Kopftuch zu Hause trage. S lehnt dies ab. Auf Drängen der Mitschüler verweist Direktor D die S schließlich der Schule.
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Einordnung des Falls
Tragen eines Kopftuchs
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Tragen eines Kopftuchs fällt aus dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit heraus, da ein religiöses Bekenntnis verbal geäußert werden muss.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Nicht alle Musliminnen erachten das Tragen eines Kopftuchs als für sich religiös verpflichtend. Fällt das Tragen eines Kopftuchs daher aus dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit heraus?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Das Tragen eines Kopftuchs in der Schule fällt aus dem Schutzbereich der Glaubensfreiheit heraus, weil die Freiheit zum religiösen Bekenntnis nur im privaten Raum geschützt ist.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
GilgameshTG
28.8.2022, 21:17:41
Ich verstehe einerseits die Argumen
tation, weshalb das Kopftuch unter die Bekenntnisfreiheit fallen soll. Andererseits halte ich es aber insbesondere mit Blick auf den verpflichtenden Charakter, der hier auch angesprochen wird, für deutlich plausibler, das Kopftuchtragen unter die Betätigungsfreiheit zu subsumieren. So handelt es sich ja gerade um ein religiös motiviertes, subjektiv verpflichtendes Verhalten für viele Muslima und eben nicht um ein Kundtun der Religion. Genauso wie das Beten in einem anderen Fall hier, das ja auch nicht als "
konkludentes Bekenntnis" bewertet wurde, sondern eben als Verhalten im Sinne der religiösen Vorschriften. Liegt die abweichende Kopftuch-Subsumtion vielleicht an der Diskussion um Lehrkräfte, denen das Kopftuch verboten wurde? Denn dort wird es ja
tatsächlich gerne mit der "Kreuzkette" verglichen, was aber mE noch eher den Unterschied deutlich macht: Eine Kreuzkette bei Christen ist ein freiwilliges Bekenntnis nach außen, ein Kopftuch bei Muslima ein verpflichtendes Verhalten für sich selbst.
Nora Mommsen
13.9.2022, 16:21:10
Hallo GilgameshTG, danke für deine Nachfrage und Überlegungen. Grundsätzlich sind unter Bekenntnisfreiheit alle Handlungen, die in religiöser Form in einem persönlichkeitsbezogenen Sinne identitätsstiftend sind. So gehört zum religiösen Bekenntnis nicht nur Gottesdienste, die Werbung einschließlich des liturgischen
Glockengeläuts, das Unterrichten und Praktizieren von Riten und Bräuchen aber eben auch das Tragen symbolischer Kleidungsstücke. Zusammenfassend werden von der Bekenntnisfreiheit alle Handlungen erfasst, die explizit bzw. äußerlich erkennbar im Zeichen eines Glaubens (oder einer Weltanschauung oder des Gewissens) stehen. Darüber hinaus ist fraglich welche weiteren Handlungen noche erfasst werden. Gemeinhin werden darunter Handlungen erfasst, die religiös motiviert sind ohne das dies ausdrückliches Bekenntnis ist oder offenkundig ist. Die Abgrenzung ist also eine etwas andere als du sie vornimmst. Dementsprechend hat das Urteil auch eine andere Gewichtung vorgenommen, denn das Kopftuch ist ja gerade etwas von einem Betrachter offenkundig wahrnehmbares das sich einer Religion/einem Glauben zuordnen lässt. Ebenso wie es eine Kreuzkette wäre. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team