Öffentliches Recht

Grundrechte

Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)

Glaubensfreiheit: Ablehnung medizinischer Behandlung im Krankheitsfall (Erwachsene)

Glaubensfreiheit: Ablehnung medizinischer Behandlung im Krankheitsfall (Erwachsene)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Eheleute M und F gehören der Religion des evangelischen Brüdervereins an. Nachdem F religiös motiviert eine lebensrettende Bluttransfusion ablehnt, verstirbt sie. Auch M überredet sie nicht, sondern betet lediglich für ihre Genesung. Gericht G verurteilt ihn daraufhin wegen unterlassener Hilfeleistung.

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Einordnung des Falls

Glaubensfreiheit: Ablehnung medizinischer Behandlung im Krankheitsfall (Erwachsene)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F hat das Recht, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und ihrer inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln.

Ja, in der Tat!

Die Glaubensfreiheit gewährt in ihrer Ausprägung der religiösen Betätigungsfreiheit (forum externum) die ungestörte Ausübung von Religion in Form von Gebräuchen, Handlungen und Riten. Sie schützt das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten anhand seines Glaubens auszurichten. Der Staat hat die dabei in freier Selbstbestimmung eines einwilligungsfähigen Erwachsenen getroffenen Entscheidungen zu respektieren. F als einwilligungsfähige Erwachsene hat das Recht, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten. Dies umfasst auch die Ablehnung einer lebensrettenden Bluttransfusion. Ihr Verhalten ist somit von der religiösen Betätigungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) geschützt.
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2. Die Entscheidung des M, F nicht zur Durchführung der Transfusion zu überreden oder anderweitig einzuschreiten, fällt in den Schutzbereich seiner Glaubensfreiheit.

Ja!

Die Glaubensfreiheit schützt das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten anhand seines Glaubens auszurichten. Dieser weite Schutzbereich wird jedoch dahingehend eingeschränkt, dass das streitgegenständliche Verhalten nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild eine religiös motivierte Handlung sein muss. Dies muss der Grundrechtsträger plausibel machen, die bloße Behauptung reicht nicht aus (Plausibilitätskontrolle). Auch muss der Grundrechtsträger das Verhalten als für sich verpflichtend ansehen. Er muss verständlich darlegen, dass er nicht ohne innere Not von seinem Verhalten abweichen kann. M macht die Ablehnung der Bluttransfusion als Glaubensregel seiner Gemeinschaft plausibel. Er kann nicht ohne innere Not entgegen seiner Überzeugung handeln, wenn er F zur Annahme der nach seiner Religion verbotenen Bluttransfusion überredet. Vielmehr hält er es als für religiös geboten, für die Genesung der F zu beten. Der Schutzbereich der Glaubensfreiheit ist somit eröffnet. Die Ausstrahlungswirkung der Glaubensfreiheit auf die Anwendung und Auslegung des Straftatbestands der unterlassenen Hilfeleistung ist eine Frage der Rechtfertigung. Dazu später mehr.
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