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Grundrechte

Umfang der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG („Soldaten sind Mörder“)

Umfang der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG („Soldaten sind Mörder“)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bundeswehroffizier O fühlt sich durch die Äußerung des Pazifisten P in seiner Ehre verletzt und stellt Strafantrag. P wird daraufhin wegen Beleidigung (§ 185 StGB) verurteilt. P ist empört und rügt eine Verletzung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung.

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Einordnung des Falls

Umfang der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG („Soldaten sind Mörder“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Äußerung „Soldaten sind Mörder“ ist durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) geschützt.

Ja, in der Tat!

Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG schützt die Meinung. Sie beschreibt ein subjektives Werturteil des sich Äußernden, geprägt durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens. Im Gegensatz dazu sind reine Tatsachenbehauptungen ohne wertende Elemente grundsätzlich nicht geschützt. Die Abgrenzung ist durch Auslegung des Einzelfalles vorzunehmen.Hier behauptet P mit seiner Aussage erkennbar nicht, dass alle Soldaten vorsätzlich und rechtswidrig einen Mord (§ 211 StGB) begangen haben. Vielmehr wird die Tatsache, dass Soldaten im Krieg andere Menschen töten (müssen), von P kritisch bewertet. Damit handelt es sich um eine Meinung.
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2. Die Meinungsäußerung berechtigt dazu, alle Meinungen zu äußern, die man möchte, egal, ob dadurch die Rechte Dritter beeinträchtigt oder Dritte ehrverletzend herabgewürdigt werden.

Nein!

Die Meinungsäußerungsfreiheit gilt nicht unbeschränkt. Sie findet ihre Grenzen insbesondere in gesetzlichen Bestimmungen zum Jugendschutz und im Persönlichkeitsrecht anderer Grundrechtsträger (Art. 5 Abs. 2 GG). Gerade § 185 StGB schützt die persönliche Ehre. Diese genießt selbst - wie die Meinungsfreiheit - den Schutz des Grundgesetzes (sog. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). In diesen Fällen besteht regelmäßig eine Kollision zwischen der Meinungsfreiheit des sich Äußernden und dem Persönlichkeitsrecht des Äußerungsadressaten (sog. Grundrechtskollision). Dann bedarf es einer Abwägung der gegenüberstehenden Interessen.

3. Die Meinungsäußerung des P stellt eine (verbotene) Schmähkritik dar. P's Meinungsfreiheit muss daher zurücktreten.

Nein, das ist nicht der Fall!

Kommt es zu einer Kollision der Meinungsäußerungsfreiheit und des Persönlichkeitsrechtes, bedarf es regelmäßig einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen, um zu ermitteln, ob die Meinungsäußerung noch zulässig ist oder nicht. Anders ist dies bei der Schmähkritik. Hier tritt die Meinungsfreiheit stets hinter der persönlichen Ehre des Adressaten zurück. Schmähkritik ist eine Äußerung, bei der nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Verletzung einer Person im Vordergrund steht.Hier ging es dem P aber hauptsächlich um die Kritik an einem öffentlichen Thema (Kriegsführung). Deshalb wird die Äußerung nicht von der Diffamierung der Personen geprägt, sondern von der von ihnen wahrgenommenen Tätigkeit.

4. Liegt - wie hier - keine Schmähkritik vor, ist zu klären, ob die Meinungsäußerung verhältnismäßig ist. Mehrdeutige Äußerungen sind dabei so zu deuten, dass eine Rechtsverletzung ausgeschlossen ist.

Ja, in der Tat!

Um der Bedeutung gerecht zu werden, die die Meinungsfreiheit in der Verfassung einnimmt, sind Meinungsäußerungen in Bezug auf ihre Deutung wohlwollend auszulegen. Derjenigen Auslegung, die mit den Rechten des Adressaten vereinbar ist, ist zu bevorzugen. Wenn hingegen ein Gericht von mehreren möglichen Interpretationen einer Meinungsäußerung diejenige bevorzugt, die zu einer stärkeren Einschränkung der Meinungsfreiheit führt, verletzt das regelmäßig die Meinungsfreiheit.

5. Der Satz "Soldaten sind Mörder" ist als strafbare Kollektivbeleidigung der Soldaten der Bundeswehr zu deuten.

Nein!

Die Äußerung des P kann auch gedeutet werden als kritische Äußerung gegen das Töten bei der Kriegsführung schlechthin. Denn es ist nicht erkennbar, dass P seine Kritik ausschließlich auf die Kriegsführung der Soldaten der Bundeswehr bezieht, sondern vielmehr ebenso deutbar, dass P seine Äußerung auf alle Soldaten weltweit bezieht. Die Auslegung durch das Gericht, die zu einer Verurteilung wegen Beleidigung nach § 185 StGB geführt hat, ist mit der Meinungsfreiheit nicht vereinbar, da eine „meinungsfreundlichere“ Interpretation möglich gewesen wäre. Die Verurteilung des P wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB wegen seiner Äußerung "Soldaten sind Mörder" verletzt folglich die Meinungsfreiheit des P. Die Verurteilung ist aufzuheben.
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