Öffentliches Recht

Europarecht

Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV

Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV („Kohl“)

Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV („Kohl“)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der luxemburgische Staatsangehörige K reist für eine Zahnbehandlung nach Deutschland. Seine heimische Krankenkasse verweigerte die Erstattung der Arztkosten, weil die Behandlung nicht dringlich war und auch in Luxemburg durchgeführt hätte werden können.

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Einordnung des Falls

Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV („Kohl“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit ist vorliegend eröffnet.

Genau, so ist das!

Der sachliche Anwendungsbereich setzt eine Dienstleistung voraus. Die Dienstleistung lässt sich in Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten als selbstständige, vorübergehende Leistungen definieren, die einen entgeltlichen Charakter haben muss. Begünstigte sind Unionsbürger und gem. Art. 62 i.V.m. Art. 54 AEUV Gesellschaften mit Unionsbezug. Ferner ist ein grenzüberschreitender Bezug erforderlich. Die Dienstleistungsfreiheit schließt in seiner passiven Ausprägung das Recht des Dienstleistungsempfängers ein, sich zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat zu geben. Die Erbringung einer Zahnbehandlung ist als Dienstleistung anzusehen. Der Anwendungsbereich ist daher eröffnet.
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2. Vorliegend wird die Dienstleistungsfreiheit nicht beeinträchtigt, da es K nicht unmöglich gemacht wird, die Dienstleistung in Deutschland zu erreichen.

Nein, das trifft nicht zu!

Art. 56 AEUV verlangt nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen, auch wenn diese unterschiedslos in- und ausländische Unternehmen treffen, sofern sie geeignet sind, die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Zwar hindert die Regelung K nicht daran, sich an einen Dienstleistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat zu wenden, sie macht aber die Erstattung der Kosten von einer Genehmigung abhängig. Durch dieses Hindernis, werden die Sozialversicherten davon abgehalten, sich an ärztliche Dienstleistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten zu wenden. Die Regelung stellt sowohl für die Ärzte wie für ihre Patienten eine Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. In Bezug auf die Patienten handelt es sich um einen Fall der passiven Dienstleistungsfreiheit.

3. Eine Rechtfertigung aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit ist möglich, um die ärztliche und klinische Versorgung zu sichern.

Ja!

Art. 56 AEUV erlaubt es den Mitgliedstaaten, den freien Dienstleistungsverkehr im Bereich der ärztlichen und klinischen Versorgung einzuschränken, soweit die Erhaltung eines bestimmten Versorgungsniveaus für die Gesundheit oder das Überleben der Bevölkerung wichtig ist. Das Ziel der umfassenden Versorgung ist zwar eng mit der Finanzierung des Systems der sozialen Sicherheit (welches nicht erfasst ist) verbunden. Dieses ist hier jedoch nicht betroffen, da es um den Kostenanteil geht, der K bei einer Behandlung in Luxemburg auch erstattet worden wäre.

4. Die Regelung ist vorliegend erforderlich, um eine ausgewogene und allgemein zugängliche Versorgung zu gewährleisten.

Nein, das ist nicht der Fall!

Vorgetragen wurde vorliegend nur, dass die Regelung erforderlich sei, um die Qualität der ärztlichen Leistungen zu überprüfen und dies nur über eine Genehmigung möglich sei. Allerdings wurde nicht angeführt, dass die Maßnahme zur Erhaltung eines bestimmten Versorgungsniveaus erforderlich sei. Die Regelung kann daher nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt werden. Der Beruf des Arztes wurde in der Union durch eine Richtlinie harmonisiert, weshalb davon auszugehen ist, dass die Qualität der medizinischen Versorgung in allen Mitgliedstaaten im Wesentlichen gewährleistet ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

RAP

Raphaeljura

6.9.2023, 01:23:18

Das würde bedeuten, dass jeder Unionsbürger medizinische Leistungen unionsweit wahrnehmen kann, und die Krankenkasse dafür aufkommt?

AN

Ani

24.3.2024, 10:51:49

Ich glaube, hier lag es an der Begründung, vgl. letzter Erklärungstext :) Eine Erstattung bei medizinisch nicht akuten Behandlungen im Ausland muss die KK deshalb idR nicht erstatten.


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