Grundfall: Ausgleichsanspruch

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der verarmte K stiehlt dem S einen Marmorblock (Wert: €100) und meißelt daraus eine Statue der Göttin Justitia (Wert: €250). S findet die Statue grässlich und will von K eine Entschädigung für den Marmor.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Ausgleichsanspruch

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K ist Eigentümer der Statue.

Ja!

Nach § 950 Abs. 1 S. 1 BGB erwirbt derjenige, der durch (1) Verarbeitung oder Umbildung (2) eines oder mehrerer Stoffe, (3) eine neue, bewegliche Sache herstellt, Eigentum an der neuen Sache, (4) wenn der Verarbeitungswert nicht erheblich geringer ist als der Wert der Ausgangsstoffe,.K hat durch bewusste Einwirkung auf den Marmorblock eine Statue hergestellt. Die Staute ist im Vergleich zum Marmorblock eine neue Sache. Der Wert der Verarbeitung beträgt € 150 (Wert der neuen Sache abzüglich des Werts der Ausgangsstoffe). Dieser ist damit auch nicht erheblich geringer als der Wert des Ausgangsstoffs.
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2. Der Eigentümer muss beim gesetzlichen Eigentumsübergang den Eigentumsverlust stets ohne Ausgleich hinnehmen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die §§ 946ff. BGB dienen dazu, die gesetzliche Eigentumslage neu zu ordnen, wenn dies aus wirtschaftlichen, rechtlichen oder praktischen Gründen erforderlich erscheint. Dies darf aber nicht dazu führen, dass der Erwerber ungerechtfertigt bereichert bzw. der vorherige Eigentümer ungerechtfertigt entreichert wird. Zu diesem Zweck normiert § 951 Abs. 1 S. 1 BGB, dass der vorherige Eigentümer von dem neuen Erwerber eine Entschädigung in Geld nach den Vorschriften über die Regeln zur ungerechtfertigten Bereicherung fordern kann.

3. Hat S einen Rechtsverlust nach den §§ 946-950 BGB erlitten?

Ja, in der Tat!

§ 951 Abs. 1 S. 1 BGB setzt zunächst voraus, dass der Anspruchsteller einen Rechtsverlust nach den §§ 946-950 BGB erleidet. Ein solcher Rechtsverlust liegt vor, wenn der Anspruchsteller sein Eigentum oder ein sonstiges dingliches Recht an der Sache verliert. Die bloße Rechtsumwandlung von Allein- zu Miteigentum (etwa nach § 947 Abs. 1 BGB) ist hingegen kein Rechtsverlust i.S.v. § 951 Abs. 1 S. 1 BGB.S hat sein Eigentum an dem Marmorblock zugunsten des K nach § 950 Abs. 1 S. 1 BGB verloren.

4. Liegen die Voraussetzungen des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB vor, steht dem früheren Eigentümer der Anspruch nach h.M. ohne Weiteres zu.

Nein!

§ 951 Abs. 1 S. 1 BGB enthält nach ganz h.M. eine Rechtsgrundverweisung auf das Bereicherungsrecht. Dabei ist allerdings umstritten, ob nur eine Verweisung auf die Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB vorliegt oder auch auf die Leistungskondiktion verwiesen wird. Unstreitig ist jedenfalls, dass der Rechtserwerb des Anspruchsgegners ohne Rechtsgrund erfolgt. Liegt eine Nichtleistungskondiktion vor, so ist der Streit über die Rechtsnatur der Verweisung ohne Bedeutung und muss nicht aufgelöst werden.

5. Der Rechtserwerb des K basiert auf Leistung des S.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.K hat den Marmorblock von S gestohlen und anschließend durch Verarbeitung des Marmorblocks Eigentum daran erworben. S hat an diesem Eigentumserwerb des K überhaupt nicht mitgewirkt, also das Vermögen des K nicht bewusst und zweckgerichtet gemehrt. K hat das Eigentum vielmehr (1) auf sonstige Weise und (2) auf Kosten des S erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

6. Für den Rechtserwerb des K existiert ein Rechtsgrund.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB setzt schließlich voraus, dass die Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund erfolgt. K hat den Marmorblock von S gestohlen, ohne dass irgendein Anspruch seinerseits auf Übereignung des Marmorblocks bestanden hätte oder ein anderer Rechtsgrund ihm dies gestatten würde. Er handelt somit ohne Rechtsgrund.Teilweise wird vertreten, ein Rechtsgrund liege vor, wenn der Erwerber gegen den früheren Eigentümer einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung der Rohstoffe hat.

7. S kann von K die Zahlung des Verarbeitungswerts (€ 150) verlangen (§ 951 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Nein!

Der Anspruchsteller kann nur Entschädigung in Geld und gerade nicht Übereignung der neuen Sache oder die Wiederherstellung des früheren Zustands verlangen (§ 951 Abs. 1 BGB). Der Erwerber muss außerdem nur den Wert des Erlangten herausgeben. Bei dem Eigentumserwerb nach § 950 Abs. 1 S. 1 BGB ist dies der Wert des Ausgangsstoffes.Der Anspruch aus § 951 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB besteht dem Grunde nach. K muss aber lediglich den Verkehrswert des Marmorblocks (€ 100) und nicht den Verarbeitungswert (€ 150) an S bezahlen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

YAN

yangbo

14.4.2023, 01:20:50

Würde aufgrund seiner Verarmung

Entreicherung

irgendeine Rolle spielen?

SE.

se.si.sc

14.4.2023, 08:17:11

Die Verarmung macht es natürlich rein praktisch evtl schwieriger, den Anspruch des S durchzusetzen.

Entreichert

iSd

§ 818 III BGB

ist K hier allerdings nicht, denn er hat ja noch die von ihm verarbeitete Statue und daran nach §

950 BGB

sogar Eigentum erworben. Selbst wenn K

entreichert

sein sollte, könnte er sich darauf nach §§ 818 IV, 819 I BGB kaum berufen, weil er den Marmor selbst gestohlen hat und er deshalb wusste, dass er ihm nicht zustand und er ihn nicht behalten oder auch verarbeiten durfte.

STE

StellaChiara

20.7.2023, 12:27:41

liegt hier der verarbeitungswert nicht bei 50 % und wäre damit erheblich geringer als der wert der ausgangsstoffe?

LO

Lorenz

14.8.2023, 11:07:43

Der Verarbeitungswert beträgt hier 150€ (250-100)und damit bei 150% des Ausgangswertes von 100€. Ich merke mir immer, dass der "Preis" der verarbeiteten Sache mindestens 60% über dem Ursprungswert liegen muss. Hier muss die Statue also mindestens 160€ wert sein.


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