Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Gesetzgebungskompetenzen

Abwandlung: "Hochschulzulassung mit Ping-Pong" (Art. 72 Abs. 3 S. 2-3 GG) [F]

Abwandlung: "Hochschulzulassung mit Ping-Pong" (Art. 72 Abs. 3 S. 2-3 GG) [F]

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Ein Hochschulzulassungsgesetz (BHZG I) des Bundes regelt die Voraussetzungen der Hochschulzulassung abschließend. Das Land L erlässt dennoch das „Anspruchsvollere-Unis-Gesetz“ (AUG), nach dem Studieninteressierte zusätzlich eine Zulassungsprüfung absolvieren müssen, wenn sie ein Studium in L aufnehmen wollen. Der Bund beschließt daraufhin erneut das Bundeshochschulgesetz (BHZG II).

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Einordnung des Falls

Abwandlung: "Hochschulzulassung mit Ping-Pong" (Art. 72 Abs. 3 S. 2-3 GG) [F]

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das AUG sperrt als abweichende Regelung im Sinne des Art. 72 Abs. 3 S. 1 GG das BHZG II als späteres Gesetz des Bundes.

Nein, das trifft nicht zu!

Auf den Gebieten des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 1-7 GG geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor (Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG). Damit wird gerade kein Vorrang des Landesgesetzes vor dem Bundesgesetz statuiert. Stattdessen kommt immer das spätere Gesetz zum Zug. Es gibt also keine Sperrwirkung der abweichenden Regelung der Länder gegenüber künftiger Bundesgesetzgebung. Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG funktioniert in beide Richtungen: Das spätere Bundesgesetz sperrt dann aber auch nicht die Abweichungskompetenz der Länder.
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2. Der Bund ist durch das ungeschriebene Gebot bundesfreundlichen Verhaltens („Bundestreue“) daran gehindert, nach dem AUG ein neues Gesetz zu erlassen.

Nein!

Nach dem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz des Gebots bundesfreundlichen Verhaltens („Bundestreue“) sind Bund und Länder (auch untereinander) gehalten, sich abzustimmen, miteinander zu kooperieren und aufeinander Rücksicht zu nehmen. Damit darf aber nicht die geschriebene Verfassung ausgehebelt werden: Mit Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG trifft das GG eine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass sowohl Bund als auch Länder Gesetze erlassen. Daraus kann gefolgert werden, dass nach abweichenden Regelungen durch die Länder der Erlass eines neuen Bundesgesetzes verfassungsrechtlich zulässig ist. Das kann wiederum ein Land zum Anlass nehmen, erneut von der Bundesregelung abzuweichen. Eine derartige „Ping-Pong-Gesetzgebung“ ist theoretisch denkbar (und verfassungskonform), kommt aber in der Praxis bislang nicht vor.

3. Auch nach Inkrafttreten des BHZG II ist das AUG für die Rechtslage maßgeblich, weil die abweichende Regelung der Länder Vorrang vor (auch neuem) Bundesrecht hat (Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die abweichende Landesregelung hat nicht generell Vorrang vor dem Bundesrecht. Es gilt stattdessen der Vorrang der lex posterior: „im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht [geht] das jeweils spätere Gesetz vor“ (Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG) Das BHZG II wurde nach dem AUG erlassen und ist somit das spätere Gesetz im Sinne des Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG. Die Rechtslage richtet sich nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes also wieder nach dem BHZG II des Bundes. Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG verdrängt in seinem Anwendungsbereich als speziellere Regelung den generellen Vorrang des Bundesrechts vor dem Landesrecht (vgl. Art. 31 GG).

4. Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG sieht einen Anwendungsvorrang vor.

Ja, in der Tat!

Beim Anwendungsvorrang wird das verdrängte Gesetz schlicht nicht angewendet, gilt aber weiterhin. Dass Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG einen Anwendungsvorrang anordnet ergibt sich aus dem Wortsinn der Formulierung „geht vor“ (Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG), statt „bricht“ (vgl. Art. 31 GG). Zum Beispiel gilt ein Bundesgesetz für die Länder, die keine abweichenden Regelungen im Sinne des Art. 72 Abs. 3 S. 1 GG erlassen haben, weiterhin. Es findet aber im Land L keine Anwendung, weil es eine abweichende Regelung erlassen hat. Das Gegenstück zum Anwendungsvorrang ist der Geltungsvorrang. Danach verliert das Gesetz seine Geltung und ist nichtig - es wird „gebrochen“ (vgl. Art. 31 GG).

5. Findet im Rahmen des Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG beim Wegfall des späteren Rechts wieder die frühere Regelung Anwendung?

Ja!

Wenn beim Anwendungsvorrang die vorrangige Rechtsnorm wegfällt, gilt das das überlagerte (nicht angewandte) Recht wieder. Hier spricht man oft vom „Wiederaufleben“ der Rechtsnorm. Würde ein Geltungsvorrang vorliegen, lebt die Norm hingegen nicht wieder auf, da sie nichtig ist.

6. Der Bund muss die abweichenden Landesregelungen im BHZG II zitieren.

Nein, das ist nicht der Fall!

Abweichende Regelungen der Länder müssen das Bundesgesetz zitieren, von dem sie abweichen. Dies gebietet die Rechtssicherheit (Telos): Die Normadressatinnen müssen erkennen können, welche Rechtsnorm sie anwenden müssen. Der Bund ist hingegen nicht verpflichtet, abweichende Regelungen der Länder zu zitieren. In der Regel werden abweichende Regelungen der Länder dennoch im Bundesgesetzblatt sowie auf https://www.gesetze-im-internet.de/ verzeichnet.

7. Das BHZG II tritt mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages der Verkündung in Kraft (Art. 82 Abs. 2 S. 2 GG).

Nein, das trifft nicht zu!

Normalerweise darf der Bund frei bestimmen, wenn ein Gesetz in Kraft tritt (Art. 82 Abs. 2 S. 1 GG). Bundesgesetze auf den Gebieten des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 1-7 GG können aber grundsätzlich erst frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft treten (Art. 72 Abs. 3 S. 2 GG). Diese Verzögerung ermöglicht es den Ländern, in der Zwischenzeit abweichende Regelungen zu erlassen, die das Wirksamwerden der Bundesregelung von Anfang an verhindern können. Zudem wird damit verhindert, dass es zu einer allzu schnell wechselnden Rechtslage kommt.
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