Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Handelsregister und sonstige Rechtsscheintatbestände

Publizität des Handelsregisters, Positive Publizität, § 15 Abs. 3 HGB

Publizität des Handelsregisters, Positive Publizität, § 15 Abs. 3 HGB

25. April 2025

16 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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inkl. MoPeG

A tritt in die Technik123-KG als Kommanditist ein. Ihr Eintritt wird beim Handelsregister angemeldet. Sie wird jedoch unrichtigerweise als Komplementärin eingetragen. G verkauft der Technik123-KG Laptops im Wert von €50.000 und wendet sich mit der Kaufpreisforderung an A.

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Einordnung des Falls

Publizität des Handelsregisters, Positive Publizität, § 15 Abs. 3 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Richtigkeit des Handelsregisters wird geschützt (§ 15 Abs. 3 HGB).

Ja!

Das Vertrauen Dritter in die Richtigkeit von Tatsachen, die durch das Handelsregister bekannt gemacht wurden, wird geschützt (§ 15 Abs. 3 HGB) (positive Publizität). Voraussetzung ist, dass es sich (1) um eine eintragungspflichtige Tatsache handelt, diese (2) zurechenbar durch den Betroffenen veranlasst (3) unrichtig eingetragen wurde und (4) der Dritte die Unrichtigkeit der Tatsache nicht kannte. In der Folge kann sich der Dritte gegenüber demjenigen, in dessen Angelegenheit die Tatsache einzutragen war, auf die unrichtig eingetragene Tatsache berufen. Er kann aber auf den Schutz verzichten und sich stattdessen auf die wirkliche Rechtslage berufen, wenn dies für ihn vorteilhaft ist. Ihm steht ein Wahlrecht zu.
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2. A’s Eintritt in die KG ist eine eintragungspflichtige Tatsache (§ 15 Abs. 3 HGB).

Genau, so ist das!

§ 15 Abs. 3 HGB schützt das Vertrauen in die Richtigkeit der einzutragenden und bekannt gemachten Tatsachen. Damit sind eintragungspflichtige (und nach § 10 Abs. 2 HGB bekannt zu machende) Tatsachen gemeint. Nur eintragungsfähige Tatsachen sind nicht umfasst. Der Eintritt eines Gesellschafters ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§§ 161 Abs. 2, 106 Abs. 6 HGB). Bei der Anmeldung des Eintritts eines Kommanditisten ist der Betrag der Einlage zu benennen (§ 162 Abs. 1 S. 1 HGB).

3. A’s Eintritt in die KG wurde unrichtig eingetragen (§ 15 Abs. 3 HGB).

Ja, in der Tat!

Rechtsscheingrundlage des § 15 Abs. 3 HGB ist die (gegenüber der wahren Sach- und Rechtslage) unrichtige Eintragung der Tatsache. Anstatt des Eintritts der A als Kommanditistin der Technik123-KG wurde ihr Eintritt als Komplementärin in das Handelsregister eingetragen. Dies entspricht nicht der tatsächlichen Sach- und Rechtslage. Mit der Neufassung des § 10 HGB zum 01.08.2022 wurde auch § 15 Abs. 3 HGB neu gefasst. Da Eintragungen nunmehr durch ihre erstmalige Abrufbarkeit über das elektronische Informations- und Kommunikationssystem als bekannt gemacht gelten, ist es technisch nahezu unmöglich geworden, dass Eintragung und Bekanntmachung auseinanderfallen. Deshalb stellt § 15 Abs. 3 HGB n.F. nunmehr auf die fehlerhafte Eintragung statt die unrichtige Bekanntgabe ab.

4. G wusste nicht, dass A nicht (persönlich haftende) Komplementärin, sondern Kommanditistin ist (§ 15 Abs. 3 HGB).

Ja!

Nur bei positiver Kenntnis des Dritten von der unrichtig eingetragenen Tatsache scheidet der Vertrauensschutz aus. Die Gutgläubigkeit des Dritten wird widerlegbar vermutet. Geschützt wird ein abstraktes Vertrauen. Der Dritte muss also nicht gerade im Vertrauen auf die unrichtige Eintragung eine Handlung vorgenommen haben. Anzeichen dafür, dass G die Kommanditistenstellung von A kannte, gibt es nicht. Es ist daher von ihrer Unkenntnis auszugehen.

5. Die unrichtige Eintragung wurde durch A zurechenbar veranlasst (§ 15 Abs. 3 HGB).

Genau, so ist das!

Der Vertrauensschutz wirkt nur zu Lasten desjenigen, in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war (§ 15 Abs. 3 HGB). Das ist nach herrschender Meinung derjenige, der die unrichtige Eintragung zurechenbar veranlasst hat, indem er den (richtigen oder unrichtigen) Eintragungsantrag gestellt. Ansonsten könnte § 15 Abs. 3 HGB auch zulasten völlig Unbeteiligter wirken. Der Eintritt eines Gesellschafters ist von sämtlichen Gesellschaftern zu bewirken (§§ 161 Abs. 2, 106 Abs. 7 HGB), so auch von A. Es ist davon auszugehen, dass der Eintragungsantrag (auch) durch A gestellt wurde. Es gilt in § 15 Abs. 3 HGB (positive Publizität) also anders als in § 15 Abs. 1 HGB (negative Publizität) das Veranlassungsprinzip, nicht das reine Rechtsscheinprinzip.

6. G kann sich gegenüber A auf die Eintragung berufen, wonach A Komplementärin der Technik123-KG ist (§ 15 Abs. 3 HGB).

Ja, in der Tat!

Der Dritte kann sich gegenüber demjenigen, in dessen Angelegenheit die Tatsache einzutragen war, auf die unrichtig eingetragene Tatsache berufen (§ 15 Abs. 3 HGB). Ihm steht ein Wahlrecht zu: Er kann auch auf den Schutz des § 15 Abs. 1 HGB verzichten und sich stattdessen auf die wirkliche Rechtslage berufen, wenn dies für ihn vorteilhaft ist. G kann sich gegenüber der Technik123-KG sowie gegenüber A auf die Eintragung berufen. A gilt demnach für G als Komplementärin der Technik123-KG.

7. G hat gegen A einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung nach § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 126 S. 1 HGB.

Ja!

Die persönlich haftenden Gesellschafter einer KG (Komplementäre) haften akzessorisch für die Verbindlichkeiten der KG, die während ihrer Mitgliedschaft begründet wurden (§§ 161 Abs. 2, 126 S. 1 HGB). Kommanditisten haften für Gesellschaftsschulden nur bis zur Höhe der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Haftsumme. Soweit diese geleistet ist, ist die Haftung ausgeschlossen (§ 171 Abs. 1 HGB). Die Kaufpreisforderung der G ist eine Verbindlichkeit der KG. A war zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit Kommanditistin KG. Gegenüber G gilt sie jedoch aufgrund der unrichtigen Eintragung als Komplementärin (§ 15 Abs. 3 HGB) und haftet als solche für G‘s Kaufpreisforderung (§ 433 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 126 S. 1 HGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Nico

Nico

24.2.2022, 17:00:17

Könnte die A denn bei der KG Regress nehmen oder sogar Amtshaftungsansprüche gegen das Registeramt geltend machen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

27.2.2022, 19:48:29

Hallo NiC.-, in diesem Fall bestehen tatsächlich Amtshaftungsansprüche gegen das jeweilige Bundesland, sofern der Betroffene die fehlerhafte Eintragung nicht durch fehlerhafte Anmeldung oder durch schuldhaft unterlassene rechtzeitige Berichtigung verursacht hat (vgl. RG 25.11.1930, RGZ 131, 14-16; Ensthaler, HGB, 8.A. 2015, § 15, RdNr. 42;Baumbach/Hopt/Merkt, 40.A.2021, § 15 RdNr. 23). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Sinemm

Sinemm

29.1.2024, 17:12:50

Reicht es also aus, dass auch eine an sich korrekte Veranlassung bei einer fehlerhaften Eintragung/Bekanntmachung zur Haftung führt? Mir wird nicht ganz klar in dem Sachverhalt wieso und warum A haftet, schließlich hat sie/die KG erstmal alles korrekt gemacht, oder nicht? Der Sachverhalt liest sich so, als ob die Mitarbeiter beim HR falsch gehandelt hätten

Nils

Nils

4.2.2024, 23:23:21

Ich denke mal, wenn das der Fall wäre, liefe es auf Schadenersatz nach Staatshaftungsrecht hinaus.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.4.2024, 12:01:10

Hallo zusammen, in der Tat liegt hier der Fehler beim Registergericht. Das ändert aber erst einmal nichts daran, dass G sich auf die positive Publizität des Handelsregisters berufen kann. Diesbezüglich hat A also erst einmal Pech gehabt. Wie Nils aber schon richtig gesagt hat, kommt dann aber wiederum ein Amtshaftungsanspruch des A in Betracht (vgl. MüKoHGB/Krebs, 5. Aufl. 2021, HGB § 15 Rn. 104). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

6.1.2025, 14:49:38

Wieso wird das über §

15 III HGB

gelöst? Liegt hier nicht eher ein Fall des § 176 II i.Vm. I HGB vor, sodass es auf das Handelsregister nicht ankommt bzw. es ggfs. sogar falsch wäre, es so zu prüfen? Solange keine korrekte Eintragung als Kommanditist ins HR erfolgt, haftet der in eine bestehende Handelsgesellschaft (wie hier der KG) eintretende Kommanditist wie ein persönlich haftender Gesellschafter. Daher wird in er Praxis meines Wissens der Beitritt unter die aufschiebende Bedingung der korrekten Eintragung ins Handelsregister gestellt, damit ein solcher Zeitraum zwischen Beitritt des Kdt. und korrekter Eintragung als Kdt. ins HR nicht auftreten kann. Hier ist es nun schiefgelaufen, aber auch eine unrichtige Eintragung hinsichtlich des Gesellschafterstatus als Komplementär (d.h. nur der Beitritt an sich wurde korrekt eingetragen) kann ja den Kommanditisten schon dem Wortlaut der Norm nach nicht vor der Rechtsfolge des § 176 II HGB bewahren, da es bei dem Tatbestand darauf ankommt, den Rechtsverkehr vor der beschränkten Haftung des Gesellschafters zu warnen. Es ist daher nicht richtig, hier §

15 III HGB

zu prüfen. Denn der Grundfall bei der Personengesellschaft ist die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter (sowohl bei OHG als auch KG). Dieses Vertrauen des externen Gläubigers kann abweichend von diesem Regelfall nur durch einen korrekten Eintrag der beschränkten Haftung und deren Umfang ins HR nach § 176 II HGB zerstört werden (siehe auch zur Höhe § 174 HGB), für die der Kommanditist durch Einwirkung auf die bestehenden Gesellschafter zu sorgen hat, soweit er nicht einfach die o.g. Praktikerlösung wählt. Zu einem solchen korrekten Eintrag kam es nicht. Deswegen muss sich der Gläubiger auch nicht auf §

15 III HGB

berufen, denn das insinuiert ja, der Gläubiger sei hier verpflichtet, die unbeschränkte Haftung des Kommanditisten nachzuweisen. Das ist das genaue Gegenteil der Rechtslage bei einer KG! Ferner braucht es §

15 III HGB

hier auch nicht bezüglich des einschränkenden Kriteriums (positive Kenntnis der Kommanditisten-Stellung), weil das schon in § 176 II i.V.m. I HGB explizit enthalten ist. Auch das deutet darauf hin, dass hier kein Anwendungsfall von §

15 III HGB

vorliegt, da der Gesetzgeber dies hier selbst explizit nochmals geregelt hat. Ich rege daher eine Überarbeitung der Aufgabe an, soweit die Rechtslage bei einer KG dadurch verzerrt dargestellt werden sollte. Ich habe auch schon zumindest Probeexamen über die KG gesehen, insofern finde ich es wichtig, hier kein falsches systematisches Verständnis aufkommen zu lassen.

Kind als Schaden

Kind als Schaden

16.1.2025, 23:48:23

Die Frage ist halt, ob man sagt, dass hier ja eine (falsche) "Eintragung" stattfand und deshalb § 176 II nicht andwendbar ist. Ich halte aber die @[Dogu](137074)-Lösung auch für besser/"richtiger": Es ist ja im Wortlaut des § 176 II von "dessen" Eintragung die Rede, diese fand noch nicht statt, damit ist dies ein Fall des § 176 II.


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