Öffentliches Recht

Polizei- und Ordnungsrecht

Polizeiliche Generalklausel

Öffentliche Ordnung: Wiederholung und Vertiefung

Öffentliche Ordnung: Wiederholung und Vertiefung

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A betreibt einen Swinger-Club, bei dem Gäste gegen Gebühr Einlass erhalten und im Club mit anderen Gästen regelmäßig Geschlechtsverkehr haben. Beamtin B meint, dass „dieses unsittliche Treiben“ doch früher auch nicht toleriert wurde und daher zu verbieten ist.

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Einordnung des Falls

Öffentliche Ordnung: Wiederholung und Vertiefung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die öffentliche Ordnung ist ein Schutzgut des Polizei- und Ordnungsrechts.

Ja, in der Tat!

Gemäß der Generalklauseln der Polizeigesetze der meisten Länder (z.B. § 3 Abs. 1 SOG Hamburg, Art. 11 Abs. 1 S. 1 BayPAG, § 8 Abs. 1 PolG NRW) sind Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Die öffentliche Ordnung ist somit ein polizeiliches Schutzgut. Die Länder Bremen und Schleswig-Holstein haben auf eine Normierung der öffentlichen Ordnung in ihren Polizeigesetzen verzichtet (vgl. § 10 Abs. 1 S. 1 BremPolG, § 174 SchlHLVwG). Polizeiliches Schutzgut ist dort lediglich die öffentliche Sicherheit.
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2. Der Begriff der öffentlichen Ordnung im Sinne des Polizeirechts lässt sich in einer Kurzformel als das sozialethische Minimum zusammenfassen.

Ja!

Das polizeiliche Schutzgut der öffentlichen Ordnung wird als Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird definiert. In einer Kurzformel lässt sich die öffentliche Ordnung als das sozialethische Minimum zusammenfassen. Der Rechtsbegriff der öffentlichen Ordnung findet sich beispielsweise auch im EU-Primärrecht (etwa Art. 36 S. 1 AEUV) und meint dort staatliche Interessen von fundamentaler Bedeutung.

3. Die Sorge der B, dass Swinger-Clubs früher nicht toleriert wurden, ist beachtlich. Insofern schützt das Schutzgut der öffentlichen Ordnung gerade auch das Bewahren alter Traditionen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Dem Begriff der öffentlichen Ordnung unterfallen nur die jeweils aktuell herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen. In besonderem Maße ist der Rechtsbegriff insoweit dem gesellschaftlichen Wandel ausgesetzt. Dies ermöglicht eine dynamische Reaktion auf sich ändernde Wertvorstellungen. Besonders das Gebiet der Sexualität ist diesem Wandel unterworfen, was sich etwa in der Liberalisierung der Prostitution oder der gesetzlichen Verankerung der gleichgeschlechtlichen Ehe auch gesetzgeberisch verdeutlicht hat. Damit ist es mit Blick auf das Schutzgut der öffentlich Ordnung irrelevant, wie Swinger-Clubs früher bewertet wurden. Das Gefahrenabwehrrecht und damit auch das Schutzgut der öffentlichen Ordnung ermächtigt gerade nicht dazu, nicht (mehr) herrschenden Sozialanschauungen zu (erneuter) Relevanz zu verhelfen.

4. Das Betreiben des Swinger-Clubs des A verstößt gegen die öffentliche Ordnung.

Nein, das trifft nicht zu!

Auch soweit der Großteil der Gesellschaft Gruppensex, Partnertausch und die Beobachtung von Geschlechtsverkehr durch Dritte als anstößig oder sogar beschämend empfindet, ist ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung hier zu verneinen: Der von A betriebene Swinger-Club kann nur gegen ein Entgelt betreten werden, eine ungewollte Konfrontation Dritter mit den Handlungen in dem Club ist daher nahezu ausgeschlossen. Es fehlt insoweit an dem nötigen Öffentlichkeitsbezug den das Schutzgut voraussetzt. Außerdem werden beim Swinger-Club gerade nicht menschliche Körper ohne Einwilligung objektiviert, was dem grundgesetzlich verbürgten Menschenbild widersprechen würde. Vielmehr treffen sich dort Menschen zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr entsprechend ihrer Vorlieben, was eine grundrechtlich geschützte Entfaltung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) darstellt. In einem solchen Fall wird eine breite Argumentation erwartet und belohnt.
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