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Verwaltungsrecht AT
Keine Modifikation von Widerrufsgründen bei analoger Anwendung des § 49 Abs. 2 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte
Keine Modifikation von Widerrufsgründen bei analoger Anwendung des § 49 Abs. 2 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte
25. April 2025
8 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Behörde B erteilt T eine Geeignetheitsbestätigung für das Aufstellen von Spielautomaten in seiner Imbissstube. T betrieb jedoch nie eine Imbissstube, sondern eine Tankstelle mit integriertem Bistrobereich. B hebt die Geeignetheitsbestätigung gem. § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG auf.
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Einordnung des Falls
Keine Modifikation von Widerrufsgründen bei analoger Anwendung des § 49 Abs. 2 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Sog. Geldspielgeräte dürfen gem. § 1 Abs. 1 Spielverordnung (SpielV) nur in bestimmten Räumlichkeiten aufgestellt werden.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Betrieb des T ist eine „Schank- und Speisewirtschaft“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV).
Nein!
3. Die Geeignetheitsbestätigung war von Anfang an rechtswidrig, da der Betrieb des T nie für die Aufstellung von Geldspielgeräten geeignet war.
Genau, so ist das!
4. Verwaltungsakte können – vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen – nach Maßgabe der §§ 48ff. VwVfG nachträglich ganz oder teilweise aufgehoben werden.
Ja, in der Tat!
5. Rechtmäßige Verwaltungsakte (§ 49 VwVfG) sind solche, die zur Zeit ihres Erlasses – also von Anfang an – rechtmäßig waren.
Ja!
6. Die Rücknahme anfänglich rechtswidriger Verwaltungsakte kann auch auf § 49 VwVfG analog gestützt werden.
Genau, so ist das!
7. Die analoge Anwendung des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte ist denklogisch ausgeschlossen, da diese nicht durch spätere Tatsachen rechtswidrig werden können.
Nein, das trifft nicht zu!
8. Die Widerrufsvoraussetzungen des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG liegen vor.
Nein!
9. Die Aufhebung der Geeignetheitsbestätigung des T konnte nicht auf § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG gestützt werden.
Genau, so ist das!
10. Wählt die Behörde eine falsche Rechtsgrundlage für einen VA, kann sie vom Gericht im Prozess durch eine andere Rechtsgrundlage ausgetauscht werden.
Ja, in der Tat!
11. Eine Umdeutung eines Widerrufs (§ 49 VwVfG) in eine Rücknahme (§ 48 VwVfG) ist ausgeschlossen.
Nein!
12. Eine Umdeutung ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 47 VwVfG vorliegen.
Genau, so ist das!
13. Die Voraussetzungen der Umdeutung (§ 47 VwVfG) liegen hier vor.
Ja, in der Tat!
14. Die Aufhebung der Geeignetheitsbestätigung hat somit als Rücknahme (§ 48 VwVfG) Bestand und ist rechtmäßig.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Julia Maxi
22.4.2022, 14:11:06
Das kam heute als ÖR I Klausur in Berlin/Brandenburg dran 😊

Lukas_Mengestu
22.4.2022, 14:50:25
Sehr cool, vielen Dank für den Hinweis! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
I.bln
22.4.2022, 20:04:03
Ich kann nicht ganz verstehen, warum es sich um einen
rechtswidrigen VA handelt. Die Geeignetheitsbestätigung bezieht sich doch gerade auf den Umstand, dass es sich hier um einen “ Imbiss” handelt. Die Behörde hat die Prüfung der Geeignetheit der Räumlichkeiten im Bezug auf das Vorliegen einer ”Imbissbude” getroffen, da T als Angabe Imbissbude angegeben hat und Funktion dieser Bestätigung die Räumlichkeiten in dem die Automaten aufgestellt werden sollen als geeignet zu erklären. Nachdem die Behörde Kenntnis von der eigentlichen Sachlage erlangt hat, ändert sich doch garnichts an der erteilten Geeignetheitsbestimmung. Die Bestätigung bezieht sich doch gerade auf die Angabe als Imbiss, sprich wenn man davon ausgehen würde, dass die Tankstelle als Imbiss umgebaut wird, hätte die Geeignetheitsbestätigung weiter Wirkung. Nur weil ein Aufstellen der Spielautomaten nach der Gewo im Zeitpunkt des Erlasses des VA verboten war ist doch die an T erteilte Bestätigung nicht
rechtswidrig. Die Kenntnisnahme über die tätsächliche Sachlage ermöglicht doch einen Widerruf eines rechtmäßigen VA, weil sich nachträglich
Tatsachengeändert haben ( Kenntnisnahme, dass die Bestätigung und die damit verbunden Erlaubnis nicht für den Betrieb eines Imbisses, sondern zum Betrieb einer Tankstelle genutzt werden ). Somit kann die Behörde diesen VA nach § 49 Abs. 3 widerrufen.
I.bln
30.6.2022, 10:50:37
…
Vanilla Latte
11.7.2024, 02:41:41
Ich habe wohl einen massiven Denkfehler. Wofür genau ist die Analogie notwendig? Also welchen Fall kann ich über 49 analog regeln, den ich über 48 nicht regeln kann? In dem Fall hätte man doch direkt auf 48 gehen können, da rw.
Vanilla Latte
31.8.2024, 23:02:16

Meisterr
23.10.2024, 17:54:46
@[Vanilla Latte](217055) hier meine Gedanken dazu (ohne Gewähr): Ich glaube, dass
§ 48 VwVfGhier nicht zielführend ist. § 48 II VwVfG ist nicht einschlägig, da hier keine einmalige oder laufende
Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt wurde, da es um einen gewährten VA geht. § 48 III VwVfG ist hier auch nicht zielführend, weil (zumindest hier im kurzen Sachverhalt) nichts von einem Ausgleich von
Vermögensnachteilen die Rede ist bzw. ein erstrebter Anspruch darauf. Dagegen ist offensichtlich ein Fall von §
49 II VwVfGgegeben. Da hier ein Fall von §
49 II VwVfGeinschlägig ist und kein Anwendungsbereich von
§ 48 VwVfGso richtig passt, wird hier die analoge Anwendung herangezogen. Das ist für mich wenigstens denklogisch so.
Dogu
21.11.2024, 19:21:06
@[Meisterr](215457) Das stimmt so nicht ganz: § 48 II VwVfG ist eine Entschädigungsvorschrift. Die Rücknahme eines sonstigen VA kann einfach nach § 48 I VwVfG erfolgen, da das Gesetz hierfür neben der Entschädigungspflicht als Rechtsfolge, die hier nicht in Rede steht, keine besonderen TBM vorsieht. @[Vanilla Latte](217055) Die Analogie war hier nicht notwendig. So hat es das Gericht nach meinem Verständnis der Lösung auch entschieden. Falls Deine Frage allgemein gemeint war: Nach meinem Verständnis wäre es bspw. bei einem
Geld-VA, der auch
rechtswidrigwar und zweckwidrig verwendet wurde, ein Widerruf nach § 49 III Nr. 1 VwVfG (zweckwidrige Verwendung reicht aus) als eine Rücknahme nach § 48 II VwVfG (Interessenabwägung). Denkbar wäre das etwa bei einem VA, bei dem der Adressat gerade keinen Fall des § 48 II 3 VwVfG verwirklicht hat und die Interessenabwägung also vor Gericht möglicherweise anders als durch die rücknehmende Behörde vorgenommen werden könnte. Aber vielleicht kann Jurafuchs ja noch ein besseres Beispiel finden bzw. mich korrigieren.