+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Neues Kaufrecht 2022

K kauft von V einen Karton mit Kaugummis, V liefert jedoch 3 Kartons.

Einordnung des Falls

Sachmangel: Zuviellieferung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die richtige Menge der verkauften Sache zählt zu ihrer Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB).

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Ja, in der Tat!

Nach § 434 Abs. 2 S. 2 BGB zählt die richtige Menge zu der Beschaffenheit der Sache. Eine Abweichung kommt dabei nur (1) bei einer teilbaren Leistung in Betracht. Zudem darf die Leistung nur aus (2) gleichartigen Teile bestehen. (3) Der Verkäufer muss zu wenig liefern und (4) mit der Lieferung seine Erfüllungsverpflichtung als komplett erfüllt ansehen (verdeckte Minderlieferung). Gleiches gilt für die Menge nach der üblichen und erwartbaren Beschaffenheit (§ 434 Abs. 3 S. 2 Var. 1 BGB)Die Mankolieferung wird nicht mehr wie in § 434 Abs. 3 a.F. einem Mangel bloß gleichgestellt. Vielmehr wird sie in § 434 Abs. 2 Satz 2 BGB und § 434 Abs. 3 Satz 2 BGB als Mangel eingeordnet. An der rechtlichen Verantwortung des Verkäufers ändert sich durch die veränderte Terminologie nichts.

2. Da V statt einem Karton 3 Kartons geliefert hat, handelt es sich um die falsche Menge iSv § 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB und ein Sachmangel liegt vor.

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Nein, das trifft nicht zu!

Nach dem Wortlaut (Menge) könnte eine Abweichung von den subjektiven bzw. objektiven Anforderungen sowohl bei einer Zuviellieferung, als auch bei einer Zuweniglieferung vorliegen. Nach dem Zweck der Norm und der Systematik des BGB, ist indes lediglich die Zuweniglieferung vom Kaufmängelgewährleistungsrecht umfasst.V hat zuviele Kartons geliefert. Maßgeblich nach § 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB ist aber ledilich die Zuweniglieferung (Mankolieferung). Vorliegend stellt die Zuviellieferung daher keinen Mangel dar. Der Verkäufer kann die zuviel gelieferte Waren über das Bereicherungsrecht zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

3. Kann man auf die Zuviellieferung § 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB analog anwenden?

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Nein!

Die analoge Anwendung einer Vorschrift setzt (1) eine planwidrige Regelungslücke und (2) eine vergleichbare Interessenlage voraus. Bei der Zuviellieferung fehlt es schon an der Regelungslücke. Erkennt ein objektiver Beobachter, dass zu viel geliefert worden ist, kann der Verkäufer die zu viel gelieferte Sache unmittelbar zurückfordern (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB), da es an einer Tilgungsbestimmung fehlt. Erkennt ein objektiver Beobachter dies nicht, liegt aus Käufersicht eine Tilgungsbestimmung vor, die der Verkäufer nach § 119 Abs. 1 BGB anfechten muss, bevor er die zu viel gelieferte Sache zurückfordern kann (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).Vorliegend ist ersichtlich, dass die drei Kartons zuviel waren. Insofern besteht bereits ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch (§ 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB).

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