Rücktritt beendeter Versuch - Fall 1
18. April 2025
15 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

T möchte auf O schießen und es ihm heimzahlen. Dabei denkt er, dass O versterben könnte, was er zwar billigend in Kauf nimmt, aber nicht beabsichtigt. Daher ruft er bereits vorab den Krankenwagen zu dem Ort, an dem er O auflauert. Daraufhin schießt er auf O und trifft. T flieht und kurz darauf kommt der Notarzt, welcher O das Leben rettet.
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Einordnung des Falls
Rücktritt beendeter Versuch - Fall 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ts Versuch des Totschlags (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) ist fehlgeschlagen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es liegt ein beendeter Versuch vor.
Ja, in der Tat!
3. Um wirksam zurückzutreten, müsste T den Eintritt des Taterfolges verhindern (§ 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB).
Ja!
4. Nach einer Auffassung (Rengier) ist es unschädlich für den Rücktritt, dass T den Krankenwagen bereits vor der Tathandlung gerufen hat.
Genau, so ist das!
5. Eine andere (wohl herrschende) Auffassung lehnt einen antizipierten Rücktritt ab, da die Tat genau nach Plan des Täters verlaufe.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ÖA
28.1.2025, 10:43:29
Moin Community, bin ich der einzige der den Sachverhalt etwas konstruiert findet. Wieso sollte T vorab einen Krankenwagen rufen, wenn er den Tod des O billigend in Kauf nimmt. Und wieso soll er nach der herrschenden Meinung schlechter gestellt werden, als jemand, der schießt und dann den Krankenwagen ruft. Das erschließt sich mir ganz und gar nicht, auch wenn das der Plan des T gewesen sein soll. Ich finde das Argument gar nicht überzeugend. Kann mir jemand auf die Sprünge helfen, eine andere Sichtweise geben?

Major Tom(as)
10.2.2025, 17:22:19
Das mit dem
billigend in Kauf nehmenergibt mE noch Sinn. Nach dem Motto: "Ich möchte ihn gerne verletzen, will ihn grds. retten und rufe deshalb den Krankenwagen, aber falls der zu spät kommt, ist es mir auch egal." Die herrschende Meinung finde ich auch nicht zu 100% überzeugend, ich denke, das hat vor allem generalpräventive Zwecke, um eine "Narrenfreiheit" zu verhindern - Menschen sollen sich nicht sicher fühlen können, jegliche Tat vorzunehmen, wenn sie am Ende "dann nochmal gut geht". Der antizipiert rettende Täter will ja gerade, dass seine Tat vor der Rettungshandlung genauso passiert, der später errettende bereut das Getane und tritt daher zurück. Wenn natürlich jemand mit genau der "Ich rette ihn dann einfach"-G
esinnung an den Versuch rangeht, aber schlau genug ist, die Rettung erst nach dem Versuch in die Wege zu leiten, passt diese Argumentation dann aber nicht mehr...
ÖA
10.2.2025, 19:50:10
erstmal danke für die Rückmeldung. Interessant, dass du dein Beispiel über das Verletzen bringst. Denn grundsätzlich will er ihn ja nicht vor der Verletzung retten, sondern vor dem Tod. Ich möchte ihn anschießen, aber nicht töten, aber falls er stirbt, ist es mir auch egal. Aber wenn es mir eben egal ist, dann rufe ich doch kein Krankenwagen im Vorhinein. Das ist mMn. eine eindeutige Handlung, die schon den
Tötungsvorsatzausschließen sollte, würde das im SV nicht explizit stehen. zu deinem letzten Absatz: Genau das meine ich!

Major Tom(as)
11.2.2025, 09:36:09
I get your point, natürlich ist das mega konstruiert, aber ich finde es trotzdem denkbar. (Ich meinte auch gar nicht, dass man vorm Verletzen gerettet werden soll, sondern genau, wie du es am Anfang nochmal schreibst, war vllt. etwas unpräzise formuliert - sollte ein "will ihn grds. vor dem Tode retten" sein) Es ist aber doch so, dass man grds. weiß, dass Krankenwägen (allg. der Rettungsdienst) manchmal länger brauchen und das die Überlebenschancen drastisch verringert. Wenn ich mein schwer verletztes Opfer 100% vor dem Sterben retten möchte, muss ich gleich selbst reanimieren/ Druck auf die Wunde ausüben/ sonst eine Erste-Hilfe-Handlung durchführen, während ich auf die Profis warte. Er will hier aber nicht erwischt werden und verzichtet deshalb auf die "Überbrückungshilfe". Damit nimmt er billigend in Kauf, dass das Opfer stirbt, falls der Krankenwagen zu spät kommt. Klar zeigt das Anrufen einen gewissen Rettungswillen, aber Luxuria und
Dolus Eventualissind nun mal super nah beeinander und am Ende reichen obj. Indizien nicht aus, sondern man muss auf die konkrete Person schauen (und dieser hier ist es dann halt am Ende doch egal)