Abgrenzung: Beendeter oder unbeendeter Versuch - Täter ist Erfolgseintritt gleichgültig - Jurafuchs
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A sticht mit einem Messer in den Oberkörper des R, um ihn zu töten. R geht blutend zu Boden. A ist es gleichgültig, ob R überlebt oder nicht. A flüchtet. R kann gerettet werden.
Einordnung des Falls
Die Abgrenzung zwischen einem beendeten und einem unbeendeten Versuch kann sich als schwierig gestalten. Wie ein Versuch einzuordnen ist, bei dem sich der Täter nach der letzten Ausführungshandlung keine Vorstellung über die Folgen seines Tuns macht oder ihm der Erfolg gleichgültig ist, hat der BGH nun entschieden. Hier sei ein beendeter Versuch anzunehmen. Grund dafür ist, dass ein Täter, der gleichgültig gegenüber dem Erfolgseintritt eingestellt ist, nicht bessergestellt werden soll als derjenige, der sich Gedanken über die Folgen seines Tuns macht.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat A sich wegen Totschlags zum Nachteil des R strafbar gemacht (§ 212 Abs. 1 StGB)?
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Nein, das trifft nicht zu!
2. A könnte sich des versuchten Totschlags strafbar gemacht haben (§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB). Müsste dazu der Versuch des Totschlags zunächst strafbar sein?
Diese Rechtsfrage lösen 99,7 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja!
3. Hatte A Tatentschluss hinsichtlich des Totschlags?
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Genau, so ist das!
4. Hat A hat unmittelbar zur Tat angesetzt?
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Ja, in der Tat!
5. A hat auch rechtswidrig und schuldhaft gehandelt. Kommt Straffreiheit nur noch in Betracht, wenn er wirksam zurückgetreten ist (§ 24 StGB)?
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Ja!
6. Ist der Tötungsversuch fehlgeschlagen?
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Nein, das ist nicht der Fall!
7. Richtet sich die vorzunehmende Rücktrittshandlung danach, ob der Versuch beendet oder unbeendet ist?
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Ja, in der Tat!
8. Läge ein beendeter Versuch vor, wenn A beim Fortgehen davon ausgegangen wäre, dass R trotz seiner Verletzungen überlebt?
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Nein!
9. Liegt ein unbeendeter Versuch vor, da A sich keine weiteren Gedanken über Rs Überleben gemacht hat?
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Nein, das ist nicht der Fall!
10. Ist A durch sein Fortgehen strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, S. 2 StGB)?
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Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
Prüfungsschema
Wie prüfst Du den Rücktritt vom beendeten Versuch im Fall des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB?
- Kein fehlgeschlagener Versuch
- Beendeter Versuch
- Keine Vollendung, ohne Zutun des Täters
- Rücktrittshandlung: Ernsthaftes Bemühen der Erfolgsabwendung (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB)
- Freiwilligkeit
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Tat
10.3.2024, 16:33:08
Wenn die Gleichgültigkeit des Täters nicht feststellbar gewesen wäre, würde man dann zu seinen Gunsten von einem unbeendeten Versuch ausgehen?
Timurso
5.4.2024, 10:38:01
Auf Strafbarkeitsfragen ist der Zweifelsgrundsatz anwendbar, daher würde ich sagen: Ja.
QuiGonTim
5.4.2024, 10:25:59
Ließe sich in diesem Zusammenhang auch die aus der Diskussion um den Eventualvorsatz bekannte Gleichgültigkeitstheorie, nach der die Gleichgültigkeit gegenüber einer Rechtsgutsverletzung der Inkaufnahme ebendieser entspräche, anführen?
Timurso
5.4.2024, 10:35:58
MMn schwierig. Hier (auf Ebene des Rücktritts) ist es ja völlig unerheblich, ob er den Tod in Kauf nimmt oder nicht. Die Frage ist lediglich, ob der Täter denkt, dass der Erfolg eintreten werde oder nicht. Dass die Gleichgültigkeit hier dem beendeten Versuch zugeordnet wird, ist eine normative Argumentation und keine Subsumtion der Vorstellung des Täters als das eine oder das andere.