Humanitäre Intervention

4. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

In V kommt die M-Diktatur an die Macht. M will V von der S'schen Minderheit „befreien“. Es kommt zu Deportationen, ethnischen Säuberungen und schweren Menschenrechtsverletzungen. Entsetzt, auch von der Untätigkeit der Staatengemeinschaft, setzt N zu Militärschlägen gegen V an.

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Einordnung des Falls

Humanitäre Intervention

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Militärschläge des N zum Schutz der S'schen Minderheit stellen tatbestandlich einen Verstoß gegen das Gewaltverbot dar.

Ja, in der Tat!

Die Militärschläge des N stellen eine Gewaltanwendung nach Art. 2 Abs. 4 UN-Charta dar. Das Gewaltverbot des Art. 2 Nr. 4 UN-Charta ächtet Gewaltanwendungen in den zwischenstaatlichen Beziehungen umfassend. Insbesondere lässt eine vermeintliche oder tatsächliche Vereinbarkeit der Militärschlage des N mit der Achtung und Verwirklichung von Menschenrechten nach Art. 1 Nr. 3, 55 lit. c UN-Charta den Tatbestand der Gewaltanwendung nicht entfallen.
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2. Die humanitäre Intervention ist ein völkergewohnheitsrechtlich anerkannter, ungeschriebener Rechtfertigungsgrund.

Nein!

Einschlägige Staatenpraxis – etwa der Angriff auf Chemiewaffeneinrichtungen in Syrien durch die USA, Frankreich und Großbritannien 2018, der Einsatz der USA, Frankreichs, Großbritanniens et al. in Libyen 2011, der NATO-Einsatz 1998/99 im Kosovo oder die Intervention Indiens in Ostpakistan 1971 – wird nicht immer von entsprechender Rechtsüberzeugung getragen. Zumeist berufen sich die Interventionisten auf andere Rechtfertigungsgründe, sodass es zumindest an der zweiten Voraussetzung für die Entstehung (Völker-)Gewohnheitsrechts, einer entsprechenden Rechtsüberzeugung (opinio iuris), fehlt.

3. Die humanitäre Intervention ist jedenfalls zulässig, wenn eine Abwägung des Gewaltverbotes mit Fundamentalnormen des Menschenrechtsschutzes ergibt, dass schwerste Menschenrechtsverletzungen drohen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine solche Güterabwägung würde ein Selbst- bzw. Dritthilferecht vorbei am Gewaltlegitimierungsmonopol des UN-Sicherheitsrats schaffen. Es öffnete wohlmeinenden oder weniger wohlmeinenden Staaten die Tür zur Anwendung von Gewalt unter eigenmächtiger Berufung auf die Einhaltung von Menschenrechten, ohne dass sie dafür sanktioniert werden könnten. Dies ist nach dem Friedenssicherungssystem der UN-Charta gerade nicht vorgesehen. Zudem sind unilaterale humanitäre Interventionen ihrerseits anfällig für die Schaffung neuer Gewaltübel.
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