„Rechnungsähnliche‟ Vertragsofferten – Konkludente Täuschung trotz wahrer Angaben bei geschäftlich Erfahrenen


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Der geschäftlich erfahrene O erwartet eine Rechnung für eine Eintragung ins Handelsregister. Er erhält ein Schreiben von T, welches alle Merkmale einer Rechnung enthält. Auch der beigefügte Überweisungsträger ist schon ausgefüllt. Nur in den kaum lesbaren „AGB“ des Schreibens findet sich ein Hinweis, dass es sich um ein Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrages handelt. O hält das Schreiben für die besagte Rechnung und zahlt den Betrag.

Einordnung des Falls

„Rechnungsähnliche‟ Vertragsofferten – Konkludente Täuschung trotz wahrer Angaben bei geschäftlich Erfahrenen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei geschäftlich erfahrenen Personen wie O ist eine "Täuschung" (§ 263 Abs. 1 StGB) von vornherein ausgeschlossen.

Nein!

Eine konkludente Täuschung liegt in einem irreführenden Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist, der ein gewisser Erklärungswert beizumessen ist. Das Erscheinungsbild des Schreibens ist – trotz seines wahren Inhaltes – geeignet, um selbst bei einem erfahrenen Adressaten den Eindruck einer Rechnung und damit einer Zahlungspflicht zu erwecken. Der BGH stellt bei der Prüfung auf die subjektiven Absichten des Täters ab. Setzt der Täter die Eignung der inhaltlich richtigen Erklärung planmäßig ein, um beim Opfer einen Irrtum hervorzurufen und es unter dem Anschein „äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens” gezielt zu schädigen, kommt – trotz der wahren Angaben der Erklärung – eine konkludente Täuschung durch das Vorspiegeln einer angeblichen Zahlungspflicht in Betracht.

2. Folgt man der h.M., hat T den geschäftlich erfahrenen O über seine Zahlungspflicht und den Angebotscharakter des Schreibens "getäuscht" (§ 263 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Umstritten ist, ob die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze auch für geschäftlich erfahrene Personen gelten. Während die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dies bejaht, stellen Literaturstimmen auf erhöhte Prüfungspflichten bei geschäftserfahrenen Personen ab. Entscheidend sind – wie immer – die Umstände des Einzelfalls. Bei den bisher vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen wurde der Adressatenkreis nicht zufällig ausgewählt, sondern die „rechungsähnlichen“ Schreiben waren vom Täter auf die Empfänger abgestimmt, da sie eine Rechnung für bereits erbrachte Leistungen erwarteten. In solchen Fällen ist es durchaus – mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – vertretbar, einen durch die konkludente Täuschung verursachten – auf Unaufmerksamkeit beruhenden – „Routineirrtum“ anzunehmen, an dem die Geschäftserfahrung nichts ändert.

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JO

JonasRehder

31.5.2023, 14:39:27

Hierzu kann ebenfalls noch § 305c und § 310 I S. 1 BGB angeführt werden, woraus die Wertung folgt, dass auch Unternehmer vor Kleingedrucktem geschützt werden sollen. So auch OLG Frankfurt, NJW 2003, 3215.


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