§ 444 bei Verkäufermehrheit
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Professor P kauft von den Studenten A und B deren WG-Kaffeemaschine unter Vereinbarung eines umfassenden Haftungsausschlusses für Sachmängel. Die Kaffeemaschine ist jedoch schon seit längerem mangelhaft, da sie einen ständigen Wackelkontakt hat. Von diesem Mangel weiß nur der Kaffeeliebhaber A; er verschweigt ihn jedoch arglistig.
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Einordnung des Falls
§ 444 bei Verkäufermehrheit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. P kann gegen A Mängelrechte geltend machen, soweit der Haftungsausschluss unwirksam ist (§ 444 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. P kann gegen B keine Mängelrechte geltend machen, weil B mangels Kenntnis vom Mangel diesen nicht selbst arglistig verschweigen konnte (§ 444 BGB).
Nein!
3. Sofern dem P ein Schaden entstanden ist, kann er diesen ebenfalls auch gegenüber B geltend machen (§§ 280ff. BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Milian
27.5.2021, 19:16:17
Die Feststellung bei Frage 1 ist etwas ungenau. Es sollte besser bei der ersten Frage heißen, dass der Gewährleistungsanspruch "insoweit unwirksam" ist. Ausweislich des Wortlauts von
444 BGB("soweit") bleibt der Gewährleistungsanspruch außerhalb des verschwiegenen Mangels für etwaige weitere Mängel nämlich wirksam.
Tigerwitsch
28.5.2021, 09:54:29
Stimmt, es gilt eine sog. beschränkte Unwirksamkeit 👍🏻 Ursprünglich war nicht geklärt, wie weit die Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses reicht. Durch das „Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträgen bei Finanzdienstleistungen“ (BGBl. I 2004, Seite 3102) hat der Gesetzgeber - durch das Wort „soweit“ anstelle „wenn“ - klargestellt, dass der Haftungsausschluss nur „soweit“ unwirksam ist, wie die
Beschaffenheitsgarantie beziehungsweise des arglistigen Verschweigens reicht. Damit hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich für eine beschränkte Unwirksamkeit entschieden. Vgl. nur Pammler, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger (Hrsg.), jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020 (Stand: 25.05.2021), § 444 Rn. 86 f.
Lukas_Mengestu
28.5.2021, 15:48:56
Absolut berechtigter Hinweis :) wir haben das entsprechend angepasst. Danke euch!
Andeutungstheorie
6.1.2022, 10:34:39
Muss sich B nicht das Verschulden des A nach 278 zurechnen lassen ?
Lukas_Mengestu
7.1.2022, 10:43:47
Hallo
Andeutungstheorie, für die Zurechnung nach
§ 278 BGBist es erforderlich, dass es sich bei A um einen Erfüllungsgehilfen handelt, also eine Person, die mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn die dem Geschäftsherrn als Schuldner aus einem bestehenden Schuldverhältnis mit einem Dritten obliegenden Pflichten wahrnimmt. Dies setzt voraus, dass die Person gerade zu diesem Zweck eingesetzt wurde und nicht nur eigene Interessen wahrnimmt. Da A selbst Vertragspartei geworden ist, handelt er hier in erster Linie in eigenem Interesse. Im Ausgangsfall hatte der BGH die Haftung des B allerdings deshalb bejaht, da B die Verschuldensvermutung des
§ 280 Abs. 1 S. 2 BGBnicht entkräften konnte und ihn somit auch eigenes Verschulden traf. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
evanici
30.8.2023, 11:52:49
Und wieso stellt man nicht auf § 166 analog ab?
Merle_Breckwoldt
30.4.2024, 16:30:32
Hallo evanici, die Gegenauffassung zieht tatsächlich
§ 166 BGB(analog) heran! Danach würde für den selbst nicht-arglistigen Verkäufer eine Berufung auf den Gewährleistungsausschluss gem.
§ 444 BGBnur dann ausscheiden, wenn er sich die Arglist seines Mitverkäufers gem.
§ 166 BGB(analog) zurechnen lassen muss. Das Problem an dieser Ansicht ist, dass bei einer Verkäufermehrheit unterschiedlichste Vertretungskonstellationen denkbar sind und deswegen Schutzlücken für den Käufer entstehen können. So ist in unserem Fall zwar nicht ersichtlich, ob A oder B die Vertragsverhandlungen geführt hat, wer also möglicherweise Vertretener und wer Vertreter war. Wenn wir aber einmal unterstellen, dass der B den A vertrat, scheidet nach der Mindermeinung eine Zurechnung aus (§ 166 I BGB) und K könnte sich nicht an B halten. (vgl. Rn. 22 im Urteil) Viele Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team
Fuller at H(e)art
21.12.2023, 23:43:09
Dass gegen B unter keinen Umständen Schadensersatzansprüche bestehen sollen, erscheint zweifelhaft. Zwar hat B keine Kenntnis des Mangels, folglich die ursprüngliche Schlechtleistung nicht zu vertreten. Damit ist aber nicht gesagt, dass B nicht den erfolglosen Ablauf einer etwaig durch P gesetzen
Nachfristzu vertreten haben könnte. Für einen Schadensersatzanspruch aus 437 Nr.3,280 I, III,281 I 1 Alt.1 ist ein solches Vertretenmüssen des Fristablaufs aber gerade ausreichend.