Strafrecht

Strafprozessrecht

Die Verfahrensbeteiligten

Beweisperson – Zeugnisverweigerungsrechte

Beweisperson – Zeugnisverweigerungsrechte

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

A und B sind des gemeinschaftlichen Raubes angeklagt. A hat seiner Ehefrau Z alles von der Tat erzählt. Während der Hauptverhandlung stirbt der A plötzlich. Nunmehr soll Z als Zeugin vernommen werden, sie wird vom Gericht geladen. Z möchte nicht aussagen.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Beweisperson – Zeugnisverweigerungsrechte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Z ist Zeugin.

Genau, so ist das!

Zeuge ist eine Person, die im Strafverfahren über ihre Wahrnehmung von Tatsachen durch eine Aussage berichten soll, ohne durch eine andere Verfahrensrolle davon ausgeschlossen zu sein (formeller Zeugenbegriff). Beweisgegenstand der Zeugenaussage sind nur vom Zeugen höchstpersönlich wahrgenommene Tatsachen, nicht Meinungen zur oder Schlussfolgerungen aus diesen Tatsachen. Z soll über ihre tatsächlichen Wahrnehmungen als Ehefrau des A berichten.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Z muss zur Hauptverhandlung erscheinen.

Ja, in der Tat!

Wird ein Zeuge ordnungsgemäß zur Vernehmung vor dem Richter oder der Staatsanwaltschaft geladen, ist er verpflichtet, dort pünktlich zu erscheinen (§§ 48, 51, 161a StPO). Diese Pflicht besteht unabhängig von etwaigen Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrechten. Gegenüber den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft trifft ihn eine Erscheinenspflicht nur, wenn seiner Ladung ein Auftrag der StA zugrunde liegt (§ 163 Abs. 3 S. 1 StPO). Darüber hinaus braucht er vor der Polizei nicht zu erscheinen. Z wurde vom Gericht geladen (§§ 48, 51 StPO).

3. Z muss aussagen sofern sie kein Zeugnisverweigerungsrecht hat.

Ja!

Der Zeuge ist verpflichtet, wahrheitsgemäß zum Gegenstand der Vernehmung auszusagen. (1) Die Pflicht zur Aussage umfasst die Pflicht, sich zu allen erheblichen Tatsachen umfassend zu äußern. (2) die Pflicht zur Wahrheit (§§ 57 S. 1, 161a Abs. 1 S. 2 StPO) bedeutet, dass die Angaben des Zeugen vollständig sein und der Wahrheit entsprechen müssen. Die Aussagepflicht entfällt nur, wenn der Zeuge über ein Zeugnisverweigerungs- oder Auskunftsverweigerungsrecht verfügt. Macht er davon keinen Gebrauch, muss er jedoch die Wahrheit sagen.

4. Vor dem Tod des A verfügte Z über ein Zeugnisverweigerungsrecht.

Genau, so ist das!

Zeugen stehen zwei Arten von Zeugnisverweigerungsrechten zu. (1) Zeugen, die auf Grund der potenziellen Konfliktlage, möglicherweise einen Angehörigen belasten zu müssen, sind zur Zeugnisverweigerung berechtigt (§ 52 StPO, Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen). (2) Bei bestimmten Berufsgruppen (Geistliche, Ärzte, Anwälte…) besteht aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen den Berufsträgern und denjenigen, die ihre Hilfe und Sachkunde in Anspruch nehmen, ein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 StPO, Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen). In einem Strafverfahren, das sich gegen mehrere Beschuldigte richtet, ist ein Zeuge auch dann zur Zeugnisverweigerung bezüglich aller Beschuldigter berechtigt, wenn er nur zu einem von ihnen in einem Angehörigenverhältnis steht, sofern der Sachverhalt, zu dem er aussagen soll, auch seinen Angehörigen betrifft. Hier war Z Ehegatte des Beschuldigten (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO) und der Vernehmungsgegenstand betraf ihren Angehörigen.

5. Z verfügt auch nach dem Tod noch über ein Zeugnisverweigerungsrecht.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 52 StPO, welches hinsichtlich aller Beschuldigter bestehen kann, besteht nicht dauerhaft. Es entfällt, wenn das Verfahren gegen den Angehörigen rechtskräftig abgeschlossen ist (Verurteilung, Freispruch) oder der Angehörige stirbt. Denn dann hat der Angehörige nichts mehr zu befürchten, sodass es keinen Grund mehr gibt, den nicht verwandten Beschuldigten noch von einem Schweigerecht profitieren zu lassen. A ist verstorben, sodass ihr Zeugnisverweigerungsrecht entfallen ist.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

Jose

26.1.2022, 12:37:26

Kann man das auch anders sehen? Haben Personen nicht ein großes Interesse daran, ihre Angehörigen auch nach deren Tod nicht "in den Dreck zu ziehen"? Könnte man da mit dem postmortalen Persönlichkeitsrecht argumentieren?

VIC

Victor

26.1.2022, 13:09:18

Eher nicht. Die

Zeugnisverweigerungsrecht

e schützen die besondere Beziehung und wie hier gerade das Angehörigenverhältnis. Das gilt jedoch nicht gegenüber Dritten. Mit dem Tod entfällt die Schutzbedürftigkeit. Es kommt ja zu keiner postmortalen Verurteilung. Somit ist ein in strafrechtliches „in den Dreck ziehen“ nicht möglich. Zudem begründet die Zeugnisverweigerung einen eng umgrenzten Ausnahmefall. Davon soll der Mitangeklagte dann nicht mehr profitieren. Selbst wenn das postmortale PR eine Rolle spielt tritt es jedoch hinter der Wahrheitsfindung zurück.

WAL

Waltrop

16.2.2022, 00:59:08

Hier steht, dass nach einem rechtskräftigen Freispruch das Aussageverweigerungsrecht auch nicht mehr besteht. Wie ist das in Fällen, in denen dadurch nach dem neuen 362 V StPO eine Wiederaufnahme zuungunsten des Freigesprochen möglich erscheint?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.2.2022, 14:41:38

Spannende Frage, Waltrop. Auch in der Vergangenheit war es indes in engen Grenzen möglich, Verfahren nach einem Freispruch wiederaufzunehmen. Trotzdem sah der BGH hierin keine Konfliktlage für den Zeugen, da im Wiederaufnahmeverfahren dem Zeugen wiederum das

Zeugnisverweigerungsrecht

nach §

52 StPO

zusteht. Seine Aussage kann für dieses Verfahren dann nicht fruchtbar gemacht werden (vgl. BGH NStZ 1992, 195). Auch wenn es zu § 362 Abs. 5 StPO naturgemäß noch keine Rechtsprechung gibt, so spricht zudem vieles dafür, dass allein die Aussage eines zur Zeugnisverweigerung berechtigten Angehörigen mangels Verwertbarkeit nicht einmal ein ausreichender Wiederaufnahmegrund ist. Denn mangels Verwertbarkeit bietet die Aussage keinen Anlass dazu, dass nunmehr eine Verurteilung erfolgen könne. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Isabell

Isabell

4.3.2022, 17:42:47

Das habe ich als Literaturmeinung auch schon anders gelesen. Mit dem Argument, die restliche Familie würde in den Schutzbereich miteinbezogen werden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.3.2022, 15:34:22

Hallo Isabell, das kann gut sein, dass das teilweise noch vertreten ist. Der BGH selbst hat früher vertreten, dass das

Zeugnisverweigerungsrecht

fortbestehe, wenn der beschuldigte Angehörige verstirbt. Anfang der 90er Jahre hat er das

Zeugnisverweigerungsrecht

dann aber deutlich eingeschränkt und zunächst in Fällen, in denen das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen war (BGH NJW 1992, 1116), das

Zeugnisverweigerungsrecht

abgelehnt. Aufbauend darauf hat er dann in der im Fall angegebenen Entscheidung (BGH NJW 1992, 1118) dann erst Recht das

Zeugnisverweigerungsrecht

es im Fall des Todes ausgeschlossen. Denn hier drohe noch nicht einmal das theoretische Risiko eine Wiederaufnahmeverfahrens. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community