Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Mord, § 211 StGB
Habgier - Rechtmäßigkeit des Vorteils
Habgier - Rechtmäßigkeit des Vorteils
4. Juli 2025
4 Kommentare
4,8 ★ (5.773 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T leiht O seinen Roller, da er ins Ausland geht. Nach seiner Rückkehr verlangt er den Roller von O mehrfach vergeblich zurück. T stellt den O zur Rede. O verweigert weiterhin die Rückgabe. Schließlich tötet T den O, um an den Roller zu kommen.
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Einordnung des Falls
Habgier - Rechtmäßigkeit des Vorteils
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat das täterbezogene Mordmerkmal "Habgier" (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 3 StGB) verwirklicht.
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Larzed
1.10.2022, 13:02:30
Könnten hier sonst
niedere Beweggründeeinschlägig sein? Die Tötung eines Menschen steht zwar prinzipiell auf niedriger Stufe, weshalb das Mordmerkmal nicht ohne Weiteres angenommen werden dürfe. Aber wenn ich es damit begründen würde, dass T seinen Anspruch aus § 604 BGB grundsätzlich problemlos gerichtlich durchsetzen könnte, würde ich
niedrige Beweggründeannehmen. Wäre das vertretbar?

Lukas_Mengestu
4.1.2023, 18:43:34
Hallo Larzed, nach gefestigter Rechtsprechung liegt das Merkmal der niedrigen Beweggründe vor, wenn die vorsätzliche Tötung auf solchen Motivationen beruht, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders
verwerflich, ja verachtenswert sind. Diese Formel ist leider weitgehend inhaltslos, sodass man letztlich versuchen muss, sich an verschiedenen Leitprinzipien des BGH zu orientieren. "Falsch" ist in diesem Kontext insofern wenig, allenfalls riskierst Du den Vorwurf, dass Du Deine Ansicht nicht hinreichend begründet hat.
Niedrige Beweggründekönnen zB vorliegen bei ungehemmter Eigensucht oder einer allein an den eigenen Bedürfnissen ausgerichteten besonders krasse Rücksichtslosigkeit. Auch soll die Annahme eines sonstigen niedrigen Beweggrundes nahe liegen, wenn die Tötung in einem eklatanten Missverhältnis zum Tatanlass steht (MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl. 2021, StGB § 211 Rn. 73) Legt man diesen Maßstab zugrunde, so könnte man in der bloßen Besitzherausgabe tatsächlich einen relativ nichtigen Anlass sehen, der in keinem Verhältnis zur Tötung steht. Die Annahme von niedrigen Beweggründen liegt also durchaus nicht fern. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Simon
24.1.2024, 22:56:25
Ich finde die hM hier absolut nicht überzeugend. Auch bei einem Vermögensvorteil, der dem Täter rechtlich zusteht, ordnet er ein Menschenleben diesem Vorteil unter. Allein um diese Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Wert eines menschlichen Lebens geht es dem Mordmerkmal der
Habgier. Dass T einen Anspruch hat, zeugt sogar von erhöhter
Verwerflichkeit, da sich T hier staatlicher Hilfe bedienen kann und somit keine Notwendigkeit für seine Tat besteht. Der systematische Vergleich mit der
Erpressungverfängt nicht, da es sich hierbei um ein Vermögensdelikt handelt und das Vermögen bei einem rechtlichen Anspruch des Täters nicht schutzbedürftig ist

LS2024
1.6.2025, 12:20:38
Ich halte mal aus Spaß an der Freude dagegen: Dass T einen Anspruch hat, bedeutet, dass er sich nur das holt, was ihm ohnehin zusteht. Der Akt der Anspruchsdurchsetzung in Form des ansichnehmen des Rollers ist damit nicht
verwerflich.
Verwerflichist nur die Tötung.
Verwerflichist aber auch, dass das Opfer sich der rechtlich ordnungsgemäßen Zuordnung verweigert. Damit ist die Situation durch eine gänzlich andere Rechts- und Interessenlage geprägt als Sie dem gesetzlichen Leitbild er
Habgierinnewohnt. Die Rollen des Täters und des Opfers sind quasi umgedreht. Das bedeutet nicht, dass er gerechtfertigt handelt. Aber es zeigt eben, dass man den Wortlaut überdehnen würde, wenn man auch die vorliegende Situtation unter die
Habgiersubsumiert. Das hindert gleichzeitig nicht daran, die Selbstjustiz als niedrigen Beweggrund zu werten und den Täter trotzdem wegen Mordes zu verurteilen. Gerade hier wo das
Rechtsgut Lebendes Opfers dem Besitzinteresse des Täters entgegensteht, fände ich es überzeugend mit deiner Argumentation eine besondere Rechts- und Lebensfeindlichkeit des Verhaltens des Täters und damit die besondere sittliche Anstößigkeit seines Verhaltens zu begründen. Das wäre mMn die dogmatisch sauberere Lösung um dem (berechtigten) Rechtsgefühl Ausdruck zu verleihen.