Habgier - Rechtmäßigkeit des Vorteils

4. Juli 2025

4 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T leiht O seinen Roller, da er ins Ausland geht. Nach seiner Rückkehr verlangt er den Roller von O mehrfach vergeblich zurück. T stellt den O zur Rede. O verweigert weiterhin die Rückgabe. Schließlich tötet T den O, um an den Roller zu kommen.

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Einordnung des Falls

Habgier - Rechtmäßigkeit des Vorteils

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat das täterbezogene Mordmerkmal "Habgier" (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 3 StGB) verwirklicht.

Nein!

Habgier ist das gesteigerte abstoßende Gewinnstreben um jeden Preis, auch um den eines Menschenlebens. Die überwiegende Ansicht lehnt Habgier ab, wenn der Täter auf die Herstellung eines rechtskonformen Zustandes der Güterordnung abzielt. Diese Ansicht bedient sich des systematischen Vergleichs mit den Raub- und Erpressungsdelikten: Dort entfällt die Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung/Bereicherung bei Bestehen eines fälligen und einredefreien Anspruchs. T ging es nicht um einen wirtschaftlichen Gewinn. Er tötete O, um den ihm zustehenden Anspruch auf Rückgabe des Rollers (§ 604 BGB) durchzusetzen. Eine andere Ansicht bejaht Habgier, denn auch in dieser Konstellation werde ein Menschenleben für wirtschaftliche Zwecke des Täters ausgelöscht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Larzed

Larzed

1.10.2022, 13:02:30

Könnten hier sonst

niedere Beweggründe

einschlägig sein? Die Tötung eines Menschen steht zwar prinzipiell auf niedriger Stufe, weshalb das Mordmerkmal nicht ohne Weiteres angenommen werden dürfe. Aber wenn ich es damit begründen würde, dass T seinen Anspruch aus § 604 BGB grundsätzlich problemlos gerichtlich durchsetzen könnte, würde ich

niedrige Beweggründe

annehmen. Wäre das vertretbar?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.1.2023, 18:43:34

Hallo Larzed, nach gefestigter Rechtsprechung liegt das Merkmal der niedrigen Beweggründe vor, wenn die vorsätzliche Tötung auf solchen Motivationen beruht, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders

verwerflich

, ja verachtenswert sind. Diese Formel ist leider weitgehend inhaltslos, sodass man letztlich versuchen muss, sich an verschiedenen Leitprinzipien des BGH zu orientieren. "Falsch" ist in diesem Kontext insofern wenig, allenfalls riskierst Du den Vorwurf, dass Du Deine Ansicht nicht hinreichend begründet hat.

Niedrige Beweggründe

können zB vorliegen bei ungehemmter Eigensucht oder einer allein an den eigenen Bedürfnissen ausgerichteten besonders krasse Rücksichtslosigkeit. Auch soll die Annahme eines sonstigen niedrigen Beweggrundes nahe liegen, wenn die Tötung in einem eklatanten Missverhältnis zum Tatanlass steht (MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl. 2021, StGB § 211 Rn. 73) Legt man diesen Maßstab zugrunde, so könnte man in der bloßen Besitzherausgabe tatsächlich einen relativ nichtigen Anlass sehen, der in keinem Verhältnis zur Tötung steht. Die Annahme von niedrigen Beweggründen liegt also durchaus nicht fern. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Simon

Simon

24.1.2024, 22:56:25

Ich finde die hM hier absolut nicht überzeugend. Auch bei einem Vermögensvorteil, der dem Täter rechtlich zusteht, ordnet er ein Menschenleben diesem Vorteil unter. Allein um diese Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Wert eines menschlichen Lebens geht es dem Mordmerkmal der

Habgier

. Dass T einen Anspruch hat, zeugt sogar von erhöhter

Verwerflich

keit, da sich T hier staatlicher Hilfe bedienen kann und somit keine Notwendigkeit für seine Tat besteht. Der systematische Vergleich mit der

Erpressung

verfängt nicht, da es sich hierbei um ein Vermögensdelikt handelt und das Vermögen bei einem rechtlichen Anspruch des Täters nicht schutzbedürftig ist

LS2024

LS2024

1.6.2025, 12:20:38

Ich halte mal aus Spaß an der Freude dagegen: Dass T einen Anspruch hat, bedeutet, dass er sich nur das holt, was ihm ohnehin zusteht. Der Akt der Anspruchsdurchsetzung in Form des ansichnehmen des Rollers ist damit nicht

verwerflich

.

Verwerflich

ist nur die Tötung.

Verwerflich

ist aber auch, dass das Opfer sich der rechtlich ordnungsgemäßen Zuordnung verweigert. Damit ist die Situation durch eine gänzlich andere Rechts- und Interessenlage geprägt als Sie dem gesetzlichen Leitbild er

Habgier

innewohnt. Die Rollen des Täters und des Opfers sind quasi umgedreht. Das bedeutet nicht, dass er gerechtfertigt handelt. Aber es zeigt eben, dass man den Wortlaut überdehnen würde, wenn man auch die vorliegende Situtation unter die

Habgier

subsumiert. Das hindert gleichzeitig nicht daran, die Selbstjustiz als niedrigen Beweggrund zu werten und den Täter trotzdem wegen Mordes zu verurteilen. Gerade hier wo das

Rechtsgut Leben

des Opfers dem Besitzinteresse des Täters entgegensteht, fände ich es überzeugend mit deiner Argumentation eine besondere Rechts- und Lebensfeindlichkeit des Verhaltens des Täters und damit die besondere sittliche Anstößigkeit seines Verhaltens zu begründen. Das wäre mMn die dogmatisch sauberere Lösung um dem (berechtigten) Rechtsgefühl Ausdruck zu verleihen.


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